Review: #4.01 Die neue Welt
Uncle Sam. Hinter dem großen Teich. Der Schmelztiegel der Nationen. Die neue Welt. Die Welt der unbegrenzten Möglichkeiten. Als ich zum ersten Mal in die Welt von "Outlander" abtauchte, hätte ich als Nicht-Buchkenner niemals gedacht, dass es uns einmal so weit weg von Schottland verschlagen würde. Doch nachdem man uns in der letzten Staffel bereits das exotische Jamaika näher brachte, verlagert man den Handlungsort in Staffel 4 nun nach Amerika. Die ersten Worte, die Claire aus dem Off an uns richtet, zeigen bereits die düsteren Facetten dieser neuen Welt, denn aus dem Steinkreis blendet man über in die Schlinge, die an einem Galgen hängt und bald einen der Weggefährten der Frasers das Leben kosten wird.
Brave the new world
Ich muss gestehen, dass Hayes bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, weshalb ich seiner Figur nicht hinterher trauere. Es geht bei seinem Tod jedoch nicht um den Verlust der Figur an sich, sondern darum, uns die Schattenseiten dieser wunderbaren neuen Welt zu zeigen. Man nutzt den Abschied von Hayes gleichzeitig, um uns zu Beginn der Folge noch einmal an das wundervolle Schottland zu erinnern, denn in Gedenken an ihren toten Freund stimmt man in der Taverne ein schottisches Lied an. Man vermittelt uns das Gefühl von Zusammengehörigkeit, indem weitere Gäste in den Gesang einstimmen. Im Gegensatz dazu steht die letzte Szene der Folge, in der Claire und Jamie auf unliebsame Weise in Amerika "begrüßt" werden. Von dem Gefühl der Zusammengehörigkeit fern ab der Heimat ist nun nichts mehr zu spüren. Während Schottland im Zuschauer ein Gefühl der Vertrautheit weckt, wird Amerika als herzlos dargestellt, doch darauf will ich später mehr eingehen.
Die Verbundenheit zwischen den beiden Hauptfiguren demonstriert man uns auch in Staffel 4 mit der Liebesnacht im Wald. Es ist sehr schön, dass uns die Liebe von Claire und Jamie stets bewusst gemacht wird und dass Brianna, das Produkt ihrer Liebe, schließlich ausschlaggebend dafür ist, dass Jamie sich vorstellen kann, sich eine Zukunft in Amerika aufzubauen. Nach dem Gespräch mit Gouverneur Tryon wirkte Jamie nicht sonderlich erpicht darauf, ein Stück amerikanisches Land zu besitzen, doch durch den Bezug zum Heimatland seiner Tochter sieht die Sache dann schon ganz anders aus.
Sehr schön in Szene gesetzt wurde zudem die Beziehung von Jamie und Ian. In dem Gespräch auf dem Friedhof gestand Ian seinem Onkel die Scham, die er seit der Vergewaltigung durch Gellis empfindet. Einerseits hat mir dieses Männergespräch an sich sehr gut gefallen, schließlich ist es eine Seltenheit, Männer so offen über ihre Gefühle erzählen zu sehen. Anderseits war es die Tatsache, dass Jamie in Staffel 1 ähnliches erlebt hat und seinem Neffen dadurch wunderbaren Beistand leisten kann. Es braucht hier nicht vieler Worte, um Jamies Einfühlsamkeit zu zeigen. Die Szene hält uns zudem noch einmal vor Augen, dass Young Ian eben doch noch ein Junge ist.
