Atemlos - Review, Staffel 1
Auch wenn ich schon länger kein konstanter Trailer-Gucker mehr bin, so war das schon mal ganz anders. Und da habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass ein Trailer dann letztlich mehr Eindruck gemacht hat als der/die eigentliche Film/Serie oder genau umgekehrt. Ab und zu kommt aber etwas genau überein. So ging es mir nach dem Teaser-Trailer für die neue spanische Krankenhausserie "Atemlos". Diesen hatte ich mir nämlich angesehen, weil ich so eine Ahnung hatte, dass es mir den letzter Stupser geben würde, die Serie als vielversprechenden Neustart zu benennen. In dem Teaser-Trailer war noch nicht wirklich viel an Bewegtbildern zu sehen, stattdessen standen Zitate aus dem Hippokratischen Eid im Vordergrund, den jeder Arzt und jede Ärztin als Berufsethos ablegen muss. Das hat mir gleich verraten, dass "Atemlos" keine Wohlfühlserie wird und stattdessen dort hinschaut, wo es wehtut. Das habe ich tatsächlich dann auch bekommen, denn das Gesundheitssystem wird sehr kritisch beleuchtet. Obendrein gab es aber auch eine gehörige Portion typisch Spanisch. Erfahrt hier, wie ich das Endergebnis bewerte.
© 2023 Netflix, Inc.; Carla Oset/Netflix
Weltweit hatten die Länder unter den Herausforderungen der Corona-Pandemie zu kämpfen, aber es gab Länder, auf denen noch einmal größere Beachtung lag, weil sie mit hohen Todeszahlen zu kämpfen hatten und es dadurch Berichterstattungen gab, dass die Krematorien des Landes nicht hinterkommen. Italien war sicherlich das europäische Land, was man in der Berichterstattung am deutlichsten wahrgenommen hat, aber auch Spanien gehörte zu den stark betroffenen Ländern. Das wird in "Atemlos" auch konkret so angesprochen und ich gehe auch davon aus, dass das Offenlegen der Fehler im Gesundheitswesen unter einem Brennglas einer Pandemie die Inspiration war, so eine Krankenhausserie zu schreiben. Auch wenn nun wieder Alltag im Krankenhaus Joaquín Sorolla herrscht, so ist es aber ein trauriger Alltag. Neben Personalknappheit und dazu schlechter Bezahlung, sind es aber auch der Zustand des Krankenhausgebäudes und gesetzliche Vorgaben, die eine Pflege im eigentlichen Sinne bürokratisch erschweren, die hier knallhart angesprochen und betrachtet werden. In dieses Szenario hinein wird ein Streikgeschehen abgebildet. Auch in Deutschland hatten wir das Thema in den letzten Jahren häufiger, wenn beispielsweise an Unikliniken gestreikt wurde und geplante OPs konsequent abgesagt wurden. Aber eine Notfallaufnahme schließen, das ist nochmal eine andere Hausnummer.
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Ich fand es spannend, wie das Thema Streik konsequent über die erste Staffel hinweg entwickelt wurde. Es bilden sich zwei Lager zu diesem Ansinnen. Da sind die, die so unter dem System leiden, dass sie sich gezwungen sehen, für eine bessere Zukunft einen harten Cut zu machen und da sind die, die vor allem ihren Eid sehen und sich deswegen nicht vorstellen können, ihre Arztsein auszuschalten und Notfälle sich selbst zu überlassen. Es war für mich interessant, dass ich durch Figuren auf beiden Seiten, deren individuelle Meinung ich dazu sehr gut nachvollziehen konnte, überhaupt nicht in der Lage war, selbst eine Position einzunehmen, was für mich ohnehin nochmal schwierig ist, weil ich eben keine Ärztin oder Pflegerin bin. Mit Familie im Gesundheitswesen kenne ich aber die Vor- und Nachteile und bin deswegen absolut dafür, dass sich etwas ändern muss, aber es ist eine komplexe Angelegenheit, wie sich etwas ändern kann. Die Serie jedenfalls nutzt einige schonungslose Szenen, um zu unterstreichen, dass es fünf nach Zwölf ist. Auch wenn jede andere Krankenhausserie auch damit arbeitet, wie Assistenzärzte ausgebildet werden, so fand ich die Darstellung hier doch schon heftig. Ob nun Biel (Manu Ríos) oder speziell Rodri (Víctor Sáinz), die beiden wurden in Szenen gezeigt, wonach ich mir nur dachte, stell dir vor, du wirst bei einem Notfall so behandelt. Natürlich haben sie eine Ausbildung und sie haben auch ein entsprechendes Verhalten den Patienten gegenüber gelernt. Aber unter Stress, unter weiteren seltenen Vorkommnissen und Ähnlichem, da geht ohne Aufsicht nun mal die Düse und es werden Fehler gemacht. Für Rodri hat das gravierende Konsequenzen und es war schon sehr erschreckend, sein Schicksal mitzuerleben. Und das wird dann gleich in Episode 2 und 3 schon rausgehauen. Das hat mir gleich bewiesen, dass meine Annahme, dass es keine reine Wohlfühlserie ist, richtig war.
