Bewertung

Review: #1.01 Der Blackout

Foto: Giancarlo Esposito, Revolution - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Giancarlo Esposito, Revolution
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Als im Herbst 2011 bekannt wurde, dass J.J. Abrams gemeinsam mit Eric Kripke an einem Serienprojekt arbeitet, stand für mich - selbst ohne Wissen über den geplanten Inhalt - sofort fest, dass ich diese Serie verfolgen werde. Kripke hatte bereits mit seinem 5-Jahres-Plan von "Supernatural" bewiesen, dass er das Talent besitzt, eine spannende und in sich stimmige Mythologie zu erschaffen und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, den Zuschauer langsam aber bestimmt in diese hineinzuziehen. Und J.J. Abrams bescherte uns mit "Alias" eine der packensten Crime-Serien, mit "Felicity" eine wunderbare Drama-Serie und mit "Lost" eines der absoluten TV-Highlights der letzten Jahre.

Und nun sitze ich hier vor meinem Laptop, höre die entfernten Geräusche von vorbeifahrenden Autos, trinke einen Kaffee, esse ein Brot, sehe aus den Augenwinkeln die hell erstrahlten Fenster der umliegenden Häuser und reflektiere über den gerade gesehenen Piloten von "Revolution". Die Situation, in welcher ich mich selbst befinde, wäre in der post-apokalyptischen Zukunft, wie sie in der Serie gezeichnet wird, nicht möglich. Denn der umfassende Bereich der Technologie ist vollkommen ausgelöscht. Vordergründig mag man nun vermuten, dass es keine Elektrizität mehr gibt, aber der so genannte Blackout in der Serie ist noch weitaus umfassender...

"It's all gonna turn off. And it will never ever gonna turn back on!"

Die ersten Minuten des Piloten sind eine perfekte Inszenierung unseres heutigen mediatisierten Alltags, sowie unserer gesellschaftlichen Abhängigkeit von Technologien. Wir bekommen zunächst einen Blick auf die Skyline von Chicago in der Abenddämmerung, bei der uns Wolkenkratzer, Werbetafeln und belebte Straßen in hell strahlenden Lichtern präsentiert werden. Dann sehen wir eine alltägliche Familiensituation, bei der der Fernseher läuft, der Laptop auf dem Tisch steht, die Mutter mit einer Person telefoniert, ein Kind mit dem iPad spielt. Eine vollkommen normale Situation, die mehr oder weniger so ähnlich tagtäglich in jedem Haushalt passiert.

Dann taucht Ben Matheson (Tim Guinee) im Haus seiner Familie auf und verkündet aufgeregt, dass es jeden Moment zum totalen Blackout kommen wird und die Welt sich für immer verändert. Er kopiert noch schnell wichtige Daten über genau diesen Vorfall auf einen USB-Stick und hält seine Frau Rachel (Elizabeth Mitchell) an, so viel Wasser wie nur möglich abzufüllen. Denn logischerweise wird sich in wenigen Minuten nicht nur das Licht und der Fernseher ausschalten, sondern es wird auch kein fließendes Wasser mehr geben, schließlich wird dieses vom Wasserwerk in die einzelnen Haushalte gepumpt. Und genau hier wird dem Zuschauer deutlich, dass die Welt sich wirklich komplett auf den Kopf stellen wird. Woher bekommen die Menschen - vor allem diejenigen aus den Großstädten - die grundlegenden Nahrungsmittel wie Wasser? Wie würde das eigene Leben aussehen, wenn plötzlich von der einen auf die andere Sekunde der Strom abgeschaltet ist? Kein Wasser mehr aus den Wasserhähnen fließt? Die Produktion bzw. Verarbeitung von Lebensmitteln nicht mehr funktioniert? Die Menschheit sieht sich vor Umständen, welche zuletzt vor mehreren Jahrhunderten vorherrschten. Der Unterschied ist jedoch, dass diese Umstände damals normal waren, es keine Großstädte gab, die jeden grünen Flecken mit Beton bedeckten, Nahrungsmittel von Hand, ohne technische Geräte an- und abgebaut wurden... Die Menschen sich schlichtweg einfach damit auskannten, wie sie sich selbst versorgen konnten, ohne Geld auf eine Ladentheke zu legen und ihre Einkäufe in eine Tüte zu packen!

