My Lady Jane - Review Staffel 1

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My Lady Jane
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"My Lady Jane" gehört zu den Produktionen, die für mich wie manche Pilze in diesem nassen Sommer von jetzt auf gleich aus der Erde geschossen kommen. Tatsächlich ist die Buchreihe, auf der die Prime Video-Adaption beruht, und die von Cynthia Hand, Brodi Ashton und Jodi Meadows in Co-Arbeit verfasst wurde, in Deutschland gar nicht groß bekannt. Übersetzt wurde sie jedenfalls noch nicht, aber das könnte sich nun ändern. So gesehen war die Aufregung rund um die Veröffentlichung für mich nicht wahrnehmbar und als der Trailer dann mitsamt Starttermin bekannt gegeben worden ist, da musste ich mich erstmal informieren, um was geht es da eigentlich? Neuerzählung von Historie haben wir da schon öfters angeboten bekommen und "The Great" von Hulu war ein recht frisches Beispiel, das ich aber nicht gesehen habe. Was habe ich also mit "My Lady Jane" als kleines Überraschungspaket bekommen?

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"My Lady Jane" hat sich als Überraschung im positivsten Sinne für mich entpuppt, denn es gab einige Aspekte, die mich richtig zu überzeugen wussten. Fangen wir aber erstmal mit dem Teil an, der wohl alle Nicht-Buchkenner sehr überrascht haben durfte. "My Lady Jane" ist doch tatsächlich neben der historischen Parodie auch eine Fantasy-Serie. Davon war im Marketing überhaupt nichts zu erkennen und auch der Trailer hat sich vollkommen mit Andeutungen dazu zurückgehalten. Was genau der Grund war, für mich nicht wirklich zu durchschauen. Vielleicht ist Fantasy inzwischen doch zu sehr Nischen-Genre, dass man das Marketing offener halten wollte, um so vorher keine Zuschauer*innen zu verprellen? Wer weiß das schon. Aber auch wenn Fantasy durch die Teilung in Veritaner und Ethianer, wobei letztere sich durch ihren Status in ein Tier verwandeln können, Teil des Geschehens ist, so ist es ein Teil von vielen, den wir in diesen acht Episoden geboten bekommen. Dementsprechend empfinde ich das Marketing nicht als Schwindel. Ich habe in Bezug auf "My Lady Jane" tatsächlich auch schon einige Vergleiche gefunden, was deutlich macht, ja, die Serie beinhaltet viel, was wir in vielen Serien der letzten Jahren erlebt haben, aber abgekupfert war es deswegen noch lange nicht, weil es dann wieder so viel Eigenes hatte, was auch wieder belegt, wie viele verschiedene Assoziationen die Zuschauer*innen zum Endprodukt haben. Für mich persönlich war es "Bridgerton" trifft "Noch nie in meinem Leben ..." (zumindest die beiden dominantesten Ideen). "Bridgerton" ist es dabei nicht nur durch den historischen Kontext, sondern auch wie Geschichte über Hautfarbe, Sexualität hinweg ganz neu erzählt wird. An "Noch nie in meinem Leben…" musste ich wegen der Erzählstimme und einer gewissen Derbheit des Geschehens denken. Während es in der Netflix-Produktion der ehemalige erfolgreiche Tennisspieler John McEnroe ist, der Devis Leben oft zum Tränenlachen kommentiert, ist es hier Oliver Chris, im Original tatsächlich unheimlich viel zum Witz der Serie beiträgt. Er ist genauso ein Teil des Geschehens wie alle anderen Figuren und seine Funktion für das Seherlebnis funktioniert hervorragend.

Foto: My Lady Jane - Copyright: Amazon MGM Studios; Jonathan Prime/Prime Video
My Lady Jane
© Amazon MGM Studios; Jonathan Prime/Prime Video

