Simon Becketts Die Chemie des Todes - Review Staffel 1

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Vieles sprach dagegen, dass ich "Die Chemie des Todes" gucke: Ich kenne weder die Buchvorlage von Simon Beckett, noch interessieren mich Krimi- oder Thrillerserien. Oft sind sie mir auch übertrieben blutig oder eklig, so dass ich in der Regel bei sowas nicht einschalte. Doch "Die Chemie des Todes" hat seit der Möglichkeit für meine Kollegin Lena, ein Interview mit dem Autor Simon Beckett zu führen, eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt. Die damals zum Start bei Paramount+ veröffentlichten Trailer versprachen eine mystische, aber auch spannende Geschichte. Nun hat im März Das Erste die Serie ins Programm aufgenommen und sie gleichzeitig auch in der ARD-Mediathek zur Verfügung gestellt; die perfekte Gelegenheit also, endlich mal reinzuschauen.

Foto: Harry Treadaway, Simon Becketts Die Chemie des Todes - Copyright: Cuba Pictures/Paramount+
Harry Treadaway, Simon Becketts Die Chemie des Todes
© Cuba Pictures/Paramount+

"Die Chemie des Todes" ist keine gruselige Serie mit irgendwelchen Schockeffekten, aber für sensible Menschen ist sie sicherlich auch nichts. Die Spannung wird durch die langsame Erzählung, die vielen Naturaufnahmen, die Musik und vor allem die Kameraeinstellungen aufgebaut. Gerade die langsame Erzählweise fand ich manchmal schon etwas anstrengend und so war es wohl genau das erwartete Mystische, was mich dazu bewogen hat, dranzubleiben. Gerade der die ersten Folgen dominierende Wald trägt einen großen Teil dazu bei. Und dabei ist es gar nicht so, dass dieser besonders dunkel und neblig ist, wie es vielleicht in einer deutschen oder nordischen Krimiserie dargestellt würde, sondern er ist eigentlich sehr lichtdurchflutet und für die Einheimischen wohl auch nicht angsteinflößend, da hier gearbeitet wird, man geht joggen oder sitzt in der Freizeit an einem Teich. Doch das Dickicht der Farne und heimtückische Bärenfallen machen diesen Ort so unberechenbar. Die Natur verbirgt ein Geheimnis, auch wenn sie es selbst vielleicht gar nicht so möchte. Und die angesprochenen Kameraeinstellungen tun ihr übriges. Oft wird eine Szene aus weiter Ferne betrachtet, so als würden die Figuren heimlich beobachtet. Dabei sind wir als Publikum die Beobachtenden. Dann wieder gibt es Nahaufnahmen, bei denen man lieber gar nicht so genau hinschauen möchte, insbesondere wenn die menschlichen Überreste oder andere Hinweise auf die Todesursache genauer unter die Lupe genommen werden. Gerade der erste Fall inszeniert die Leichen engelsgleich und was einerseits fasziniert, ist gleichermaßen auch abschreckend. Es bleibt aber genug Vorwarnung auch wegzuschauen, falls man sich diesen Anblick ersparen möchte.

Ein weiterer Haken, der das Publikum zum Dranbleiben bewegt, ist der Wunsch zu erfahren, was die Hauptfigur des David Hunter (Harry Treadaway) erlebt hat; wieso er nicht mehr als forensischer Anthropologe arbeiten will. Die kleinen Flashbacks, die auf einen Schicksalsschlag hinweisen, ergeben im Laufe der ersten Staffel ein rundes Bild. Anfangs ist es aber vor allem seine offensichtliche Überforderung mit den Leichen, die einen irritiert zurücklassen. Immerhin hat er seine Ausbildung überstanden, bereits als forensischer Anthropologe gearbeitet, wieso also stößt ihn der Gedanke so sehr ab, menschliche Überreste zu untersuchen? Zumal er bei seiner Arbeit als Dorfarzt doch sicher auch mal mit dem Tod konfrontiert wird - es leben schließlich auch einige Ältere in dem kleinen Ort Manham. Auch mit der Auflösung seines Traumas im Laufe der weiteren Episoden habe ich diese Überforderung nicht vollständig nachvollziehen können. Auch verstehe ich nicht, wieso er als Arzt keine psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen hat, um damit umzugehen. Das ist schließlich eine der ersten Hilfsmaßnahmen, die er für die Jungs zu Beginn der ersten Folge anbietet. Als analytisch denkender Mensch, der aus den kleinsten Details eine Todesursache ableiten kann, sollte so etwas Offensichtliches doch eigentlich nicht zu übersehen sein.

