Shameless - Review Staffel 1

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Durch eine Arbeitskollegin bin ich auf "Shameless", die auf einer britischen Vorlage beruht, aufmerksam geworden. Allerdings hatte ich bislang noch kein Bedürfnis dazu, mir das britische Original anzusehen. Denn auf Anhieb hatte ich mich in die US-Version verschossen. Die Serie wird ihrem Namen gerecht und provoziert mit schamlos viel nackter Haut, skurrilen Storys und ebenso zu bezeichnenden Charakteren. In einem sozial sehr bedürftigen Wohnumfeld, schlägt sich die Familie Gallagher durch den Alltag. Dies ist durch den alkoholisierten Vater Frank und diversen Problemen wie den knappen Finanzen eine ständige Herausforderung.

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Skurrile Personen

Ganz ehrlich, richtig normal wie man es wohl aus dem Leben kennt, kann man hier kaum einen Charakter bezeichnen. Selbst die von Emmy Rossum herzzereißend charmant dargestellte, sich für die Familie aufopfernde Fiona weist Eigenschaften auf, die nicht immer vernünftig sind. So nimmt sie es locker hin, wenn ihre neue Flamme Steve Autos stiehlt und diese weiterverkauft. Sie scheint auch kein Problem damit zu haben, wenn ihre Familie mal zwischendurch einen liegengebliebenen LKW ausräumt und dergleichen. Durch die verrückten Storys ist die Serie extrem unterhaltsam und man hat wirklich schnell Spaß mit den Gallaghers und deren Umfeld.

Hervorheben möchte ich die Hauptrolle des Vaters Frank Gallagher. Dieser Charakter entlockt einem sämtliche Emotionen. Mal ist man bestens amüsiert und lacht mit bei den Sprüchen, die er reißt oder bescheuerten Aktionen, die er umsetzt. Mal hat man Mitleid mit ihm, da er dem Alkohol so sehr verfallen ist. Dann wieder hasst man ihn regelrecht, wenn man Zeuge wird wie asozial er sich seiner Familie und anderen gegenüber verhält. Schade ist lediglich, dass man es in Staffel 1 nicht hinbekommen hat, dass der Zuschauer Verständnis für diese Figur aufbringt. Wie er zum hoffnungslosen, asozialen Säufer wurde, bleibt zu wenig durchleuchtet. Auch die Figur der Mutter Monica Gallagher wird zu wenig verständlich gemacht. Es wird nur angedeutet, dass sie es miteinander nicht ausgehalten haben in der Ehe. Doch sich deswegen, so sehr der Sucht hinzugeben und eine sechsköpfige Familie im Stich zu lassen, stößt auf Unverständnis bei mir. Trotz dieser Abstriche bei der Charakterzeichnung wird Frank Gallagher von William H. Macy wunderbar in Szene gesetzt, der die Rolle hervorragend beherrscht, indem er durch die Mimik und dem Temperament der Show ordentlich Antrieb gibt.

Besonders erwähnenswert ist auch Joan Cusack als Sheila Jackson. Für mich sticht sie deshalb so sehr hervor, da sie im ersten Moment schlicht verrückt wirkt. Doch je öfter man sie sieht, desto mehr wächst einem diese Hausfrau ans Herz. Ich fühlte bei ihr richtig mit, da sie an einer Agoraphobie leidet, die es ihr schwer macht, normal den Alltag zu verbringen. Sie bringt es nicht einmal fertig das Haus zu verlassen und verpasst somit sehr viel vom Leben. Es gibt dazu immer wieder Szenen, in denen man mit ihr hofft, dass sie es schafft, die Hemmung zu überwinden.

Keine Ruhe bei den Gallaghers

Die Gallagher-Geschwister haben notgedrungen gelernt sich ohne die Eltern zu versorgen, was besonders organisatorisch betrachtet immer wieder inspirierend ausfällt und zu turbulenten Storylines führt. Dabei wird einem stets ganz warm ums Herz, wenn man zu sehen bekommt, wie stark der Zusammenhalt ist. Fiona, Philipp und Ian als ältere Geschwister stellen die Stütze für die Jüngeren Debbie, Carl und Liam dar. Manchmal vergisst man beinahe, dass Fiona die ältere Schwester und nicht die Mutter ist. Ihr Einsatz scheint unermüdlich und routiniert.

