A Better Place - Review Miniserie

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Als großer Fan von Weltuntergangsszenarien und Dystopien hat mich auch die deutsche Serie "A Better Place" gleich angesprochen, weil es immer wieder spannend ist, zumindest theoretisch durchzuspielen, wie Menschen auf bestimmte (Extrem-)Situationen reagieren. Und hier geht es mal nicht gleich um Zombies, Viren oder Katastrophen sondern 'nur' um eine Freilassung von Inhaftierten in der Stadt Rheinstadt. Als soziologisches Feldexperiment wissenschaftlich begleitet will man herausfinden (oder vielmehr beweisen), dass eine Reintegration von Straftäter:innen besser sei, als sie für viel Geld in einer Haftanstalt zu verwahren und später immer noch integrieren zu müssen. Die Grundidee ist also äußerst realistisch und durchaus diskutabel und es zeichnet sich sofort ab, dass genau diese Diskussionen die Stadt bestimmen werden.

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A Better Place
© WDR/STUDIOCANAL

Am schwierigsten ist dabei natürlich die Freilassung von Mördern und Sexualstraftätern, aber auch Diebstahldelikte hinterlassen bei den Opfern oder Hinterbliebenen viele Fragen nach Sicherheit und Gerechtigkeit. Was die zehn Episoden sehr gut schaffen, ist es, allen Perspektiven Raum zu geben und so jede Position zu vertreten. Während also die ganze Zeit richtig oder falsch über der Serie schwebt, geht es eigentlich genau nicht um diese Kategorien sondern darum, was es mit den Menschen anstellt, wenn man sie mit bestimmten Situationen konfrontiert. Die Idealistin und Wissenschaftlerin Petra Schach (Maria Hofstätter) verteidigt das TRUST-Projekt bis ins letzte Detail mit durchaus guten Argumenten, sie gibt Vertrauensvorschuss und kann mindestens die Hälfte der Verurteilten eigentlich auf ihrer Seite wissen, weil diese dankbar für die neue Chance sind und alle Regeln befolgen. Problematisch sind also nur die anderen, die es dann eben gleich auch politisch knifflig machen und den Bürgermeister Amir Kaan (Steven Sowah) schnell in Erklärungsnöte bringen und zu ungewollten Handlungen wie den Fußfesseln zwingen. Doch die Mehrheit der Bevölkerung will das, nachdem heraus kommt, dass auch ein Pädophiler frei herumläuft und eine Diebin wieder an einem Überfall involviert war.

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Was mir bei aller berechtigter Sorge besonders gefallen hat, ist die Darstellung der Dynamik von Sorge hin zu Anschuldigungen, fahrlässiger Handlung, Nichtbeachtung des Volkswunsches bis hin zur Hysterie, die sogar in einer gewaltvollen Demonstration endet. Das ist leider sehr realistisch und gar nicht dystopisch, zeigt eben die Emotionalität des Menschen, der sich richtig schön hochschaukeln kann, wenn das Thema erst gefunden wurde. Gesellschaftlich seziert "A Better Place" also irgendwie auch die aktuelle Gesellschaft mit ihrer ständigen Aufgeregtheit, fehlenden Grautönen und der Verurteilung von Menschen, ohne alle Details zu wissen. Man will es auch nicht wissen, man will nur seine Gefühle loswerden. So ähnlich habe ich auch die oberste Kritikerin des Projektes, Nesrin Gül (Alev Irmak), empfunden, mit der ich lange fremdelte, obwohl ich ihre Trauer und Wut natürlich nachvollziehen kann, immerhin ist ihr Kind gestorben. Trotzdem diskreditiert sie das gesamte Projekt, obwohl es einige Straftäter gibt, die eine Chance erhalten dürfen. Einer davon ist Mark Blum (Johannes Kienast), der bei einem Autounfall eine Frau tötete und mit dieser Last nun auch leben muss, selbst aber Frau und zwei Kinder hat, die nicht mehr auf ihn zählen konnten. Hier ist es besonders tragisch, dass das Projekt am Ende scheitert und alle wieder ins Gefängnis müssen. Dass Petra Schach optimistisch bleibt und nun einfach einen anderen Ort sucht, der für ihr Projekt passen könnte, ist auch eine interessante Schlussfolgerung. Für sie ist das Projekt nicht gescheitert, sie sieht nur, dass noch nicht genug Menschen bereit dafür waren.

Fazit

Es ist also wirklich viel, was man an dieser Serie diskutieren kann und auch sollte. Was kann Gesellschaft (er-)tragen? Welche Verantwortung darf man Menschen geben, die diese schon mal missbraucht haben? Wie kann man Menschen überzeugen und mitnehmen, ohne dass sie sich zu Wutbürgern entwickeln? Welche zweite Chance hat man verdient? Was braucht man zum Trauern? Wie sieht Vergebung aus? Wann sind Täter auch Opfer? usw. Die Antworten kann jeder nur für sich selbst finden. "A Better Place" liefert dafür Material, pro und contra, ja, nein und aber. Und am Ende steht für den Zuschauer die Frage: Wie sieht dein "better place" aus?

Die Serie "A Better Place" ansehen:

Emil Groth - myFanbase

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