All Rise - Review des Piloten

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Mal von den Krimiserien abgesehen, die seit Jahren vorrangig bei CBS beheimatet sind, gibt es innerhalb der restlichen Network-Serien eine ganz klare Rangliste: Arztserien stehen ganz weit oben auf der Liste, werden aber dicht gefolgt von den Anwaltsserien. Die neue US-Season 2019/2020 hat auch wieder zwei neue Anwaltsserien parat. Neben "Bluff City Law", beheimatet bei NBC, ist das eben "All Rise", das auf CBS läuft. Hat diese Serie etwas vorzuweisen, was sie hervorstechen lässt und ihr möglicherweise eine langlebigere TV-Karriere verschafft?

Anwaltsserien gibt es wirklich wie Sand am Meer, so dass es rein logisch betrachtet immer schwieriger wird, noch eine Dramaserie zu entwickeln, die sich den Geschehnissen vor Gericht aus einem neuen Blickwinkel widmet. Daher wirkt auch "All Rise" zu keinem Zeitpunkt frisch und neu, sondern eher wie eine von vielen. Von der Erzählart her erinnert mich die neue Serie sehr stark an "For the People", das bei ABC nie so recht ein Publikum finden konnte und nach zwei Staffeln abgesetzt wurde. Aber bei beiden Serien fällt ins Auge, dass alle Berufsgruppen am Gericht beleuchtet werden sollen. Wir haben die Strafverteidigerin Emily Lopez-Batista (Jessica Carmacho, "The Flash"), die etwas chaotisch herkommt, die aber für ihre Mandanten immer alles gibt. Wir haben den Staatsanwalt Mark Callan (Wilson Bethel, "Hart of Dixie"), der einen kriminellen Vater hat, sich aber aus dessen Schatten gelöst hat, indem er durch viel Verstand seinem Job überzeugend nachgeht. Die wichtigste Position nimmt aber Lola Carmichael (Simone Missick, "Marvel's Luke Cage") ein, die ganz frisch zur Richterin ernannt worden und nicht bereit ist, alles nach einem strengen Schema F zu verfolgen. Zudem gibt es noch drei weitere Rollen, die für eine Anwaltsserie tatsächlich eher untypisch sind. Wir haben Luke Watkins (J. Alex Brinson), der als Gerichtsdiener arbeitet, aber selbst Jura studiert. Wir haben eine Stenographin namens Sara Castillo (Lindsay Mendez) und schließlich noch Lolas Assistentin Sherri Kansky (Ruthie Ann Miles), die mit ihrer Chefin nicht viele Standpunkte teilt. All diese Charaktere haben zwar verschiedene Jobs, sind aber durch das Gericht aneinandergebunden, so dass sich viel Raum auch für persönliche Verwicklungen ergibt.

"All Rise" ist zum Auftakt unheimlich flott erzählt, so dass sich kaum Atempausen ergeben. Die Serie setzt zudem auf viel Humor, vor allem in Gestalt von Bethel, der schon in "Hart of Dixie" ausreichend sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen konnte. Auch die Interaktionen von Lola und ihrer Assistentin Sherri lebt von Wortwitz und Sarkasmus. Diese humorvolle Seite macht einen großen Teil der Stimmung aus, aber immer wieder kommen Momente herein, in denen ein kleiner Bruch entsteht, weil eher auf eine dramatische Atmosphäre gesetzt wird. So zückt gleich zu Beginn der Episode ein Gerichtsdiener seine Waffe, weil er für seinen Umgang mit einer Gefangenen kritisiert wurde oder es wird angedeutet, dass Emily Probleme mit einem gewalttätigen Ex hat. Diese Szenen wirken zu der humoristischen Grundausrichtung der Serie sehr konträr. Hier habe ich das Gefühl, dass die Balance noch nicht so richtig gefunden wurde.

Aufgrund dieser bereits genannten Aspekte ist es wirklich sehr verwunderlich, dass "All Rise" bei CBS beheimatet ist. Dieser Sender gilt nicht nur als Heimat der Krimiserien, sondern muss auch mit dem Stigma leben, überwiegend weiße Männer in den Hauptrollen zu beschäftigen, weswegen er die Heimat einer bestimmten Zielgruppe ist. "All Rise" angeführt von Missick passt da wirklich nicht hinein, aber auch das flotte Erzähltempo und der Humor, der vor allem über Wortwitz transportiert wird, erinnern mich eher an eine ABC-Serie. Daher wird es alleine schon spannend werden, ob die Zielgruppe von "All Rise" überhaupt bei CBS auf die Suche nach dieser neuen Anwaltsserie geht.

"All Rise" gewährt uns in seinem Auftakt schon eine deutliche Richtung, welches Profil man für sich schärfen möchte, aber dennoch habe ich das Gefühl, dass wir erst einen Bruchteil davon tatsächlich gesehen haben. Aus den einzelnen Charakteren ist vor allem privat noch unheimlich viel herauszuholen. Die Interaktionen zwischen den einzelnen Hauptcharakteren wirkten etwas einseitig, hier muss auf Dauer mehr Vielfalt geboten werden. Zudem ist klar, dass man durch die selbstbewusste Lola, die aber dennoch auch gerne mal in ein Fettnäpfchen tritt, eine andere Seite des Gerichtssaals zeigen will, aber das will für mich zum Auftakt noch nicht so klappen. Somit gibt es noch kein herausragendes Element, das mich unbedingt weiterschauen lassen muss, aber vielleicht muss "All Rise" sich über die kommenden Episoden erst noch finden.

Fazit

"All Rise" ist eine höchst ungewöhnliche CBS-Serie, da eine schwarze Frau in der Hauptrolle, ein flottes Erzähltempo und viele humorvolle Wortgefechte eher an eine ABC-Serie erinnern. Als Anwaltsserie erfindet man zum Auftakt das Rad wahrlich nicht neu, aber als Fan dieses Genres wird man hierbei definitiv nichts falsch machen. Zwar hat sich die Serie noch nicht recht gefunden, aber die Voraussetzungen, vor allem das schauspielerische Potenzial, stimmen ganz eindeutig.

Lena Donth - myFanbase

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