Der Vater Frank kann dagegen als richtiger Problem-Magnet angesehen werden, der seine Familie immer wieder in seine eigenen Schwierigkeiten verstrickt. Manchmal fällt einem die Kinnlade runter, wenn man sieht, was Frank alles in Kauf nimmt, um an Geld zu gelangen. Er arbeitet nicht, da ihm dies zu anstrengend sei und nutzt Optionen, um als arbeitsuntauglich zu gelten. Die Daseinsberechtigung der Jackson-Familie in der Serie wird schnell deutlich. Sheila wird von Frank gleich im Serienauftakt schamlos ausgenutzt, als er ihr Haus bezieht. Was wir daraufhin zwischen Frank/Sheila zu sehen kriegen, ist schlicht schräg aber auch äußerst amüsant. So ein ungewöhnliches Liebespaar hab ich noch nicht in der Serienlandschaft entdeckt! Doch Frank bereut es früh genug, sich auf Sheila eingelassen zu haben, da die Frau von SM-Spielchen der besonderen Art und Weise nicht genug bekommt. Rund um Franks Figur selbst schleicht sich in der Debütstaffel eine Routine ein, die jedoch überzeugt, da sie stets für feurige Stimmung sorgt. Beinahe in jeder Episode verursacht er ein Problem, dass seine geliebten Kinder für ihn ausbaden dürfen, während er sich mehr oder weniger geschickt aus dem Staub macht.

Doch Franks Kinder bringen es auch fertig, ohne ihn in Schwierigkeiten zu geraten. Ian, der zweitälteste Sohn, ist das Paradebeispiel dafür. Er ist schwul und lässt sich gleich zu Beginn der Serie auf eine Affäre mit einem verheirateten Mann namens Kash ein, die nichts Gutes erahnen lässt. Hierbei schafften es die Autoren auf gelungene Weise Wendungen einzubauen, mit denen man nicht rechnet. Nicht unerwähnt lassen will ich Kashs EhefrauLinda, die immer wieder einen flotten Spruch reißt, wenn sie ihrem Mann zeigt wo's langgeht.

Neben Ian ist es (Phil)Lip der mit folgenübergreifenden Storys für Trouble sorgt. An ihm ist das zerrüttete Familienverhältnis besonders ersichtlich. Er scheint sehr intelligent zu sein, doch die Verhältnisse zuhause oder auch andere Einflüsse, lassen ihn doch oft genug unbesonnen wirken. Das sorgt für einige spannende Momente. Er findet Wege Geld zu besorgen, beispielsweise indem er für andere Schüler Tests schreibt oder mit Steves illegalem Autogeschäft, was erhebliche Konsequenzen mit sich zieht. Mit Lip fiebert man häufig mit und wünscht sich, dass er sein Potential nicht vergeudet und abrutscht. Dazu verkomplizieren aber auch die zunehmend stärker werdenden Gefühle zu Karen sein Leben, da diese lieber freundschaftlich bleiben will. Es ist süß, die beiden zusammen zu sehen und man hofft, dass es doch einen Weg für die Beiden gibt, ernsthaft zusammenzukommen.

Fionas Story in Staffel 1 konzentriert sich neben der Familiensituation hauptsächlich auf Männer. Für die Familie opferte sich Fiona schon einige Zeit total auf. Sie hält alles zusammen und hat zunehmend Probleme sich zwischendurch zu entspannen und die Kontrolle, die Verantwortung, abzulegen. Man fühlt mit ihr mit, da sie so ein Gutmensch ist, dem man jedoch gönnt, auch ihr eigenes Leben auszukosten. Steve, ein geheimnisvoller Kerl mit Boygroup-Gesicht, erobert schnell ihr Herz aber schafft immer wieder Probleme und Zweifel. Sein Nebenbuhler, der Polizist Tony, ist der perfekte Schwiegersohn aber wohl zu wenig aufregend. Doch er kämpft nicht nur mit fairen Mitteln um die älteste Gallagher-Tochter. Ich finde das Liebesdreieck ganz nett eingebracht aber es ist sehr vorhersehbar, wen Fiona lieber an ihrer Seite hat. Interessant wird es auch zum Ende hin als Fiona sich mit einer anderen Hausfrau Jasmine Hollander anfreundet. Die Frau verhält sich Fiona gegenüber auffallend zuvorkommend und schnell wird dem Zuschauer klar, dass diese nicht nur eine Freundin sein möchte.

