Der Kastanienmann - Review Staffel 1
Jede Buchhandlung in Deutschland beweist es: wenn es um Krimis und Thriller geht, sind eine sichere Bank definitiv die skandinavischen Länder, die alleine aufgrund der Nähe zum Nordpol und der damit verbundenen Tatsache, dass es dort im Herbst/Winter kaum mal hell wird, als Schauplätze grandios geeignet sind, um dort eine düstere und gruselige Atmosphäre entstehen zu lassen. Sei es der inzwischen verstorbene Schwede Stieg Larsson, der gerade mit seiner Millennium-Reihe einen riesigen Erfolg gefeiert hat, sei es der Däne Jussi Adler-Olsen oder zur Abwechslung mal die Schwedin Viveca Sten, deren Krimiromane oft auch während des Sommers spielen und die schon mit Verfilmungen oft im ZDF zu sehen waren. Nun heißt es Vorhang auf für Søren Sveistrup, ein Landsmann von Adler-Olsen. Er wird jedoch noch nicht vielen ein namentlicher Begriff sein, denn Sveistrup hat sich bislang eher als Fernsehproduzent einen Namen gemacht und war an der Serie "Kommissarin Lund" beteiligt, die schließlich auch für den englischsprachigen Raum unter "The Killing" unter seiner Mitwirkung verfilmt wurde. Der Mann kennt sich bei Krimis also aus, weswegen er schließlich Autor geworden ist und "Der Kastanienmann" ist das Ergebnis daraus, das sicherlich wegen etwaiger Kontakte in die TV-Branche so schnell fürs Fernsehen, genauer für Streamingdienst Netflix, adaptiert wurde.
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Eine Sache, die sich bei Netflix und gerade bei europäischen Produktionen schon klar herauskristallisiert hat, das ist die Tatsache, dass der Streamingdienst gerne auf altbekannte Gesichter setzt, um so die Zuschauer*innen auch an neue Produktionen zu binden. Hier haben wir ein Wiedersehen mit Mikkel Boe Følsgaard, der drei Staffeln lang in der sehr erfolgreichen dänischen Mysteryserie "The Rain" zu sehen war. Er spielt an der Seite von Danica Curcic und zusammen bilden sie das neu zusammengewürfelte Ermittlungsduo Mark Hess und Naia Thulin. Beides sind wirklich sehr spannende Figuren, wenn auch auf den Klassiker aus Krimis gesetzt wird. Denn die besten Ermittler*innen sind offenbar immer die, die selbst gebrochen sind. Hess ist ein gejagter Mann, das merkt man gleich, aber eben nicht von außen, sondern durch seine inneren Dämonen. Es stellt sich schließlich heraus, dass er Frau und Kind durch einen Brand verloren hat. Doch damit geht er nicht hausieren, was wiederum bewirkt, dass er von niemandem gemocht wird, denn ein gebrochener Mann ist nun mal nicht der freundlichste. Følsgaard gefällt mir in dieser Rolle jedenfalls sehr gut, denn ich habe ihn in "The Rain" immer als etwas zu alt empfunden, aber hier ist er perfekt besetzt. Bei Naia ist es wiederum so, dass sie offenbar kein einfaches Leben hatte, wobei noch vieles im Dunkeln bleibt. Offenbar plant Netflix hier mit weiteren Staffeln, auch wenn noch keine weiteren Bände erschienen sind. Aber sie ist verdammt gut in ihrem Job, was sie aber gleichzeitig nicht zur Mutter des Jahres macht. Es steht außer Frage, dass sie ihre Tochter Le (Liva Forsberg) über alles liebt, aber oft genug kommt der Job dazwischen, wenn gerade in Les Leben wichtige Etappen anstehen. Hess und Thulin könnten damit nicht unterschiedlicher sein und doch sind sie sich so ähnlich. Kein Wunder also, dass aus anfänglicher Antipathie schnell das Vertrauen wächst, das man gemeinsam etwas erreichen kann. Das gipfelt dann natürlich daran, dass sie sich gegenseitig das Leben retten und zögern dabei auch nicht, das eigene zu gefährden.
