Colin Black and White - Review Miniserie
Bei der angekündigten Miniserie "Colin in Black and White" von Netflix hat mich definitiv eine Mischung aus vielen Gründen zum Einschalten bewogen. Argument 1 war für mich sicherlich die Einteilung Miniserie, die einfach in den letzten Jahren besonderen Spaß bedeutet, weil auf knackige Art und Weise eine Handlung erzählt wird, die dennoch keine Wünsche übrig lässt. Argument 2 ist definitiv Ava DuVernay, die zu den erfolgreichsten schwarzen Filme- und Serienmacher*innen gehört und uns u. a. die sehr erfolgreiche Miniserie "When They See Us" geschenkt hat, womit sie bereits bewiesen hat, dass sie thematisch dorthin geht, wo es wehtut. Hier war sie nun gemeinsam mit Dreh- und Angelpunkt Colin Kaepernick an der Entwicklung der Serie beteiligt. Zuletzt haben wir noch Kaepernick selbst, der mir beispielsweise im Gegensatz zu den Central Five aus "When They See Us" ein echter Begriff ist, weil ich seine Geschichte seit seinem Kniefall während der amerikanischen Nationalhymne intensiver mitverfolgt habe. Zudem werde ich ohnehin bei allem schwach, was in einen sportlichen Kontext eingebettet ist. Das Endergebnis aus diesen Argumenten ist nun also die nachfolgende Review, die ich persönlich etwas begeisterter erwartet hatte, aber enttäuscht war ich eben auch nicht.
Die Serie wird zweigeteilt erzählt. Zum einen haben wir die Jugendjahre von Colin, der in dem Alter ganz wunderbar von Jaden Michael dargestellt wird. Zum anderen haben wir den heutigen Colin, der als eine Art Erzähler fungiert, aber keinesfalls im Stile eines Märchenonkels, sondern eher als Mahner, Lehrer und so vieles mehr, dass es schwerfällt, seine Funktion wirklich auf den Punkt festzuhalten. Aber in dieser Zweiteilung dürfte schon deutlich anklingen, dass wir atmosphärisch definitiv ein Kontrastprogramm angeboten bekommen. Während wir den jungen Colin durch all seine Erfolge und Rückschläge an der High School begleiten, entsteht eine intensive Verbindung zu seiner Lebenswelt, die tief berührt und dann gibt es immer wieder Brüche, wo wir dem Erzähler Colin begegnen, der in einem sehr sterilen Raum sitzt (natürlich in schwarz und weiß gehalten, um dem Serientitel und generell der Botschaft doppelt gerecht zu werden) und durch eine Art Bildschirm auf seine Vergangenheit blickt. Doch in den wenigsten Fällen kommentiert er eigentlich seine Erfahrungen, sondern er nimmt das für uns Gesehene zum Anlass, um uns zahlreiche alltägliche Erlebnisse für People of Color (aufgrund der eigenen Lebenswelt natürlich vor allem Afroamerikaner) aufzuzeigen und anhand von Zahlen und Statistiken zu präsentieren. Da findet sich ein ganz schönes Themenpotpourri wieder wie Schönheitsideale, Mikroaggressionen, systemischer Rassismus sowie konkrete andere Beispiele wie Romare Bearden, der erste schwarze Baseballer in der Major League.
