Clarice - Das Erwachen der Lämmer - Review des Piloten

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Meine Motivation in den CBS-Neustart "Clarice" reinzuschauen, war nicht, dass ich ein großer Fan vom Erfolgsfilm "Das Schweigen der Lämmer" aus dem Jahr 1991 bin, an den die Ereignisse der TV-Serie unmittelbar anknüpfen. Im Gegenteil habe ich diesen nie gesehen, wenn auch ich mich mit dem Inhalt natürlich etwas vertraut gemacht haben. Mein Antrieb war aber tatsächlich eher der direkte Vergleich zum zweiten Neustart "The Equalizer", der bereits vergangene Woche bei CBS gestartet ist und den ich hier besprochen habe. Für den Broadcastsender recht ungewöhnlich sind das nämlich beides Thrillerserien, die von einer weiblichen Hauptfigur angeführt werden. Dort Queen Latifah, hier die aus "The Originals" bekannte Rebecca Breeds. Nachfolgend möchte ich daher einen Vergleich von "The Equalizer" und "Clarice" wagen, aber natürlich die Serie auch eigenständig bewerten.

Da ich "Das Schweigen der Lämmer" wie bereits erwähnt nicht kenne, kann ich konstatieren, dass es nach dem Serienauftakt für mich als Laie noch nicht ersichtlich ist, ob es ein Problem werden könnte, die Filmvorlage nicht zu kennen. Mein Gefühl tendiert in die Richtung, dass "Clarice" auf eigenen Beinen stehen kann, denn entscheidende Fakten des Falls, durch den FBI-Rookie Clarice Starling (Breeds) Berühmtheit erlangt hat, werden präsentiert. Auch in Gesprächen und durch immer wieder eingestreute kurze Rückblickssequenzen fügt sich nach und nach ein Bild zusammen, auch wenn das nach der ersten Episode sicherlich noch weit von vollständig entfernt ist. Das mag einigen zu wenig sein, doch ich bin überzeugt, dass die weiteren Folgen dabei helfen können. Nichtsdestotrotz muss ich zugeben, dass eine gewisse Überforderung mit dem Inhalt nicht zu leugnen ist. Gerade die Anfangsszene, als Clarice von ihrem Therapeuten (Shawn Doyle) gegrillt wird und zunehmend von Erinnerungen getriggert wird, war ein Hin und Her von Schnitten und Bildern, da konnte einem fast schwindelig werden.

Da klappt die Serie doch deutlich besser, als sie sich darauf besinnt, konsequenter im Jahr 1993 zu spielen. Dort wird Clarice ein Jahr nach ihrem kometenhaften Aufstieg Teil einer Task Force, die Senatorin Ruth Martin (Jayne Atkinson, "House of Cards", "24 - Twenty Four") ins Leben gerufen hat und deren Tochter Catherine (Marnee Carpenter) von Clarice vor Buffalo Bill (Simon Northwood) gerettet wurde, weswegen sie ihren ermittlerischen Fähigkeiten besonders vertraut. Doch die junge Frau fühlt sich dieser Herausforderung nicht gewachsen, da sie ihre Zukunft vor allem bei der Verhaltensanalyse sieht, aber sich wegen ihres Traumas noch mit Außeneinsätzen und vor allem prestigeträchtigen Fällen schwertut. Diesen inneren Zwiespalt kann Breeds hervorragend übermitteln. Denn die von ihr dargestellte Clarice wirkt wie in ein Haifischbecken geschmissen und spätestens, wenn sie in viel zu große Ausrüstung gesteckt wird, wirkt sie gar wie ein kleines Mädchen, das völlig fehl am Platz ist.

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Da sich Clarice innerlich vermutlich genauso fühlt, ist dieses Bild gut transportiert worden. Aber gleichzeitig merkt man auch, dass sie ein helles Köpfchen ist, die trotz aller erschreckenden Erfahrungen noch nicht ermitteln kann. Schon nach wenigen Minuten am Tatort eines vermeintlichen Serienkillers sind ihre Instinkte geschärft, die aber verbissen vom Chef der Task Force, Paul Krendler (Michael Cudlitz, "The Walking Dead"), unterdrückt werden, da er sich mit der Erfahrung des Alters über sie erhaben fühlt und ihren Ruhm immer nur wieder abfällig kommentieren kann. Da die Serie in den 90ern spielt, ist das Kleinhalten von weiblichen Kolleginnen wahrlich noch der Standard. Man muss auch nur mal ein Blick in das Büro des FBIs werfen, wo man fast nur Männern gewahr wird. Umso beeindruckender ist es, dass Clarice sich hier mit Beharrlichkeit zur Wehr setzt. Erst durch eigenständige Ermittlungen und schließlich ein offensives Hintergehen von Befehlen, indem sie vor der Presse entlarvt, dass sie es mit keinem Serienkiller zu tun haben. Dadurch ist sie eine Figur ganz nach meinem Geschmack, zumal man sie nahbarer wirklich kaum hätte inszenieren können.