Abseits von der Erzählstimme hat mich wirklich so einiges begeistert, schauen wir also mal, dass wir es sortiert bekommen. Die Erzählstimme ist dabei im Grunde auch schon ein Hinweis auf einen weiteren Aspekt, denn die Stimme kommentiert, als würde sie aus unserem Jetzt alles beurteilen, weil es einige moderne Referenzen gibt. Das hat für mich schnell unterstrichen, dass es einige unerwartete Aspekte gibt. Anfangs war es noch etwas schwierig, den Ton der Serie genau zu sortieren, aber es wurde schnell deutlich, dass es keinerlei Tabus gibt. Das hat den Überraschungseffekt enorm erhöht, weil so im Schatten einer eher klassischen Liebesgeschichte, es dennoch so viele Schlupflöcher gab und jede einzelne Episode sich wie ein wilder Ritt anfühlte. Am besten lässt sich das für mich an der jüngsten Grey-Schwester Margaret (Robyn Betteridge) festmachen, die von Anfang als frech, hemmungslos und listig dargestellt wird, aber als sie dann doch tatsächlich einen Mord begeht, ja, da stand mir der Mund etwas offen. Aber es war kein Entsetzen, sondern eher die Begeisterung, dass dem Produktionsteam viele Freiheiten eingeräumt wurden, die sie gnadenlos für sich ausnutzen. Margaret ist auch der Bezug zum nächsten Aspekt, denn "My Lady Jane" ist eine sicherlich feministisch angedachte Serie, weil sie voll von starken Frauenfiguren ist. Gleichzeitig würde ich aber nicht sagen, dass sie deswegen die Männer schlecht aussehen lässt, keinesfalls. Denn Lord Dudley (Rob Brydon) und sein Sohn Stan (Henry Ashton) haben beide am Ende noch ihre richtig großen Momente, für die ich ihnen auch applaudiert habe. Aber es fällt natürlich dennoch besonders aus, wenn gerade in dem historischen Kontext, in dem gerade Figuren wie Dudley sich oft sehr despektierlich zu Frauen äußern, die entsprechenden Charaktere aber alle auf ihre Art Kante zeigen. Prinzessin Mary (Kate O'Flynn), die unbedingt Königin werden will, ist sicherlich das extremste Beispiel, aber auch die vier Grey-Frauen sind alle auf ihre Art und Weise Gewinnerinnen, die sich durchs Leben schlagen können und für ihre Überzeugungen einstehen. Bei Katherine (Isabella Brownson) war ich anfangs etwas skeptisch, aber auch sie macht eine überzeugende Entwicklung durch.

Foto: My Lady Jane - Copyright: Amazon MGM Studios; Jonathan Prime/Prime Video
My Lady Jane
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Der nächste für mich sehr überzeugende Aspekt ist die Spielfreude, die überall zu bemerken war. Brydon als der schon angesprochene Dudley, Anna Chancellor als die selbstverliebte Frances Grey, aber vor allem auch Dominic Cooper als Lord Seymour, da hat man einfach gemerkt, dass exzentrische Figuren zu spielen, für viele eine begeisternde Möglichkeit ist, sich in der Spielkunst einmal voll ausleben zu können. Cooper möchte ich nochmal explizit erwähnen, weil er in meiner Wahrnehmung sich über das britische und US-amerikanische Fernsehen hinweg einen Namen gemacht hat. Dementsprechend war ich erst überrascht, ihn in dieser Produktion zu sehen, aber er hat den ekligen Seymour voll angenommen und ihm auch viele Seiten mitgegeben. Im Cast sind auch einige noch eher unbekannte Namen, aber neben den bislang erwähnten Darsteller*innen ist das überhaupt nicht negativ aufgefallen, weil ich eher im Gefühl hatte, dass sich alle auf das ungewöhnliche Setting eingelassen haben und einfach zusammen Spaß hatten.

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Bei der Handlung fand ich positiv, dass die historische Vorlage der jungen Königin Jane, die nur neun Tage an der Macht war, direkt zu Anfang knapp dargestellt wird, ehe sich dann im Verhandlungsverlauf zeigt, wie nah das Geschehen dennoch an einigen Fakten entlanghangelt und damit offensiv spielt. Natürlich wird genug auf den Kopf gestellt, die Ethianer sind dabei sicherlich der größte Aspekt, aber dennoch hatte ich beim Schauen oft das Gefühl, dass ich es mir tatsächlich so oder so ähnlich vorgestellt hätte. Der historische Kontext ist mit vielen Aspekten wie der Rolle der Frau, die Heiratsvermittlung (auch im sehr jungen Alter) und Thronanspruch sehr akkurat gewählt und doch wird es gleichzeitig gesprengt. Da passt auch nochmal ein Vergleich zu "Bridgerton", denn auch hier haben wir im Hintergrund wiederholt moderne Musikstück, aber es sind vor allem rockige Lieder, die sehr gut die Erzählweise unterstreichen, denn es ist zügelloser, derber und deswegen mit der Musik oft im Einklang. Auch wenn ich nicht beurteilen kann, was Staffel 1 nun aus der Buchreihe übernommen hat, so habe ich ohne Kenntnisse alles als sehr rund empfunden. Wie gesagt haben wir pro Episode einen überzeugenden Erzählsog. Es gibt keine Füll-Episoden, stattdessen gibt es immer neue Entwicklungen. Dazu gibt es auch einige Andeutungen, die man ein wenig in den Raum stellt, aber bei denen man merkt, es ist wie ein Muskelspiel der Produktion zu zeigen, was noch alles in petto ist, was sie aber an Pulver noch gar nicht verschießen müssen, weil Staffel 1 auch so schon gut funktioniert. Es mag zum Ende hin mit dem Machtringen etwas zäher werden, aber ich war schon zu sehr im Geschehen drin, um mich daran zu stören, denn Nebenschauplätze, die alle etwas zu bieten haben, gibt es genug.