Während man zunächst mit einigen Nebencharakteren abschließt und den Zuschauer langsam darauf vorbereitet, dass diese Staffel in der neuen Welt spielen wird, ist die Einführung einer neuen Person besonders wichtig. Es handelt sich dabei um Stephen Bonnet, der uns gleich zu Beginn als Zellengenossen von Hayes begegnet und wenig später auf dem Friedhof wiederauftaucht. Auf den ersten Blick kann man sagen, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmt und dass Claire und Jamie ihm so uneigennützig helfen, lässt sofort die Alarmglocken schrillen. Bonnet ist im Staffelauftakt das Mittel zum Zweck und zeigt uns die dunklen Seiten dieser vielversprechenden neuen Welt auf. Mit einem ironischen Lächeln warnt er Claire und Jamie bei ihrer ersten Verabschiedung noch vor den Dieben und Mördern, die ihr Unwesen treiben, wenig später steht er wieder auf der Matte und nimmt die Leute aus, die ihm zuvor geholfen haben. Kurz habe ich mich gefragt, ob Bonnet die beiden absichtlich verfolgt hat, oder ob die Begegnung während seines Raubzugs zufällig war. Egal wie es nun dazu gekommen ist, ich bin mir sicher, dass man uns mit Bonnet den großen Bösewicht der Staffel präsentiert. Sein süffisantes Grinsen und wie er kaltherzig und blutrünstig mordet, malen das Bild eines wunderbaren Gegenspielers, den man als Zuschauer augenblicklich hasst. Die Szene auf dem Boot wird dazu von Ray Charles' Lied "America" untermalt, was einen schaurigen Eindruck hinterlässt. Der Kontrast zwischen der gewalttätigen Handlung und dem Amerika-huldigenden Lied ist so schrill, dass die Ironie überdeutlich betont wird. Die Schlussszene lässt mich dadurch etwas zwiegespalten zurück, denn der Einsatz des Liedes erfüllt zwar seinen Zweck, indem man, wie schon zu Beginn der Folge, unterstreicht, dass nicht alles Gold ist was glänzt. Dennoch ist das laute Einspielen von "America" ein wenig zu viel.
Randnotizen
- In Staffel 2 änderte man das Intro ab und verpasste den schottischen Klängen einen französischen Touch. Auch dieses Mal bedient man sich dieses Mittels und man hört nun andere Instrumente aus der Melodie heraus. Schon damals konnte ich mich mit der Änderung nur schwer anfreunden, ich denke jedoch, dass man sich daran gewöhnen wird.
- Als Jamie lebhaft von seiner Tante Jocasta erzählte, hat mich das schon etwas stutzig gemacht und ich habe mich gefragt, ob es diese Frau tatsächlich gibt.
- Jocasta, oder im Deutschen Iokaste, ist in der griechischen Mythologie die Mutter von Ödipus, die ihren eigenen Sohn heiratete. Ich bin gespannt, ob man auf diese griechische Tragödie Bezug nehmen wird, wenn wir Jamies Tante kennenlernen.
- Nach dem großen Zeitsprung legte man durch graue Strähnen, verblasstes rot und Betonung der Falten viel Wert darauf, uns zu zeigen, dass Jamie und Claire gealtert sind. Nun hatte ich jedoch das Gefühl, dass man wieder einen Gang zurückgeschaltet hat.
- Durch die Erwähnung von Brianna habe ich mich gefragt, ob man sie in dieser Staffel wieder zu Gesicht bekommen wird. Vielleicht versucht sie ja herauszufinden, ob ihre Mutter es tatsächlich zurück zu Jamie geschafft hat? Ihre Spur nach Amerika zu verfolgen, wird allerdings bestimmt nicht leicht.
- Claire weiß, dass es nur noch neun Jahre dauern wird, bis es zur Unabhängigkeitserklärung von Amerika kommt. Dass es bis dahin einige Unruhen geben wird, ist gewiss und ich frage mich, inwieweit die Frasers in diese politischen Machtspielchen verwickelt werden.
- Jaime fragt sich, was mit den ursprünglichen Bewohnern Amerikas geschehen wird. Es wirkt etwas forciert, dass er nicht annimmt, dass man einfach in Frieden mit den Indianern zusammenleben kann.
- Auch das Thema Sklaverei wird durch den Bootsmann angeschnitten und spielt in diese Staffel sicher wieder eine große Rolle.
- Dass Fergus und Marsali Eltern werden, wurde nur kurz thematisiert und da die beiden die Frasers auch nicht auf ihrer weiteren Reise begleitet haben, werden wir sie sicher erst in einer fortgeschrittenen Phase der Schwangerschaft wiedersehen. Wer glaubt noch, dass Claire das Baby entbinden wird?
- Ed Speleers habe ich zuletzt in "Downton Abbey" gesehen und bereits damals hatte seine Rolle etwas Verschlagenes an sich. Dieser Charakterzug steht dem Schauspieler sehr gut.
Fazit
Der erste Schritt in die neue Welt ist gesetzt und wieder wird es kein leichter Beginn für Jamie und Claire. Man zeigt deutlich auf, dass wir in dieser Staffel die Schattenseiten von Amerika erkunden werden und ich bin gespannt darauf, welche Steine man den Frasers dabei in den Weg legen wird.
Marie Florschütz - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: America the BeautifulErstausstrahlung (US): 04.11.2018
Erstausstrahlung (DE): 09.01.2019
Erstausstrahlung (Pay-TV): 05.11.2018
Regie: Julian Holmes
Drehbuch: Matthew B. Roberts, Toni Graphia
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