Catherines Rückblick 2018/2019
Musikalische Entdeckung
"Most Beautiful Thing"

Während die Welt in diesen Tagen um João Gilberto trauert, blicke ich in Gedanken auf eine Serie zurück, die mir in der zurückliegenden Season eine musikalische Entdeckung ermöglicht hat. Durch die brasilianische Netflix-Original-Serie "Most Beautiful Thing" (Originaltitel: "Coisa Mais Linda") bin ich auf den Geschmack des Bossa Nova gekommen. Natürlich kannte ich Lieder wie "The Girl from Ipanema", durch das der nun verstorbene Gilberto weltberühmt wurde, oder "Mas que nada", das schon zig Male gecovert wurde. Aber wirklich auseinandergesetzt hatte ich mich mit diesem einzigartigen Musikgenre noch nie.
Eher per Zufall, da Netflix es mir immer wieder als Empfehlung angeboten hatte, schaute ich dann im Mai 2019 die Serie "Most Beautiful Thing", die erstmal mit dem Setting der 50er Jahre, einer starken weiblichen Hauptfigur und einem Color Grading, das einem die Wärme Rio de Janeiros ins Wohnzimmer transportiert, zu überzeugen weiß. Ich ahnte nicht, welche Rolle die Musik in dieser Serie spielen würde und wurde dementsprechend sehr positiv überrascht.

© Aline Arruda/Netflix
Im Fokus der Handlung steht die wohl behütet aufgewachsene Maria Luíza Carone Furtado (Maria Casadevall) aus São Paulo, die sich zusammen mit ihrem Mann den Traum erfüllen möchte, eine Musikbar in Rio de Janeiro zu eröffnen. Doch als Maria Luíza nach Rio kommt, wo ihr Mann bereits alle Vorbereitungen getroffen haben sollte, ist dieser mit dem Geld und einer Geliebten verschwunden und statt einer Musikbar findet sie einen heruntergekommenen Keller vor. Aus der Traum - so scheint es - bis sie das Schicksal mit Adélia Araújo (Pathy Dejesus) zusammenbringt, die ihr nicht nur das Leben rettet, sondern auch neuen Mut macht, ihren Traum auch ohne die Hilfe ihres Mannes und ihrer Familie zu verwirklichen. Durch ihre alte Freundin Lígia Soares (Fernanda Vasconcellos) macht sie einige vielversprechende Bekanntschaften (darunter der talentierte Musiker Chico Carvalho (Leandro Lima)) die ihr den Aufwind geben, auf ihren eigenen Beinen zu stehen - allen Widrigkeiten zum Trotz. Mit Chico kommt die Musik ins Spiel, denn er gilt in der Serie als der Ursprung des neuartigen Bossa Novas. Er vermengt den altbekannten Jazz mit den Rhythmen des Samba, den er in den Favelas kennengelernt hat. Mit "Ver o Mar" spricht er nicht nur Malú, wie sie ihre Freundinnen schon bald nennen, aus der Seele, sondern erobert auch die Herzen der Zuschauer. Doch nicht nur dank Chico, sondern auch dank der Eröffnung der Bar und Lígias überraschender Gesangsstimme nimmt der Bossa Nova immer mehr Raum in "Most Beautiful Thing" ein.
Was mir zum Zeitpunkt des Schauens von "Most Beautiful Thing" noch nicht bewusst war: Hier wird zwar eine fiktive Geschichte erzählt, doch sie gibt den Ursprung des Bossa Nova und Grundelemente von João Gilbertos Karrierebeginn wieder. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der Titel der Serie auf einem Lied von Gilberto basiert: "Coisa Mais Linda". Die Straße, in der Malús Musikbar eröffnet, erinnert an die berühmte Beco das Garrafas an der Copacabana, die als der Geburtsort des Bossa Nova gilt. Chico hat Charakterzüge Gilbertos, der in den 50er Jahren einen Plattenvertrag wegen seiner Unzuverlässigkeit und Verspätungen verloren hatte und immer wieder Marihuana rauchte - alles Dinge, die Chico ebenfalls prägen, der dem Erwartungsdruck seines Umfelds nicht immer standhalten kann. Doch beide - die fiktionale und die reale Figur - haben ihren Durchbruch geschafft und dank eines Jazz-Saxophonisten den Weg in die USA gefunden. Wer genauer hinschaut und sich noch besser mit der brasilianischen Kultur- und Musikszene auskennt, wird noch mehr Parallelen zwischen den Hauptfiguren und brasilianischen Berühmtheiten finden...
Immer wieder wird gesagt, die Deutschen seien lesefaul, was die Untertitel in Serien und Filmen angeht. Bei dieser Serie sind sie aber der Schlüssel zu dieser wunderbaren Musik. Während man uneingeschränkt den Melodien mit den portugiesischen Gesängen lauschen kann, versteht man dank der Untertitel erst, wovon die romantisch-melancholischen Stimmen singen. Für mich haben sie noch mal deutlich gemacht, welche Sehnsüchte in den Liedern besungen werden, und einem wenigstens ein bisschen Verständnis davon gegeben, was man da anschließend noch Stunden vor sich hin gesummt hat.
Wer jetzt nicht schon allein bei dem Gedanken an die Klänge des Bossa Nova und die Strände von Ipanema und Copacabana Lust auf die Serie bekommt, dem sei noch mitgegeben, dass mich die Serie auch aufgrund ihrer weiblichen Hauptfiguren in den Bann gezogen hat. Neben Malú, durch die wir daran erinnert werden, dass Frauen in den 50er Jahren ohne einen Mann an ihrer Seite so gut wie keine Stimme hatten, werden mit Adélia, Lígia und Thereza Soares (Mel Lisboa) weitere Protagonistinnen eingeführt, die es in sich haben. Adélia ist eine alleinerziehende Mutter aus der Favela, die den Haushalt einer rassistischen alten Frau führt, um ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Lígia muss derweil die perfekte Ehefrau ihres Mannes mimen, der zum Bürgermeister von Rio de Janeiro avancieren möchte, obwohl ihre Ehe das Gegenteil von perfekt ist. Thereza ist derweil eine selbstbewusste bisexuelle Frau, deren Ehe von der Verdrängung ihrer Fehlgeburt geprägt ist, die es dafür aber schafft, in einer von Machos geprägten Unternehmenskultur die Oberhand zu gewinnen. Die Serie ist also trotz ihres Settings in den 50er Jahren wunderbar aktuell und gibt einen dann noch on-top diese wundervolle Musik mit auf den Weg.
Catherine Bühnsack - myFanbase
Kommentare
Links
Meistgelesen
Aktuelle Kommentare

29.03.2025 02:08 von Daniela
The Residence: The Residence
Ich bin bei Folge 6 und werde dazu auch was schreiben.... mehr
29.03.2025 16:30 von Daniela
Reviews: Apple Cider Vinegar - Review Miniserie
Ich muss gestehen, dass ich mich oftmals eher dabei... mehr