Dennoch ist diese Art, wie der erwachsene Colin mit uns Zuschauer*innen agiert, sicherlich Geschmackssache. Ich finde, dass es in erster Linie ein Alleinstellungsmerkmal ist. Denn hätte die Serie alleine Colins Jugend nacherzählt, dann hätte ABC auch eine weitere Staffel von "Mixed-ish" produzieren können, da dort ganz ähnliche Themen auf den Tisch kommen. Mir hätte es wahrscheinlich trotzdem gefallen, aber um wirklich genau hinzusehen, um herauszustechen, ist hier die richtige Wahl getroffen worden. Dennoch ist der Stil aus vielen Gründen gewöhnungsbedürftig. Da ich regelmäßig US-Produktionen schaue, sind viele genannte Kritikpunkte nicht neu, aber oft bekommt man diese fiktiv nacherzählt und taucht dann mit den beteiligten Figuren in die Verarbeitung ein. Hier geht es aber vor allem um Belege, um harte Fakten, denen man sich eigentlich noch weniger entziehen kann, denn oft kann man sich einreden, dass es doch bestimmt Einzelschicksale sind, aber dieser Argumentationsgrundlage entzieht "Colin in Black and White" den Nährboden. Gleichzeitig konnte ich aber auch den Gedanken und den Eindruck nicht abschütteln, einen wütenden und desillusionierten Colin zu erleben, der trotz vermeintlicher Coolness als Erzähler so enttäuscht von der Welt ist, dass seine Darstellung Lichtjahre von einer objektiven Darstellung entfernt ist. Wären also die Zahlen und Fakten nicht gewesen, hätte ich seine Kommentierung wohl als Abrechnung eingeordnet. Dennoch kann man dieses Argument in kleineren Sachen definitiv entdecken. In der ersten Episode wird das System von Football nämlich mit Sklavenhandel verglichen und hier gibt es nun wahrlich keine Zahlen und Fakten, die das rechtfertigen würde. Das ist vor allem auch eher seltsam, wenn man bedenkt, dass die Jugendzeit akribisch darlegt, wie Colin nach einer Karriere in dieser Sportart gestrebt hat. Zudem, ist man einmal im System Profisport drin, dann führt man auch ganz unabhängig von der Rasse ein gutes Leben und das ist wahrlich nicht mehr mit einem Sklaven zu vergleichen. Bedient man also gewisse Metaphern, dann muss man die auch mal zu Ende denken. Das sind aber nur Kleinigkeiten, wo ich denke, dass mit dem Stilmittel der Übertreibung etwas danebengegriffen wurde. Zumal man an gewissen graphischen Inszenierungen (Einkreisen von wichtigen Schlagworten, Gestaltung des graphischen Serientitels etc.), die etwas Verspieltes und Spontanes ausdrücken, ebenfalls wieder einen Bruch schafft, der gewisser harter Kritik die ultimative Strenge nimmt.
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Dadurch, dass Colin seine eigenen Erfahrungen selten bis gar nicht konkret kommentiert, ist sicherlich etwas vergeudet worden nachempfinden zu können, wie ein erwachsener Colin seine damaligen Erlebnisse aus heutiger Sicht beschreiben würde, dennoch ist es dem starken Drehbuch und starken Darsteller*innen in der Vergangenheit zu verdanken, dass die beteiligten Emotionen definitiv bei den Zuschauer*innen ankommen. Ich kann nur noch mal betonen, dass Michael wirklich großartig den sensiblen jugendlichen Colin spielt, der im Grunde wohlbehütet ist, ein großartiges Talent in gleich drei Sportarten zeigt und sich sein Traum für später nahezu aussuchen kann und auch sonst gut integriert ist, aber nach und nach – natürlich mit zunehmender geistigen Reife – mit Rassismus in unterschiedlichen Formen konfrontiert wird. Es wird schon vorher solche Situationen gegeben haben, aber bis zu einem gewissen Alter schützt auch die kindliche Naivität. Speziell bei Colin, als gemischtrassiges Kind weißer Adoptiveltern, spielt aber auch rein, dass Mutter Teresa (Mary-Louise Parker) und Vater Rick (Nick Offerman) keinerlei Empfinden dafür haben und nahezu blind durch die Welt laufen, was sicherlich auch lange alles von ihm abgeschottet hat. Aber je selbständiger Colin wird, je größer seine Träume werden, desto größer werden die Rückschläge und die Hindernisse. Auch wenn ich in den vorherigen Abschnitten gesagt habe, dass Darstellungen von Rassismus auch gerne mal als Einzelfälle zu verdrängen sind, so ist es für mich persönlich immer wieder so, dass es mich viel härter mitnimmt, solch konkreten Situationen immer und immer wieder mitzuerleben. Wie Colin wochenlang mit seinen Eltern an der Polizeikontrolle vorbeifährt und prompt angehalten wird, als er erstmals selbst hinter dem Steuer sitzen darf, wie er als rücksichtsloser Jugendlicher eingeschätzt wird, der sich in das Leben eines weißen Ehepaares einschleicht, der ungefragt wie alle anderen Gratisproben nimmt und wie er von Trainern und Schiedsrichtern immer wieder anders behandelt wird. Die Serie bietet so viele Beispiele, die über Michaels Darstellung innerlich richtig wehtun, dass man sich dem einfach nicht entziehen kann.
