Bridgerton - Review Staffel 1

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Hände hoch, wer nicht auch schon mal zu den gerne abfällig als Schmonzetten bezeichneten Romanen gegriffen hat?! Auf deren Cover schmiegt sich eine Frau an einen halbnackten Mann und es gibt oft ein historisches Setting, doch inhaltlich geht es schlichtweg nur darum, ob Mann und Frau sich kriegen und das wird mit zahlreichen erotischen Szenen unterstrichen. In meiner Jugend musste all das völlig heimlich ablaufen, bis plötzlich eine gewisse E.L. James mit "Shades of Grey - Geheimes Verlangen" einen riesigen Erfolg weltweit landete und damit war es auf einmal völlig in, erotische Literatur zu lesen. Auch wenn ich nicht Teil dieser Welle war, so fand ich es doch positiv, dass dieses Genre einen Hype erfahren hat, weil ich kein Freund davon bin, gewisse Sparten arrogant abzuqualifizieren, denn Geschmäcker sind bekanntlich unterschiedlich und darüber lässt sich auch nicht streiten. Dennoch war ich zugegebenermaßen überrascht, dass eine Reihe von historischen Liebesromanen geschrieben durch Julia Quinn nun für eine TV-Serie namens "Bridgerton" adaptiert wurde, denn die inhaltliche Dichte ist durch die Vielzahl von Sexszenen letztlich sehr dünn. Wie schlägt sich also das Endergebnis?

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Foto: Phoebe Dynevor & Ruth Gemmell, Bridgerton - Copyright: 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix
Phoebe Dynevor & Ruth Gemmell, Bridgerton
© 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix

"Bridgerton" hat sicherlich zwei gute Argumente auf seiner Seite. Das ist zum einen, dass hinter der neuen Netflix-Serie das Produktionsteam Shondaland steht, das unter der Führung von Shonda Rhimes zahlreiche Erfolgsserien wie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte", "Scandal", "How to Get Away with Murder" oder "Seattle Firefighters - Die jungen Helden" geschaffen hat. Was diese Frau anfasst, wird in den meisten Fällen zu Gold. Der zweite Aspekt ist der geniale Schachzug, die Serie an Weihnachten an den Start zu schicken und dann auch noch im Corona-Jahr, wo viele ein völlig anderes Weihnachten erlebt haben und so ein historisches Epos die ideale Ablenkung darstellte, um sich mal für einige Stunden von der Realität zu verabschieden. Und ich muss auch wirklich sagen, selbst wenn ich die konkrete Vorlage von Julia Quinn nicht gelesen habe, so kenne ich Genregeschwister und dementsprechend haben sich viele meiner Befürchtungen nicht bewahrheitet, denn von Anfang an ist eine Serienwelt reich an unterschiedlichsten Aspekten erschaffen worden, die über manche inhaltliche Mängel gut hinwegtäuschen kann.

Foto: Bridgerton - Copyright: 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix
Bridgerton
© 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix

Die Reihe von Quinn ist so angelegt, dass in jedem Band ein Bridgerton-Kind sein persönliches Glück findet. Die Serie wird bei weiteren bestellten Staffeln diesem Schema sicherlich folgen, doch es hat sich definitiv als sinnvoll erwiesen, viele Geschichten jetzt schon anzustoßen, um so eine inhaltliche Breite zu schaffen. Das lohnt sich auch, weil sowohl die männlichen als auch die weiblichen Figuren aus völlig verschiedenen Charakterköpfen bestehen, was man alleine schon an den Bridgerton-Geschwistern erkennen kann. Da haben wir die älteste Bridgerton-Tochter Daphne (Phoebe Dynevor), die sich nichts sehnlicher wünscht, als zu heiraten und eine Familie zu gründen, um das zu erleben, was sie aus dem eigenen Elternhaus kennt und auf der anderen Seite haben wir Eloise (Claudia Jessie), die etwas bieder und schnoddrig daherkommt, die aber ein heller Kopf ist und sich nichts Schlimmeres vorstellen könnte, als zu heiraten und ihre Selbstständigkeit zu verlieren. Selbst wenn der Fokus eindeutig auf Daphne und ihrer Liebesgeschichte zu Simon (Regé-Jean Page) liegt, so wird man als Zuschauer aber auch regelmäßig in thematisch völlig andere Nebenhandlungen hineingezogen, wovon sicherlich die spannendste die Suche nach der Identität von Lady Whistledown (gesprochen von Julie Andrews) ist.

Foto: Golda Rosheuvel, Bridgerton - Copyright: 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix
Golda Rosheuvel, Bridgerton
© 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix

Ein interessanter Aspekt ist für mich auch, wie es gelungen ist, einen historischen Kontext mit einer sehr modernen Erzählerin wie Rhimes zusammenzubringen. Ihre Serien zeichnen sich stets durch einen diversen Cast aus und es ist auch stets eine bedachte Repräsentation der LGBTQ-Gemeinschaft zu bemerken. Beide Aspekte sind in einem historischen Kontext (hier die Regency-Zeit von 1811-1820 in Großbritannien) nicht so leicht umzusetzen. Aber für Rhimes gibt es keine Grenzen, so hat sie dennoch für "Bridgerton" einen diversen Cast zusammengestellt. Queen Charlotte (Golda Rosheuvel) ist mit einer schwarzen Schauspielerin besetzt worden und da es sich bei ihr um eine historische Persönlichkeit handelt, ist das sicherlich ein starkes Statement. Von dort aus ist es kein Wunder mehr, dass sich noch zahlreiche weitere Ethnien im Cast befinden. Die Besonderheit davon wird recht lange in der Serie als selbstverständlich inszeniert, hier gibt es keine Rassendiskriminierung, hier gibt es nur Standesunterschiede, für die aber nicht die Hautfarbe entscheidend ist. An einer Stelle wird die Thematik aber doch noch aufgegriffen, da es so hingestellt hat, als hätte Queen Charlotte mit ihrer dunklen Haarfarbe den Weg für alle anderen geebnet. Selbst wenn das historisch definitiv nicht den Fakten entspricht, so habe ich mich daran aber zu keinem Zeitpunkt gestört. Genau umgekehrt, bei einer Serie aus dem Hause Shondaland wäre ich irritiert gewesen, einem rein weißen Cast zu begegnen. Bei der Repräsentation der LGBTQ-Gemeinschaft ist die erste Staffel etwas weniger mutig, dennoch gibt es einen kleineren Handlungsbogen zur Homosexualität, bei dem aber noch nicht abzusehen ist, ob er wirklich zu etwas führen soll, oder ob er nur eingebunden wurde, um das Thema damit auch abgehakt zu haben.