© 2023 Netflix, Inc.; Carla Oset/Netflix
Als dann konkret der Streik beginnt, werden die Gräben untereinander noch tiefer. Denn die einen machen weiter und stehen unter noch größerem Druck, eine Notfallversorgung auf absolutem Minimum aufrechtzuerhalten und die anderen sehen natürlich, was mit den Kollegen passiert, aber sie müssen mit ihrem Gewissen kämpfen, tapfer nein zu sagen. Auch wenn deutlich zu sehen war, dass es Menschenleben gekostet hat, war es gleichzeitig dann doch auch nachdenklich machend, dass generell der Zustand des Gesundheitssystems Menschenleben fordert. Der Disput zwischen beiden Seiten wurde am besten an Patrica (Najwa Nimri) und Néstor (Borja Luna) aufgezeigt. Zunächst muss ich noch betonen, dass Nimri diese Rolle echt auf den Leib geschnitten bekommen hat. Ich kenne sie jetzt schon aus einigen spanischen Produktionen, am besten natürlich "Haus des Geldes", und sie hat wirklich eine verdammt toughe Ader, aber es war auch schön hier sehr stark sensible Seiten zu sehen. Patricia ist aber auch die harte Politikerin, die was am System ändern will, die aber dennoch nicht die Ideallösung an der Hand hat. Néstor wiederum ist der Streikführer schlechthin und sicherlich auch eine Figur, an der man sich ein wenig stößt, weil er große Risiken eingeht. Aber je mehr die Serie vorangeschritten ist, desto mehr dachte ich auch, dass es in der menschlichen Geschichte immer schon Exemplare gab, die über alles hinausgedacht haben und große Risiken gewählt haben, um damit die ganze Menschheit voranzubringen. Ich halte hier zwar jetzt den Ball mal lieber flach, aber Néstor muss man schon auch respektieren. Und seine gemeinsame Geschichte mit Patricia hat etwas. Natürlich flogen irgendwann die Funken, aber es ist dennoch bis zum Schluss durchgehalten worden, sie als zwei Seiten einer Medaille zu inszenieren und sie damit als die Symbolik der Serie zu haben.
© 2023 Netflix, Inc.; Carla Oset/Netflix
Die Figurenschicksale sind oft auch in den Krankenhausalltag eingebunden worden, was definitiv zu den Pluspunkten zählt. Rodri hatte ich schon angesprochen, aber genauso haben wir Quique (Xoán Fórneas) mit seinen Sorgen wegen HIV oder die schwangere May (Marwa Bakhat). Dennoch ist die Figurenzeichnung für mich noch keines der Highlights der ersten Staffel. Pilar (Aitana Sánchez-Gijón) und Jésica (Blanca Suárez) als starke Frauenfiguren, die als Ärztinnen sich schon tausendfach bewiesen haben, sind mir beide etwas undurchsichtig geblieben. Bei Pilar war es zu einseitig die Sorge um Sohn Óscar (Rafa Verdugo), während Jésica zwar berührende Patientenfälle hatte, aber auf privater Ebene war sie ein Fähnchen im Wind, so wie sie zwischen Biel und Lluís (Alfonso Bassave) hin- und herschwenkte, ohne dass mir wirklich klar geworden wäre, was sie da eigentlich fühlt. May und Rocío (Macarena de Rueda) sind ein weiteres Paar, was erst in der zweiten Staffelhälfte in die Aufmerksamkeit rückte, aber dann doch jeweils im Handeln sehr undurchschaubar war. Leo (Ana Rayo) beispielsweise hat mir sehr gut gefallen, weil ihre Art, ihren Beruf als Gynäkologin auszuüben, sehr viel über sie als Person verraten hat. Zudem war die Enthüllung über Hugo (Álex Medina) ein echter Wendepunkt für mich, den ich so nicht erwartet hätte und bei dem ich es faszinierend fand, wie Leo agiert hat.
Ansonsten merkt man eben noch das typisch Spanische, was ich weiter oben angesprochen hatte. Die Serie ist recht freizügig, was Drogenkonsum und Sexszenen gleichermaßen angeht. Drogen ist bei mir ohnehin immer ein spezielles Thema, da brauche ich schon eine gewisse inhaltliche Verarbeitung und angebunden ans Krankenhaus und Patientenfälle passt es natürlich schon. Dennoch fand ich gerade Quiques Art dazu etwas seltsam. Ich mochte ihn schon irgendwie und fand auch, dass er ein guter Freund für die anderen ist, aber diese Selbstverständlichkeit zwischen zwei Schichten sich durchgängig abzuschießen, das war etwas seltsam. Vor allem, weil am Ende dann nur Óscar das Problem haben sollte. Bei den Sexszenen wiederum empfand ich es so, dass sie zur Geschichte kaum etwas beigetragen haben. Da ging es dann nur um nackte Haut. Denn weder Quique und Óscar noch Biel und Jésica waren jetzt die Paare, bei denen man richtig bei einer Liebesgeschichte mitfiebern würde. Aber ich bin auch ehrlich, das hatte ich im Vorfeld erwartet. So wie deutsche und US-amerikanische Serien gewisse Klischees erfüllen, so tun es auch die spanischen und voilá bitte.
Fazit
"Atemlos" hat mir in seiner Botschaft wirklich am besten gefallen. Die Kommentierung des spanischen Gesundheitssystems war nuanciert, schonungslos und auch divers in Ansichten dazu dargestellt. Das fühlte sich trotz eines fiktionalen Korsetts in vielen Punkten sehr echt an. Dazu war die Serie durchweg auch spannend, was bedeutet, dass in jeder Episode es gut gelungen ist, die Zuschauer*innen bei der Stange zu halten. Sollte es eine zweite Staffel geben, dann muss aber unbedingt die Charakterarbeit auf die Agenda. Mehr als die Hälfte des Hauptcasts ist noch weit ausbaufähig. Aber ausbaufähig ist wesentlich besser als hoffnungslos verloren. Von daher wäre eine zweite Staffel für mich herzlich willkommen, aber sie müsste den ersten gelobten Aspekt definitiv fortführen.
Die Serie "Atemlos" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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