So interessant diese ersten Minuten auch inszeniert wurden, so schnell sind sie auch schon wieder vorbei und man springt letztlich 15 Jahre in die Zukunft. Da jedoch sowohl Tim Guinee als auch Elizabeth Mitchell dem Hauptcast der Serie angehören, gehe ich stark davon aus, dass man in den kommenden Episoden immer wieder einen Rückblick in die Zeit zwischen dem Blackout und der uns präsentierten Zukunft werfen wird, um die große Lücke nach und nach zu schließen. Wäre Ben Matheson nicht auch relativ frühzeitig im Piloten gestorben, hätte ich fast erwartet, dass Rachel Matheson nie verstorben ist, sondern vielmehr noch irgendwo im Geheimen agiert und einen wichtigen Part im Mysterium spielt.

"Things used to be different. We used electricity for everything. But after the blackout nothing worked. All of it. Gone forever."

Nach diesen sehr kurzen Eindrücken des Blackouts finden wir uns im Großteil des Piloten in der Zeit 15 Jahre nach dem weltverändernden Ereignis wieder. Jon Favreau setzt dieses Zukunftsszenario perfekt in Szene und beeindruckt mit grandiosen Momentaufnahmen der Charaktere inmitten einer komplett neuen Welt. Pflanzen umzingeln Betonpaläste, Kirchenspitzen tauchen aus riesigen Seen hervor und die Straßen sind gepflastert von rostigen Stahlleichen. Die cineastische Inszenierung ist schlichtweg ein absolutes Highlight im Piloten und wirkt sowohl idyllisch als auch beängstigend.

Die Menschen haben sich aus den Großstädten in die eher ländlichen Gegenden zurück gezogen, um dort neue Dörfer zu errichten, in denen sie ihre eigene Nahrung anbauen, Viehzucht betreiben und generell ein Leben führen, welches an die Zeiten der ersten Kolonien in Amerika erinnert. Doch wie zu erwarten, leben diese neuen Gemeinschaften nicht friedlich nebeneinander her, sondern es herrscht das Gesetz des Stärken. Durch den Zusammenfall der Regierungen, die sich nach dem Blackout nicht mehr halten konnten, haben sich einzelne Militärs herausgebildet, die einen Machtanspruch für sich verzeichnen. Uns begegnet dabei die Armee von Sebastian 'Bass' Monroe (David Lyons), der das Territorium rund um Chicago für sich vereinnahmt hat und stetig Leute aussendet, um Schutzgeld bzw. vielmehr Schutzgüter an ihn zu zahlen und seine Machtposition zu stärken. Außerdem wird uns durch die Warnung von Ben Matheson verdeutlicht, dass die Straßen alles andere als sicher sind, da jeder nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist.

Ein düsteres, aber ebenso realistisches Bild von einer Zukunft, in der lediglich einzelne Gemeinschaften versuchen, ihr Leben zu gestalten, keinesfalls jedoch eine Gesellschaft mit festen und für alle gleichermaßen bedeutenden Strukturen und Regeln vorherrscht. Das Motto "Jeder Mann für sich selbst" spiegelt sich auch in der Ausstattung der Menschen wieder, die allesamt eine Waffe - in Form eines Dolchs, eines Schwertes oder Pfeil und Bogen - bei sich tragen. Diese werden zum einen für die Jagd auf Nahrung, zum anderen aber zur Verteidigung des eigenen Lebens und Besitzes eingesetzt.

"In case you haven't noticed I'm trying to maintain a low profile here."

Wie nicht anders zu erwarten war, stechen bei den Charakteren vor allem diejenigen heraus, die von den erfahrenen Schauspielern verkörpert werden. Allen voran Giancarlo Esposito alias Tom Neville. Bereits in "Breaking Bad" hat Esposito in seiner Rolle als Gus Fring bewiesen, dass er sich perfekt darin versteht, einen durchsetzungsfähigen und Macht ausstrahlenden Charakter zu verkörpern. Auch in "Revolution" kommt sein schauspielerisches Talent wieder voll zum Tragen und er strahlt eine Überlegenheit aus, die jeden anderen in den Schatten stellt. Besonders beeindruckend ist die erste Szene mit ihm, als er einen Aufstand von Ben Mathesons Leuten mit einigen treffsicheren Schüssen, bei denen er sich kaum einen Millimeter bewegt, mit dem bloßen Wort "Enough" beendet und plötzlich absolute Stille herrscht.