Da Clarice die titelgebende Rolle ist, ist es absolut verständlich, dass der Pilot sich eng an ihr orientiert. Krendlers Motive werden schnell deutlich, aber die übrigen Charaktere mit Ausnahme von Tomas Esquivel (Lucca De Oliveira) bleiben dadurch noch völlig blass. Aber das ist für den Auftakt hier völlig okay. Tomas wiederum arbeitet eng mit Clarice zusammen und die beiden geben auf Anhieb ein gutes Duo ab, zumal er mehr der Macher und sie das Hirn ist. Dennoch sind seine Motive teilweise noch im Dunkeln. Zwar wird offenbart, dass er von Krendler als Aufpasser geschickt wird, aber gleichzeitig ist er darüber gegenüber Clarice völlig offen. Das schließt dennoch nicht aus, dass er ein doppeltes Spiel treibt. Dennoch würde ich mir ihn als Sympathieträger wünschen, da die von Nick Sandrow und Kal Penn dargestellten Murray Clarke und Shaan Tripathi auf Anhieb keine Begeisterungsstürme auslösen.

Ansonsten gefällt mir bei der Struktur, dass möglicherweise nicht nur Fälle der Woche abgearbeitet werden, sondern dass sich einzelne etwas länger hinziehen. Zumindest erweckt diesen Eindruck die Auftaktfolge. Eine wichtige Etappe der Ermittlungen ist geschafft, aber der große Gegner ist noch im Verborgenen. Zudem mag ich die geschaffene Atmosphäre des Auftakts. Ich lese auch gerne sehr düstere Thriller, habe auch gerne Krimiserien wie "Criminal Minds" gesehen, die für viele andere mit den dargestellten Fällen nur schwer erträglich sind. Genau daran fühle ich mich bei "Clarice" erinnert. Die ganze Bildgebung ist sehr dunkel, die Stimmung fast schon gruselig und der Schrecken kommt auch unerwartet um die Ecke. Gleichzeitig hat die Serie auch etwas Poetisches, besonders wenn mit verpuppten Schmetterlingslarven und auch geschlüpften gearbeitet wird, um eine zentrale Motivik des Films aufzunehmen. Auch wenn Clarice und Tomas eine Leiche aus einer Unterführung bergen, nimmt sich die Serie Zeit für diesen Moment. Das gibt Hoffnung für eine Serie, die bereit ist, tief zu gehen.

Bereits durch diese Ausführungen sollten durchgekommen sein, dass mir "Clarice" gleich auf Anhieb deutlich besser als "The Equalizer" gefällt. Hier kenne ich den Anknüpfungspunkt der Serie nicht, aber gerade das war für mich der Knackpunkt bei "The Equalizer", weil die tolle Vorlage ihren Reiz in serieller Form zu verlieren scheint. Zudem sagt mir die verletzliche und dennoch mutige Clarice viel besser zu als die coole Robyn McCall. Auch atmosphärisch und vom restlichen Cast her bin ich bei "Clarice" besser aufgehoben. Hier wird deutlich, dass beide Serien mit starken Frauenfiguren aufwarten, aber dennoch gänzlich andere Geschmäcker ansprechen. Also jedem das seine.

Fazit

"Clarice" mag aufgrund meiner fehlenden Kenntnisse zur Vorlage der Serie in Form von "Das Schweigen der Lämmer" noch viele Fragezeichen bereithalten, aber ich denke, dass die Serie gewillt ist, auch die Laien inhaltlich abzuholen. Breeds ist für die Rolle der zentralen Protagonistin jedenfalls großartig gewählt und hat diese Faszination ihrer Persönlichkeit gleich greifbar und mitreißend transportieren können. Auch atmosphärisch bin ich begeistert. Es ist für mich definitiv ein Psychothriller, der mich auf Anhieb packen konnte.

Die Serie "Clarice - Das Erwachen der Lämmer" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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