Foto: Emily Bader & Edward Bluemel, My Lady Jane - Copyright: Amazon MGM Studios; Jonathan Prime/Prime Video
Emily Bader & Edward Bluemel, My Lady Jane
© Amazon MGM Studios; Jonathan Prime/Prime Video

Der zentrale Handlungsbogen der inhaltlich reichen ersten Staffel ist aber natürlich die Liebesgeschichte von Jane (Emily Bader) und Guilford (Edward Bluemel). Sie war für mich tatsächlich der Aspekt, der auch durch sein Ethianer-Dasein als Pferd, den Handlungsbogen vorhersehbar gemacht hat, aber hat mich das gestört? Nein. Denn Liebesgeschichten sind oft genau dann gut, wenn sie Klischees erfüllen und natürlich ist sehr entscheidend, dass die Chemie der Darsteller*innen passt und da haben sich Bader und Bluemel wirklich hervorragend ergänzt. Sie haben von Anfang eine prickelnde Atmosphäre hinbekommen und der Geschichte all diese Haken gegeben, die es braucht, um für ein Paar bedingungslos mitfiebern zu können. Ich hatte mit der Einführung von Archer (Michael Workeye) zwischendurch kurz Bedenken, weil so eine Dreiecksgeschichte zu dem Zeitpunkt völlig fehl am Platz gewesen wäre. Aber es wird nur kurz damit gespielt, ehe dann aber alles wieder in geregelten Bahnen geht. Die Liebesgeschichte bietet also alles, was man im Vorfeld an Erwartungen so niederschreiben würde. Aber es ist auch nicht die einzige Liebesgeschichte. Der charmante König Edward (Jordan Peters), der sich schnell bestätigt sieht, dass er auf Männer steht, bekommt mit Fitz (Joe Klocek) eine ideale Ergänzung und auch Katherine hat mit William (Brandon Grace) jemanden an die Seite gestellt bekommen, was für die Zukunft noch viel Potenzial erhält.

Foto: Abbie Hern, My Lady Jane - Copyright: Amazon Content Services LLC; Jonathan Prime/Prime Video
Abbie Hern, My Lady Jane
© Amazon Content Services LLC; Jonathan Prime/Prime Video

Da ich schon angesprochen habe, wie viele positive Andeutungen es über eine erste Staffel hinaus gab, wundert es wohl auch wenig, dass ich diese zweite Staffel sehr gerne sehen würde. Vielleicht müsste man sich etwas von der Liebesgeschichte rund um Jane und Guilford lösen, weil die wichtigsten Punkte schon abgehakt sind, aber es gibt genug, womit man arbeiten kann. Weiterhin haben wir den Kampf um den Thron, weil Edward nach seinem vermeintlichen Tod noch gar nicht wieder als Spielfigur zurückgekehrt ist. Wir haben eine sehr spannende Figur wie Bess (Abbie Hern), die angesichts ihrer faktischen Bedeutung für die Historie sicherlich noch immens mehr ausgebaut werden könnte. Wir haben aber natürlich auch Frances, die immer mal Tiefe angedeutet bekommt, bis sie als Comic Relief doch wieder in Selbstbeweihräucherung verliert, wir haben Seymour mit seinen Experimenten an Ethianern und generell auch, wie die Ethianer um ihren Platz in der Welt kämpfen. Bei diesen ganzen Ideen im Hinterkopf ließe sich eine zweite Staffel wohl spielerisch leicht erzählen, aber sollte es dazu nicht kommen, dann lässt Staffel 1 keine Wünsche offen, weil es genug an die Hand gibt, um mit der runden Geschichte zufrieden zu sein.

Fazit

"My Lady Jane" vereint viele Eigenschaften gut funktionierender Produktionen der letzten Jahre in sich, aber als Nachmachen habe ich es deswegen keinesfalls empfunden, denn es ist sehr unterhaltsam gelungen, viele Puzzleteile zu etwas zusammensetzen, das ich so noch nicht gesehen habe. Spielwitz, nichts, dass es nicht gibt und dazu mitreißende Geschichten und fertig ist die Rezeptur, um gerne auch noch eine zweite Staffel aus diesem Universum zu sehen.

Die Serie "My Lady Jane" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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