Alles Licht, das wir nicht sehen - Review Miniserie
Auf die Miniserie "Alles Licht, das wir nicht sehen" auf Netflix war ich wirklich gespannt. In meinem Text zu den vielversprechendsten Neustarts hatte ich schon angedeutet, dass ich den Nationalsozialismus und dabei unweigerlich auch den Zweiten Weltkrieg als zentrales Thema in meinem Geschichts-Abitur hatte. Aber auch durch meine in dieser Zeit schwer traumatisierte Großmutter habe ich mich schon früh mit dem Thema beschäftigt und dabei war es für mich immer schon besonders reizvoll, mich diesem komplexen, absolut tragischen Teil der Geschichte, durch sehr individuellen Geschichten anzunähern. Deswegen klang es von der Grundprämisse her, dass speziell die Schicksale der französischen Marie (Aria Mia Loberti) und des deutschen Werner (Louis Hofmann) erzählt werden, sehr interessant. Auch wenn der gleichnamige Roman nach Anthony Doerr eine erfundene Geschichte ist, so werden doch sehr reale Schrecken der damaligen Zeit erzählt und eben auf eine neue, spannende Art und Weise zusammengeführt. Hat die Miniserie nun das gehalten, was ich mir versprochen habe?
Einen großen Kritikpunkt muss ich gleich zu Beginn anbringen. Vielleicht hätte ich das sogar im Vorfeld erahnen können, denn für den Hauptcast auf französischer Seite sind rein US-amerikanische bzw. britische Schauspieler*innen gecastet worden. Bei den deutschen Rollen passt es dann wieder besser, weil Hofmann, Lars Eidinger, Luna Wedler und weitere sehr bekannte deutsche TV-Gesichter sind. Ich hätte mir dennoch irgendwie gewünscht, dass es eine sprachliche Abgrenzung gegeben hätte. Ja, Hugh Laurie, Mark Ruffalo und Co. können nicht auf einmal französische Muttersprachler sein, aber dass durchgehend Englisch gesprochen wird (Achtung: ich habe die Serie im Original gesehen, gehe aber davon aus, dass in der Synchronisation dann alles in Deutsch gehalten ist), hat mich extrem gestört. Vor allem eben dann, wenn deutsche Charaktere aufeinandertrafen und auch dort nicht in ihre Muttersprache wechselten. Einzig bei kleineren Sequenzen, wo das große deutsche Militär auftritt, kann man im Hintergrund deutschsprachige Parolen hören, ansonsten ist wirklich alles auf Englisch gesprochen, wenn natürlich auch mit einem Akzent. Vielleicht hätte mich das vor einigen Jahren noch nicht so gestört und ich weiß auch, dass viele Zuschauer*innen Untertitel lesen anstrengend finden, was nun mal nötig gewesen wäre, um der jeweiligen Muttersprache gerecht zu werden, aber es gibt inzwischen genug Beispiele, wo bewiesen wurde, dass die Mehrsprachigkeit der Produktion Authentizität sichert. Als Beispiele nenne ich mal "Unorthodox", "Fauda" etc. Vor allem hätte "Alles Licht, das wir nicht sehen" eine authentischere Adaption deswegen gut getan, weil die Serie zu einer Zeit spielt, wo Nationalstolz in all seinen Vor- und Nachteilen auf dem Präsentierteller stand. Da hätte das stolze deutsche Volk untereinander wohl im Lebtag kein Englisch/Französisch gesprochen. Umgekehrt gibt es das Vorurteil über Franzosen stellenweise noch heute, dass sie partout in ihrer Muttersprache bleiben, selbst wenn sie die Fremdsprache vielleicht verstehen. Mit dem im Hinterkopf wirkt die Entscheidung von Steven Knight und Shawn Lewy als die zentralen kreativen Köpfe der Adaption noch seltsamer.
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Kommen wir nun aber tatsächlich mal zum Inhalt und auch hier muss ich ehrlich eingestehen, dass ich mir einfach mehr erwartet hatte. Ich fand die dargestellte Handlung überraschend oberflächlich. Es gab ohne Frage große Highlights und sehr interessante Ansätze, auf die ich auch noch kommen werde, aber ich habe mich mehrfach bei dem Gedanken erwischt 'und jetzt?' Ich glaube auch nicht, dass es an den 'nur' an den vier Episoden lag, denn im Kern war mir die Gegenwart zu nichtssagend, während ich es viel spannender fand zu ergründen, wie die einzelnen Figuren an den Punkt der Geschichte in St. Malo im Jahr 1944 gekommen sind. Für Marie und Werner war die Verbindung über die Radiostation und dass sie damit codierte Hinweise an das britische und amerikanische Militär gibt, während er die Info geheim halten will, sicherlich der stärkere Teil. Sehr störend fand ich dann den Teil rund um Reinhold von Rumpel (Eidinger), der den wertvollen Edelstein sucht, der ihm vermeintliche Heilung verspricht. An dem Punkt habe ich am deutlichsten gemerkt, dass wir hier gerade einer fiktiven Handlung und keiner Inszenierung einer wahren Geschichte beiwohnen. Das soll nicht heißen, dass es die Juwelensammler und damit verbundenen Aberglaube nicht gegeben haben kann, aber in dieser konkreten Geschichte wirkte es für mich zu gekünstelt. Eidinger beweist schon viele Jahre, dass er Antagonisten schaurig spielen kann und das hat er auch hier erfüllt, nur irgendwie schien das Interesse von Rumpel so losgelöst. Die Sage rund um den Edelstein hat Werner, hat Etienne (Laurie) und sogar Marie nicht wirklich gekümmert. Speziell sie hätte ja aktiv suchen können, nachdem die Hinweise auf einmal da waren, dass ihr Vater Daniel (Ruffalo) womöglich noch einen wertvollen Besitz in St. Malo versteckt hat. Für mich war der spannendere Ansatz eindeutig die Arbeit der Résistance, die dafür dann aber zu kurz gekommen ist. Dazu war die lange hinausgezögerte Begegnung von Marie und Werner dann unerwartet kitschig. Dass die beiden eine besondere Verbindung aufbauen würde, ohne Frage, aber das hätte nicht auf einer Ebene passieren müssen, die sogleich romantisches Interesse nahelegt. Zumal das wirkliche Ende dann für mich auch nicht nach Happy End gerufen hat, so dass die Szene noch unnötiger wirkte.