Debbie und Carl sorgen vereinzelt für Ärger im Gallagher-Haus, bleiben aber zumeist im Hintergrund. Außer wenn Debbie um die Häuser zieht, um ein Kind zu entführen, oder Steve hinterher spioniert. Die Gallaghers sind schon eine amüsante Meute. Jedoch schafften es die Macher auch, genug Drama zur Geltung zu bringen. Spätestens als die Mutter Monica mitmischt zeigt die Serie das ganze Potential. In diesen Episoden geht es besonders emotional und bewegend zu. Als Zuschauer erscheint einem Monica schon bei ihrem ersten Auftritt als ziemlich unsympathisch. Offenbar ist sie bisexuell und kreuzt mit ihrer Freundin auf nur des Geldes wegen. Später zeigt sich jedoch, dass sie vorhat mit Freundin Roberta eine eigene Familie zu gründen. Man kann den Hass und die Verzweiflung ihrer Kinder dermaßen gut nachfühlen, als diese mit allen Mitteln sich dafür einsetzen, dass Liam nicht aus der Familie entnommen wird. Man ist fassungslos bei diesen Szenen. Monica ließ, aus bislang nicht sehr schlüssigen und entschuldsamen Gründen , die gesamte Familie im Stich. Plötzlich zieht sie in Erwägung einen Teil davon zu entreißen und einen auf gute Mum zu machen. Genauso wie Fiona ist man erleichtert, als Monica letztendlich einsieht, Liam nicht mitnehmen zu können. Es bleibt spannend zu verfolgen, ob Monica früher oder später einen Weg zurück in ihre Familie finden wird und ob sie es jemals wieder hinbekommen wird, dass man ihr die groben Fehltritte verzeiht.

Die Dramen und Situationen bei den Nachbarn

Von den Nachbarn Veronica und Kevin war ich schnell überzeugt –Kevins Sprüche und Veronicas Temperament geben der Serie viel Drive. Das überaus leidenschaftliche Pärchen wird leider etwas an den Rand gedrängt, doch auch sie haben skurrile Storylines, wie zum Beispiel ihr Hochzeitsszenario. Der eigentlich bereits verheiratete Kevin schafft es, Veronica reinen Wein einzuschenken, was ein nobler Charakterzug ist. Eine Scheidung kann er jedoch nicht riskieren, weil es ihm wohl sonst an den Kragen ginge, und so kommt die heimliche Heirat ins Spiel. Ich empfinde die Inszenierung dazu etwas wirr aber das passt zum Stil der Serie. Veronica ist sich zudem zu nichts zu schade, da auch bei den beiden oft genug das Geld knapp ist. So macht sie schon mal nackt den Haushalt vor laufender Kamera und setzt ihre weiblichen Vorzüge so manipulativ ein, wie es nur möglich ist. Bei dem Pflegekind Ethel, das sie im Laufe der Staffel des Geldes wegen bei sich aufnehmen, schüttelt man als Zuschauer den Kopf. Besser gesagt fiel mir auch hier die Kinnlade runter. Eine aus der Sekte stammende Teenagergöre, welche bereits Mutter ist, passt jedoch bestens rein in diese schamlose Show.

Ganz ungelogen hat mich in Staffel 1 jedoch die Familienstory bei den Jacksons am meisten mitgerissen. Sheilas Mann Eddie ist zutiefst religiös und läuft schon mal gerne mit Bibel und Kreuz durch das Haus. Mit der Entwicklung seiner Tochter Karen zur Jungs verschlingenden Göre kommt er so gar nicht klar. Was erst mehr zum Lachen anregt, nimmt im Laufe der Staffel sehr dramatische Züge an. Wirklich sehr selten hat mich ein Staffelfinale dermaßen emotional mitfiebern lassen wie das hier gezeigte. Was allerdings bei den Jacksons etwas fehlt, sind die Hintergründe für das Handeln der Charaktere. So passiert es zu leicht, dass man diese einfach als schräg abstempelt, da man nicht weiß, wie sich die Charakterzüge so entwickeln konnten. Jedenfalls ist es ein gelungener Schachzug die Jacksons mit den Gallaghers zu verknüpfen. Beide Familien sind sehr skurril und wirken zerrissen. Während Fiona bei den Gallaghers als das Herz der Familie gilt, ist das bei den Jacksons Sheila. Sie steht völlig hinter ihrer Tochter Karen und tut für sie was sie kann. Die Verstrickung, durch das Frank-Sheila-Gespann und das Verhältnis von Karen und Lip, ergibt großes Storypotential und spannende, witzige, wie auch emotionale Momente.

Fazit

Staffel 1 von "Shameless" muss man gesehen haben, wenn man auf ausgefallene Dramedy-Serien abfährt. Emotional steht eine Achterbahnfahrt an und die Charaktere wachsen einem schnell ans Herz. Man bekommt einen provokanten Einblick in ein asoziales Umfeld gewährt, das gut unterhält, aber auch echte Tiefe und gelungene dramatische Szenen aufweist.

Samuel W. - myFanbase

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