Jemand muss sterben - Review

Foto:

Miniserien haben sich in den letzten Jahren einer immer größeren Beliebtheit erfreut und auch ich habe dieses Untergenre immer mehr zu schätzen gelernt, was nicht zuletzt an grandiosen Beispielen der letzten Jahre liegt, wie beispielsweise "When They See Us", "Unorthodox" und "Unbelievable". Eine sehr verdichtete Erzählweise sorgt dafür, dass der Zuschauer kaum zu Atmen kommen kann. Zwar kann man nachher nicht unbedingt von beeindruckendem World Building oder hervorragender Charakterarbeit sprechen, weil hierfür einfach nicht genug Zeit ist, aber viel wichtiger ist ohnehin die Botschaft, denn Miniserien sind nie beliebig, sondern haben immer ein konkretes Ziel vor Augen. Wie schlägt sich in diesem Genre die neue spanische Netflixproduktion "Jemand muss sterben" (Original: "Alguien tiene que morir")?

Externer Inhalt

An dieser Stelle ist Inhalt von einer anderen Website (z. B. YouTube, X...) eingebunden. Beim Anzeigen werden deine Daten zu der entsprechenden Website übertragen.

Externe Inhalte immer anzeigen | Weitere Informationen

"Jemand muss sterben" hat einen historischen Kontext. Das Geschehen spielt sich im Spanien der 1950er Jahre ab. Der Krieg ist mit seinen Nachwirkungen immer noch in den Köpfen aller und Spanien steht unter dem strengen Regime von Franco. Die gesellschaftlichen Bedingungen sehen damals so aus, dass die Macht auf einige wenige männliche Köpfe aufgeteilt ist, während Frauen überhaupt nichts zu sagen haben. Zudem passt Homosexualität überhaupt nicht in das öffentliche Bild, weswegen jede Auslebung der Sexualität aufs Strengste bestraft wird. Das ist also der erzählerische Rahmen, in dem sich "Jemand muss sterben" aufhält, und es ist hilfreich, sich diesen im Vorfeld bewusst zu machen, denn der historische Kontext wird ansonsten nicht groß eingeordnet, hier wird Vieles vorausgesetzt, was vor allem für nicht-spanisches Publikum durchaus eine Herausforderung sein kann. Aber es soll eben auch keine Geschichtsstunde darstellen, denn die Serie bemüht sich im weiteren Verlauf zu keinem Zeitpunkt, hieraus in irgendeiner Weise etwas ableiten zu wollen. Stattdessen wird eine Handlung präsentiert, für die das 1950er-Setting vielleicht einfach nur chic war.

Foto: Jemand muss sterben (Alguien Tiene Que Morir) - Copyright: 2020 Netflix, Inc.
Jemand muss sterben (Alguien Tiene Que Morir)
© 2020 Netflix, Inc.

Schon in der Beurteilung der historischen Einordnung wird man herausgehört haben, dass "Jemand muss sterben" gewiss keine Bedeutungsstürme bei mir ausgelöst hat. Zwar muss ich eingestehen, dass mich vor allem die Darstellung des Auslebens von Homosexualität sehr mitgerissen und mich dadurch vor allem betroffen zurückgelassen hat. Aber ansonsten hatte die Miniserie etwas sehr Soapiges. Kaum ist der verlorene Sohn Gabino (Alejandro Speitzer) mit seinem mexikanischen Freund Lázaro (Isaac Hernández) nach Madrid zurückgekehrt, wird eine Kettenreaktion von persönlichen Verwicklungen ausgelöst. Gabino ist unglücklich in Lázaro verliebt, der sich aber wiederum sofort in dessen Mutter Belén (Pilar Castro) verliebt. Gabino ist zudem als Ehemann für Cayetana (Ester Expósito, "Élite") vorgesehen, die aber wiederum lieber Lázaro hätte. Und dann ist da auch noch Alonso (Carlos Cuevas), der ehemalige Freund von Gabino, der wie er homosexuell ist, das aber mit jeglicher Verzweiflung unterdrückt. Solche Verwicklungen mögen ja schön und gut sein, aber diese Gefühle werden allesamt quasi über Nacht entwickelt, weswegen das Genre Miniserie hier eigentlich zur falschen Wahl wird, denn so dicht erzählt wirken die Ereignisse völlig überspitzt und wenig realistisch. Zudem fällt es einem als Zuschauer sehr schwer, zu allen eine emotionale Bindung aufzubauen.

Foto: Jemand muss sterben (Alguien Tiene Que Morir) - Copyright: 2020 Netflix, Inc.
Jemand muss sterben (Alguien Tiene Que Morir)
© 2020 Netflix, Inc.

"Jemand muss sterben" will an vielen Stellen auch eine Thrillerserie sein, aber auch das bekommt sie nicht gemeistert. Relativ schnell merkt man als Zuschauer, dass es ein Geheimnis in der Familie von Gabino gibt. Wo man zunächst denkt, dass die Serie darauf hinarbeiten will, dieses so lange wie möglich bedeckt zu halten und erst am Ende mit Überraschungseffekt zu offenbaren, wird das Geheimnis mehr oder weniger beiläufig entlarvt. Die Folge ist, dass nun Erpressungen an der Tagesordnung sind, wo mehrere Figuren sich gegenseitig ausspielen wollen. Aber die Handlung verliert damit auch den Endpunkt aus den Augen, von dem man sich Großes versprochen hat. Stattdessen wird ein sehr beliebiger Eindruck vermittelt, der sich letztlich leider auch noch bewahrheitet. Denn das Ende ist eine reine Satire, wo man nicht weiß, ob man trotz all der Tragik (denn der Serientitel muss ja erfüllt werden) nicht doch lachen sollte. Letztlich ist überhaupt nicht mehr klar, warum eigentlich wer wie gehandelt hat und zudem liegt alles in Scherben.

Während wie gesagt die erschreckenden Umstände für Homosexuelle in der damaligen Zeit eindrucksvoll dargestellt wurden, ist mir vor dem Hintergrund des Endes überhaupt nicht klar geworden, was nun eigentlich die Botschaft von "Jemand muss sterben" sein soll. Dabei habe ich im einleitenden Abschnitt noch betont, dass Miniserien von diesen Botschaften, und sei es nur die Aufklärung darüber, wie es war, leben. Aber hier ist zu viel Chaos angerichtet worden, um noch eine eindeutige Erklärung herausfiltern zu können. Wenn das Ziel nur war, am Ende alle geschockt zurückzulassen, ja, dann ist das vielleicht erfüllt worden.

Die Serie "Jemand muss sterben" ansehen:

Fazit

"Jemand muss sterben" ist leider meine erste Erfahrung damit, wie Miniserien nicht funktionieren. Was sich rein vom Papier her gut lesen ließ, zeichnet sich letztlich durch eine soapige Inszenierung, ganz viel erzählerisches Chaos und ein absurdes Ende aus. Einzig die Darstellung von Homosexualität zu der damaligen Zeit in Spanien, aber wahrscheinlich auch vielen anderen Ländern, war authentisch und mitreißend. Aber dafür kann ich in der Gesamtschau leider keine Sehempfehlung aussprechen.

Lena Donth - myFanbase

Zur "Jemand muss sterben"-Übersicht

Kommentare