© 2023 Netflix, Inc.; Atsushi Nishijima/Netflix
Nach der Kritik komme ich aber gerne auch zu den Aspekten, die mich sehr unterhalten und oft auch sehr berührt haben. Zunächst finde ich aber allgemeiner gesprochen, dass die Serie wirklich hochwertig wirkt. In der ganzen Inszenierung hätte ich mir gut vorstellen können, dass man das finale Werk auch sehr gut im Kino hätte zeigen können, um die ganze Bildgewalt zu entfalten. Dazu fand ich es wirklich gut gemacht, wie sehr sich bemüht wurde, Maries Perspektive als Blinde aufzuzeigen. Die Serie arbeitet nicht mit übertriebener musikalischer Untermalung, so dass viel mehr immer Stille ist, um die Welt so wie Marie wahrnehmen zu können. Das wurde wirklich immer wieder gut gemacht. Ohnehin ist Loberti als Marie für mich eine Entdeckung. Hier wurde schließlich auch die Authentizität gezeigt, die bei der sonstigen Inszenierung ebenfalls nicht schlecht gewesen wäre. Loberti und Nell Sutton, die eine jüngere Version spielt, sind beide auch im echten Leben blind und sie haben dieses neugierige Mädchen bzw. junge Frau, die dank der Liebe ihres Vaters Daniel quasi keine Grenzen kennengelernt hat, sehr warmherzig, mutig und inspirierend dargestellt. Ich habe die Momente zwischen Vater und Tochter geliebt, wo man einfach gemerkt hat, wie sehr sie ein eingespieltes Team sind und was er ihr alles ermöglicht hat. Genauso mochte ich es dann auch in St. Malo, wo Marie den Panzer von Etienne knackt und wie sie auch stets ein Auge auf die herzkranke Madame Manec (Marion Bailey) wirft. Hier wurde mit wenig Aufwand sehr viel dafür getan, warme und mitreißende Verbindungen aufzubauen und fortzuführen. Das unterstreicht für mich auch nur wieder, dass die vier Episoden nicht das Problem sind, denn die Serie hat in genug Momenten bewiesen, dass sie mit wenig ganz viel ausdrücken kann.
© 2023 Netflix, Inc.; Katalin Vermes/Netflix
Das gilt selbstverständlich nicht nur für Marie und die französische Seite, sondern ich habe mich genauso in Werners Gefühlswelt einfinden kann. Er, der mit seiner Schwester Jutta, im Heim aufgewachsen ist und nie wirklich so etwas wie Familie und Zugehörigkeit kennengelernt hat und deswegen eine Verbindung zum Professor aufgebaut hat, der über Kurzwelle 13-10 die Welt erklärt. Anhand von Fakten und nicht von vermeintlichen Wahrheiten. Es war für mich absolut nachvollziehbar, wie er als sensibler und ehr kluger junger Mann in eine Position gezwungen wurde, die ihm viel genommen hat und ihn schwer traumatisiert hat, weswegen Marie, die eben über die Kurzwelle von Jules Verne liest, die letzte Verbindung zu einer Hoffnung ist, die verloren schien. Auch wenn Werner weitere schlimme Dinge tun musste, um Marie zu schützen, aber man hat wirklich gemerkt, dass er nun erstmals ein Ziel vor Augen hat, wofür sich das lohnenswert anfühlt. Generell mochte ich auch die ganze Geschichte rund um den Professor, wer sich dahinter verbirgt und wie die Kurzwelle später genutzt wurde. Da wären wir dann wieder bei der Résistance, die ein so großes Thema dieser Serie ist, ohne es dann doch wirklich zu sein. Dennoch wusste ich auch zu schätzen, dass die Serie so über die vier Episoden hinweg erzählt worden ist, dass immer noch etwas aufgelöst wurde. Sie war also nicht nur bewegend, sondern auch spannend, aber ich kann eben nicht außen vorlassen, dass mir zu viel Potenzial auf der Straße liegen gelassen wurde.
Fazit
"Alles Licht, das wir nicht sehen" hat viele sehr starke Momente, beispielsweise im Cast, in den Spannungselementen sowie in der visuellen Aufmachung. Parallel habe ich mir von dieser Miniserie einfach mehr erwartet. Die komplett englischsprachige Inszenierung im Original bleibt für mich fragwürdig und wirklich störend, aber auch einige Inhaltselemente sind oberflächlich und in Stellen kitschig geworden. Das wäre eindeutig runder gegangen.
Die Serie "Alles Licht, das wir nicht sehen" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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