Durch diesen Abschnitt dürfte schon angeklungen sein, dass ich mit den zentralen Hauptfiguren wirklich sehr zufrieden war, was definitiv ein sehr, sehr wichtiger Aspekt ist. Ein Stückchen wichtiger ist dann nur noch, dass im Genre Krimi der Fall sitzen muss. Das ist bei "Der Kastanienmann" gut gelungen, auch wenn es ein holpriger Start war. Die erste Episode ist traditionell immer mit viel Orientierung verbunden, weil man viele neue Figuren kennenlernt und weil man zum Spannungsaufbau auch eher nur Fetzen statt ganze Zusammenhänge präsentiert bekommt. In diesem Zusammenhang ist es mir dann überdeutlich aufgefallen, dass die ersten Beweise, die die Ermittlung in Gang bringen, doch arg konstruiert ins Spiel gebracht wurden. Da wirkten einzelne Szenen regelrecht inszeniert, damit Thulin und Hess auch ja nicht die Spur verfehlen. Im weiteren Verlauf der Staffel hat sich der Eindruck aber gelegt, auch wenn ich manchmal noch dachte: warum ist dem nicht eher nachgegangen worden? Doch insgesamt war es ein spannender Fall, der seine Ursprünge schon in den 80ern hat. Die Taten sind angemessen brutal, was sicherlich clever ist, denn heutzutage ist der Schockeffekt doch traurig niedrig, da muss schon etwas angeboten werden, damit es noch Eindruck hinterlässt. Aber der Kastanienmann ist definitiv nicht zimperlich und es ist ein interessanter Prozess, langsam aber sicher in seine Psyche einzudringen. Zur Beurteilung des Falls gehört für mich auch immer hinzu, wie schnell ich den Täter richtig erraten kann. Die Serie bemüht sich wirklich gut, viele Verdächtige ins Spiel zu bringen, weswegen ich persönlich nicht auf die Auflösung gekommen bin. Hut ab dafür. Zwar steht die Auflösung schon in der vorletzten Episode fest, was aber gewollt war, denn so ist noch Zeit für einen wirklich furiosen Showdown. Am Ende hat sich mir zwar nicht alles restlos erklärt, aber es ist mir auch bewusst, dass eine Serienversion hinter einem Buch, was die Details angeht, immer zurückstecken muss.
Mit diesen kleinen Makeln kann ich insgesamt auch gut leben, weil mit sechs Episoden und einem flotten Erzähltempo die äußeren Rahmenbedingungen definitiv gestimmt haben. Es war genug Raum gegeben, damit durch kleine Zwischensequenzen die benötigte Atmosphäre für eine solche Serie geschaffen werden konnte. Das Kinderlied zum Kastanienmann hat jedenfalls zu keinem Zeitpunkt positive Assoziationen bei mir hervorgerufen, also Aufgabe erfüllt. Zudem hat es nicht nur einen stringenten Handlungsbogen; stattdessen gab es mehrere Schauplätze nebeneinander, wo man sich erstmal gefragt hat, wie wohl alles zusammenpassen wird. Hier seien beispielsweise die Ereignisse rund um die Familie der Sozialministerin Rosa Hartung (Iben Dorner) gemeint. Aber Ende hat sich aber alles geschickt zusammengefügt. Dennoch will ich damit aber ausdrücken, dass die Serie keinesfalls überladen war, sondern angemessen, sodass sich ein überzeugendes Abschlussbild ergeben hat. Hier würde ich weiteren möglichen Staffeln sofort zustimmen.
Fazit
"Der Kastanienmann" reiht sich überzeugend in eine Liste von qualitativ hochwertigen Krimiserien ein, die in Skandinavien produziert wurden. Mit sympathischen Hauptfiguren, die ihren gebrochenen Figuren von der ersten Szene an alles mitgeben, lässt sich schnell ein spannender Fall aufziehen, der flott, aber dennoch mit den nötigen Details inszeniert ist. Am Ende bleibe ich wirklich zufrieden zurück und sehe viel Potenzial für die Zukunft der Serie.
Die Serie "Der Kastanienmann" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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