Foto: Harry Treadaway, Simon Becketts Die Chemie des Todes - Copyright: Cuba Pictures/Paramount+
Harry Treadaway, Simon Becketts Die Chemie des Todes
© Cuba Pictures/Paramount+

Das Problem ist, dass sich dieses undurchsichtige, nicht nachvollziehbare Verhalten seitens David Hunter durch mehrere Episoden zieht. Man versteht seine Beweggründe nicht, hat immer wieder den Eindruck, dass er etwas verheimlicht. Ich war stellenweise bereits in Sorge, dass er vielleicht der heimliche Killer ist. Doch dem war nicht so und ich frage mich, ob die Produzenten der Serie überhaupt dieses Gefühl bei den Zuschauenden auslösen wollten. Sie machten es einem auf jeden Fall nicht leicht, sich mit Hunter zu identifizieren oder mit ihm mitzufiebern. Dafür hat er sich einfach in zu viele Widersprüche verstrickt. Ich fand es ehrlich gesagt auch etwas blauäugig, dass er beim zweiten Fall, der in der Serie zeitlich ja direkt nach den Ereignissen zuvor spielt, erneut einer Person vertraut, die sich später als Mörder herausstellt. Für mich war das ehrlich gesagt schon ziemlich früh klar, wenn man auf das Verhalten achtet... Aber wie gesagt, während Hunter sich bei der Begutachtung menschlicher Überreste auf alle Feinheiten konzentrieren kann, scheint ihm zwischenmenschlich doch einiges zu entgehen.

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Damit sind wir auch bei einem der größten Mankos dieser Serie. Vieles ist einfach zu vorhersehbar. Ja, es gab auch überraschende Momente, aber in vielen Fällen wusste man schon vorab, wer das nächste Opfer wird, wer der oder die Täter sind und musste dann meist noch eine Episode abwarten, bis die offizielle Auflösung und Erklärung kam. Das war meiner Meinung nach mitunter nicht ideal inszeniert, auch wenn man sich Mühe gemacht hat, an jedem Episodenende einen Cliffhanger zu platzieren. Das ergab zusammen mit der grundsätzlich eher langsamen Erzählweise das Gefühl, dass diese erste Staffel auch viel kürzer hätte ausfallen können. Wenn man sich diese Zeit lässt, wünscht man sich doch, dass dann vielleicht auch mehr auf die Beweggründe oder die Verarbeitung des Geschehens eingegangen wird, doch das wurde meist recht flott abgehandelt.

Foto: Jeanne Goursaud & Harry Treadaway, Simon Becketts Die Chemie des Todes - Copyright: Cuba Pictures/Paramount+/Oscar May
Jeanne Goursaud & Harry Treadaway, Simon Becketts Die Chemie des Todes
© Cuba Pictures/Paramount+/Oscar May

Meines Wissens nach steht noch nicht fest, ob es eine zweite Staffel geben wird. Falls nicht, ist das offene Ende hier leider besonders fies, lockt dann aber sicher mehr Serienfans, die Romane von Simon Beckett zu lesen. Falls es eine zweite Staffel gibt, wünsche ich mir auf jeden Fall, dass die Nebenfiguren weiter ausgebaut werden. Ich fand es mitunter doch etwas befremdlich, dass Hunter seine neue Liebe nur kurz nach deren Entführung alleine zurücklässt. Ja, er wollte den Kopf frei bekommen und sich über sein Leben klar werden, aber für mich kam das doch etwas abrupt. Nicht mal der Kommissar der ersten Folgen, der ihm den Gefallen tut, ihn für den zweiten Fall zu empfehlen, kommt danach erneut vor. Man konnte also gar keine Bindung zu jemand anderem als David Hunter aufbauen, der es einem wie oben beschrieben auch etwas schwer macht, wirklich mit ihm mitzufiebern. Auch die Nebenfiguren, die in der zweiten Staffelhälfte eine Rolle spielten, sind durch den Abschluss des Falls nun wieder Vergangenheit. Es bleibt also eigentlich nur die Auflösung des Cliffhangers und eine weiße Tafel für den Aufbau der zweiten Staffel. Es bleibt zu hoffen, dass man sich dann erneut auf die Stärken der Bildästhetik und der Erzählstruktur der Fälle hält, aber dem Publikum mehr Ankerpunkte gibt, sich nicht nur für den einzelnen Fall, sondern auch für Entwicklung der Hauptfiguren zu interessieren.

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Fazit

"Die Chemie des Todes" zieht einen mit ihrer Mystik und der ruhigen Erzählweise in den Bann. Sich mit der Hauptfigur zu identifizieren, fällt jedoch durchweg schwer und die Nebenfiguren bleiben allesamt auf der Strecke. Es bleibt zu hoffen, dass die Serie ihren roten Faden findet, sollte sie um eine zweite Staffel verlängert werden.

Catherine Bühnsack - myFanbase

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