Ebenso überzeugend ist Billy Burke als Miles Matheson, ein einstiger US Marine, der sich nach dem Blackout als Barkeeper in Chicago niedergelassen hat und einen Ruf als grandioser Krieger genießt. Seine distanzierte Art, sein leerer Blick, das schelmische Lächeln und seine ausgezeichneten Kampfkünste haben seinen Charakter perfekt in Szene gesetzt. Auch David Lyons, als derzeitiger Big Bad der Serie, besitzt nach den kurzen Szenen im Piloten für mich genug Ausstrahlung, um diese Rolle auszufüllen. Die Verbindung zu den Matheson-Brüdern und damit das Wissen um den geheimen USB-Stick ist durch seine (ehemalige) Freundschaft zu Miles sichergestellt und ich bin gespannt, ob er die Position des Antagonisten den gesamten Verlauf über beibehalten wird. Weniger begeistert bin ich derzeit noch von Tracy Spiridakos alias Charlie Matheson. Es gibt zwar weitaus mehr zentrale Frauencharaktere, die mich weniger begeistern können, jedoch merkt man leider auch deutlich, dass Spiridakos noch einiges an Schauspielerfahrung fehlt. Es bleibt zu hoffen, dass sich ihre Darstellung im Laufe der Serie um ein Vielfaches verbessern wird.

Gänzlich enttäuscht haben mich im Piloten vor allem die beiden männlichen Nachwuchsschauspieler Graham Rogers alias Danny Matheson sowie JD Pardo alias Nate Walker. Während Rogers einer auswechselbaren Schlaftablette gleicht, wirkt Pardo stetig aufgesetzt, weshalb man nicht nachvollziehen kann, warum Charlie so fasziniert von ihm ist. Beide Darsteller könnten derzeit von jedem x-beliebigen Schauspieler ersetzt werden, ohne, dass ihren Charakteren dabei eine besondere Note genommen würde.

Bei den Charakteren ist vor allem der ehemalige Google-Mitarbeiter Aaron (gespielt von Zak Orth) als Comic-Relief-Typ sofort zum Sympathieträger avanciert. Grace (gespielt von Maria Howell) und ihr geheimer Computer auf dem Dachboden hingegen, dürfte zwar jedem "Lost"-Fan ein Lächeln auf die Lippen verschafft haben, da man sich wohl unweigerlich an die Szenen in der Swan-Station erinnert hat, vielmehr hat sie bei mir derzeit allerdings noch nicht erreicht. Der große 'Schocker' am Ende der Episode, hat für mich noch nicht ganz funktioniert, was vorrangig jedoch daran liegt, dass Grace derzeit noch keinerlei Verbindung zu einem der anderen Charaktere hat.

Fazit

Letztlich ist der Pilot von "Revolution" für mich eine sehr gelungene Einführung in das Konzept der Serie, auch wenn er an einigen Stellen ein paar Längen aufweist, die hoffentlich im Laufe der Serie besser kompensiert werden können. Die einzige Befürchtung, die unterschwellig bei mir mitschwingt, ist, dass die Serie sich nicht frühzeitig entscheidet, ob man hier mehr das Mysterium an sich in den Mittelpunkt rücken möchte oder die Charaktere selbst. Die sechste Staffel von "Lost" hat gezeigt, dass eine solche Entscheidung besser früher als später gefällt werden sollte, und bisher ist in "Revolution" noch keine klare Richtung erkennbar. Auf der anderen Seite bleibt zumindest die Gewissheit, dass Erik Kripke der Ideengeber der Serie selbst ist und somit hoffentlich einen Masterplan hat, der genauso überzeugend wie die ersten fünf Staffeln von "Supernatural" ist.

Annika Leichner - myFanbase

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