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Foto: Regé-Jean Page & Phoebe Dynevor, Bridgerton - Copyright: 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix
Regé-Jean Page & Phoebe Dynevor, Bridgerton
© 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix

Weiterhin ergibt sich natürlich eine thematische Diskrepanz. Im 21. Jahrhundert sind wir von Themen wie Selbstbestimmung, Freiheit und Feminismus geprägt, auch alles thematische Aspekte, die man in Shondland-Serien zuhauf dargeboten bekommt, aber sie sind so natürlich nicht eins zu eins auf das 19. Jahrhundert zu übernehmen. Dort herrschen noch starre gesellschaftliche Zwänge, hier dargestellt durch die Heiratsvermittlungen über die Ballsaison in London hinweg. In einer Gesellschaft, in der die Frau gezwungen ist, zu heiraten und in der sie bis zu ihrer Ehe tugendhaft bleiben muss, um ihre Ehre nicht beschädigt zu sehen, ist es natürlich schwer, modern zu wirken, besonders bei den Frauen. Mit der bereits angesprochenen Eloise gibt es klare Bemühungen in die andere Richtung, dennoch wird auch hier zu vermuten sein, dass sie letztlich in ihrer Staffel die Ehe eingehen wird, aber auch bei der aktuellen Hauptfigur Daphne ist eine Entwicklung zu sehen. Während ich zu Beginn definitiv meine Skepsis ihr gegenüber hatte, weil sie völlig naiv und wie eine Marionette sich in die Ballsaison stürzte, entwickelt sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten ordentlich Biss und bietet Paroli. Zwar bleibt ihre hoffnungslose Romantik stets erhalten, aber sie kämpft wenigstens für ihr Happy End und spätestens in ihrer Ehe merkt man auch, dass sie sich nicht als braves Hausfräuchen in die Ecke stellen lässt. Hier passt Shondaland und der Stil eine Autorin wie Julia Quinn dann wirklich hervorragend zusammen.

Foto: Regé-Jean Page, Bridgerton - Copyright: 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix
Regé-Jean Page, Bridgerton
© 2020 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix

Weiterhin erkennt man natürlich die Gemeinsamkeit von feurigen Liebesgeschichten gepaart mit ordentlichen Sexszenen, nur dass bei Netflix in der expliziten Darstellung mehr erlaubt ist. Während die großen US Networks wie ABC (wo die übrigen Shondaland-Serie untergebracht sind oder waren) sich noch der Prüderie verschrieben haben, ist bei dem Streamingdienst alles möglich, eine Erfahrung, die schon die Verantwortlichen bei "Lucifer" gemacht haben, eine Serie, die von Fox nach Netflix gewechselt ist. Mir persönlich war es fast schon wieder zu viel, zumal mit den Sex-Szenen auch stellenweise fragwürdige Entscheidungen einhergingen, aber es entspricht nun mal der Vorlage, weswegen man es "Bridgerton" umgekehrt nicht vorwerfen darf. Man muss sich eben vorher entscheiden, ob man es mag oder nicht. Insgesamt ist die Liebesgeschichte zwischen Daphne und Simon mir etwas zu platt. Vor allem seine Begründung, keine Familie gründen zu wollen, ist inhaltlich als sehr dünn zu bezeichnen, aber dennoch kann ich nicht leugnen, dass die beiden Darsteller eine immense Chemie miteinander haben, die es zwischen ihnen regelrecht flirren lässt. Dadurch wird man wie in einem Sog in die Erzählung hineingezogen und ist verwundert, wenn es nach acht Episoden vorerst wieder vorbei ist. Dennoch würde ich mir für die folgenden Staffeln und unterschiedlichen Liebesgeschichten etwas mehr Substanz wünschen.

Die Serie "Bridgerton" ansehen:

Fazit

"Bridgerton" ist sicherlich eine Serie, an der sich die Geister sprich Geschmäcker scheiden werden, aber entweder man zieht dieses Unterhaltsvergnügen durch oder man bricht es ab oder lässt es gleich ganz bleiben. Aber für die begrenzten Möglichkeiten der Vorlage ist eine wirklich opulent erscheinende Serienwelt geschaffen worden, die Faszination auslöst, sei es mit den Kostümen, sei es mit der romantischen Farbgebung, dem betont Politisch-Unkorrektem, den unterschiedlichen Figuren und so vielem mehr. Ich habe diese Serie wahrlich nicht kritikfrei gesehen, aber in ihrer Machart kam sie genau zum richtigen Zeitpunkt und ich bin überzeugt, dass sie ihr treues Publikum finden wird.

Lena Donth - myFanbase

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