© 2021 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix
Eine extrem interessante Darstellung erfahren definitiv auch Colins Eltern, denn ambivalenter könnte diese nicht sein. Es steht außer Frage, dass Teresa und Rick liebende Eltern sind. Sie unterstützen Colin, während er drei Sportarten gleichzeitig jongliert. Sie fahren ihn überall hin, sie verlangen nie, dass er sich endlich entscheiden muss und das diesem Abschnitt beigefügte Episodenbild verdeutlicht auch, dass es genug ehrliche Innigkeit zwischen Eltern und Sohn gibt. Dennoch wäre man blind, wenn man nicht bemerken würde, wie kritisch ihr Verhalten stellenweise auch in den Blick genommen wird. Das finde ich sehr mutig und fast schon bewundernswert, denn wenn man das Internet über das heutige Verhältnis von Colin und seinen Adoptiveltern durchforstet, dann erfährt man sicherlich keine Details, aber es lässt sich doch herauslesen, dass sie immer noch ein enges Verhältnis haben. Da ich kaum glaube, dass Colin diese Familienbanden nun mit der Serienproduktion einreißen wollte, ist davon auszugehen, dass wir eine sehr, sehr ehrliche Darstellung erleben, die vielleicht einiges intern aufwirbeln mag, die aber keinesfalls beschönigt. Es fängt mit dem Punkt an, dass die Eltern keinerlei Ahnung haben, wie mit Colins Haarstruktur umzugehen ist. Als er zunehmend Interesse zeigt, mit seinen Haaren durch Cornrows einen Style wie ein Kumpel zu wählen, sucht Teresa schließlich Hilfe bei einer schwarzen Arbeitskollegin, die auch den ultimativen Tipp parat hat und doch werden die beiden in eine 'schwarze' Lebenswelt eingeladen, die Teresa völlig erschreckt, Colin dafür aber reizt und fasziniert. Und doch ist die Bedrohung für sie größer, weswegen sie ihn von dort wieder weglotst. Als er sich mit Crystal (Klarke Pipkin) erstmals heftig verliebt, hat diese aber eine so dunkle Haarfarbe, dass Teresa das Foto vom Abschlussball lieber in der Schublade versteckt und dafür sorgt, dass er beim nächsten mit einem weißen Mädchen hingeht. Das sind sicherlich die extremsten Beispiele, aber auch im Kleinen bemerkt man deutlich, dass sie nichts von dem mitbekommen, was Colin wegen seiner Hautfarbe immer wieder widerfährt. Damit haben sie eben dann auch einen entscheidenden Anteil daran, wie desillusioniert Colin heute die Welt sieht. Teresa und Rick mögen ihren eigenen Sohn nicht wie einen Menschen zweiter Klasse sehen, aber sie treten auch nicht dafür ein, dass anderes es ebenfalls nicht tun und das macht es wirklich schwierig.
Insgesamt würde ich aber sagen, dass die Miniserie doch auf einer versöhnlichen Note endet. Colin hat sich alles von der Seele geredet, was ihn an der heutigen USA stört (und führt dabei vor allem seinen herrlichen Privatkrieg mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump weiter) und doch scheint er abseits des Sports nun eine Welt gefunden zu haben, in der er leise Hoffnung schöpft. Jedenfalls fand ich schön, dass sich am Ende die beiden Welten doch noch deutlich überschneiden. Zwar mag es unlogisch sein, dass ein Brief aus der Zukunft beim jugendlichen Colin auf dem Tisch landet, aber ich fand die Botschaft darin wirklich gut. Denn es war keine Warnung, dass er dringend umkehren muss, sondern es war eine Ermutigung, weiter seinen Weg zu gehen, weil sich alles fügen wird. In dieser teilweise doch sehr bedrückenden Stimmung darf das Prinzip Hoffnung gerne als Letztes zurückbleiben!
Die Serie "Colin in Black and White" ansehen:
Fazit
"Colin in Black and White" ist eine insgesamt gelungene Miniserie, die mit der Zweiteilung des Geschehens ein Alleinstellungsmerkmal schafft und sich dadurch auch mehr Möglichkeiten schafft, das aktuelle und vergangene Zeitgeschehen besser kritisch zu sezieren. Es ist sicherlich atmosphärisch ein gewaltiger Bruch und nicht alles, was Colin Kaepernick darlegt, trifft den benötigten Ton, aber man hört unweigerlich als Zuschauer*innen zu, weil dieser Mann etwas zu sagen hat. Natürlich hätte man die beiden Ebenen geschmeidiger ineinander integrieren können, aber ich habe mich an die Stilistik irgendwann gewöhnt und ich empfand die Darstellung von Colins Jugend den deutlich stärkeren Part, weil es schauspielerisch top war und inhaltlich aufgerüttelt hat. Dementsprechend spreche ich trotz kleinerer Kritikpunkte eine Sehempfehlung aus, da man sich bei einer solchen Serie besser ein eigenes Bild machen sollte, um mitreden zu können.
Lena Donth - myFanbase
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