Noch nie in meinem Leben ... - Review Staffel 2

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Im vergangenen Jahr war die Jugendserie "Noch nie in meinem Leben ..." eine der ersten Serien, die bei Streamingdienst Netflix zu einem Zeitpunkt veröffentlicht wurde, als sich praktisch die gesamte Welt in einem erzwungenen Lockdown befand. Bekanntlich sind in dieser Zeit die Abrufzahlen bei sämtlichen Streamingdiensten deutlich angestiegen und ein Profiteur davon war auch diese Comedyserie, bei der Mindy Kaling als Produzentin fungiert und die ihren eigenen Wurzeln gemäß von einer indischstämmigen Familie erzählt. Nun deutlich über ein Jahr später steht auch die zweite Staffel zum Streamen bereit. Während die erste Staffel also in der Wahrnehmung möglicherweise nichts falsch machen konnte, weil jede Fluchtmöglichkeit aus dem belastenden Alltag willkommen geheißen wurde, ist inzwischen schon längst wieder Ernüchterung und Sehnsucht nach dem realen Leben eingetreten. Hat es Staffel 2 damit automatisch schwerer?

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Foto: Noch nie in meinem Leben ... - Copyright: 2021 Netflix, Inc.
Noch nie in meinem Leben ...
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In Staffel 1 war wahrlich nicht alles perfekt, aber ja, vielleicht habe ich auch über einiges eher hinwegsehen können, weil Ablenkung einfach nötig war. Dennoch war schon da nicht zu leugnen, dass Hauptfigur Devi (Maitreyi Ramakrishnan) nun wahrlich nicht Everbody's Darling ist. Teilweise hat sie mich sogar einige Nerven gekostet, denn völlig egoistisch? Check! Schlechte Freundin? Check! Uneinsichtig? Check! Meine Strichliste an Verfehlungen bei Devi war schon in Staffel 1 wirklich lang und auch wenn der Faktor, dass sie ihren Vater Mohan (Sendhil Ramamurthy) viel zu früh verloren hat, nicht zu unterschätzen ist, so darf er auch nicht Ausrede für alles sein. Wie sieht es nun mit Devi in Staffel 2 aus? Wirklich einfacher ist es mit ihr noch nicht geworden. Alleine die ganze Sequenz, als sie herausfindet, dass ihre Mutter Nalini (Poorna Jagannathan) mit Neuzugang Chris Jackson (Common) möglicherweise eine neue Beziehung eingehen könnte, war wieder so dermaßen nervig, dass ich zwischendurch schon mal die Geduld mit ihr verlieren konnte, ob sie wohl jemals wirklich aus ihren Fehlern lernt? Doch es gibt durchaus gerade zum Ende der Staffel hin wichtige erste Schritte Richtung Auseinandersetzung mit sich selbst. Zwar ist all ihren guten Taten immer noch anzumerken, dass sie immer einen Hintergedanken hegt, der auch ihr zugute kommen wird, aber dennoch wird sie sensibler für ihre Umgebung. Gerade mit ihren Freundinnen Fabiola (Lee Rodriguez) und Eleanor (Ramona Young) merkt man deutlich, dass sie gelernt hat, sich auch einfach mal für ihr Glück zu freuen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist ein gewisses Selbstverständnis. Zwar ist bekannt, dass Devi jedes Fettnäpfchen mitnimmt und sich dennoch nicht gleich ein Loch graben muss, aber ihr Wunsch, endlich cool sein zu wollen, was sie darüber definiert, einen Freund zu haben, hat sie oft auch verzweifelt wirken lassen. Wie Devi dann kurz vor dem Abschlussball für sich einsteht, das war definitiv ihr charakterlicher Höhepunkt. Und möglicherweise lässt das für eine eventuelle dritte Staffel auch die Hoffnung zu, dass wir tatsächlich mal eine gut zu ertragende Devi erleben.

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Foto: Maitreyi Ramakrishnan, Lee Rodriguez & Ramona Young, Noch nie in meinem Leben ... (Never Have I Ever) - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Isabella B. Vosmikova/Netflix
Maitreyi Ramakrishnan, Lee Rodriguez & Ramona Young, Noch nie in meinem Leben ... (Never Have I Ever)
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Devi ist ohne Frage der Dreh- und Angelpunkt dieser Serie, da ist es schon schwer, bei den anderen Figuren – abgesehen von Ben (Jaren Lewison) und Paxton (Darren Barnet) – mehr als einen wichtigen Handlungsbogen herauszukristallisieren. Bei Nalini hatten wir schon die mögliche neue Liebe angesprochen. Ihr Schlagabtausch mit Chris, wo gleich gewisse knisternden Spannungen zu bemerken sind, war wirklich sehr unterhaltsam. Aber ich fand es auch mehr als nachvollziehbar, dass Nalini letztlich doch zur Erkenntnis kommen muss, dass sie für eine neue Beziehung noch nicht bereit ist. Es war sicherlich auch gut, dass über die Staffel hinweg Nalini und Devi nicht so oft in Streitigkeiten geraten sind, wie noch in Staffel 1, denn das hat unterstrichen, dass die Beziehung der beiden tatsächlich gewachsen ist. Kamala (Richa Moorjani) wiederum agiert oft sehr isoliert von der Familie, was definitiv verbesserungswürdig ist. Aber dennoch war ihre eigenständige Geschichte im medizinischen Labor gut gewählt. Die schöne Cousine von Devi ist zwar schon von Anfang an als helles Köpfchen inszeniert worden, aber sie hat nicht das dementsprechende Selbstbewusstsein. Daher ist es schön beizuwohnen, wie sie sich schließlich selbst behauptet. Einzig die Entwicklung mit Prashant (Rushi Kota) war dann eher enttäuschend. Denn in Staffel 1 war es doch eine nette Wendung, dass Kamals Heiratskandidat genauso wenig wie sie an den Traditionen klebt. In dieser Staffel ist Prashant aber wirklich eine einzige Enttäuschung, weswegen es mehr als verständlich ist, dass Kamala vor ihm und seinen Eltern lieber geflüchtet ist.

Bei Fabiola und Eleanor ergibt sich wiederum ein sehr gegenteiliges Bild. Während es bei Ersterer gut gelungen ist einzufangen, wie schlimm Schubladendenken ist, weil sie weder ihrem Robotics-Team noch der queeren Freundesgruppe rund um Eve (Christina Kartchner) gerecht werden kann, wird es bei Eleanor eher bizarr. Mit Malcolm Stone (Tyler Alvarez) ist eine neue Figur eingeführt worden, was man sich auch wirklich hätte sparen können. Denn der ehemalige Disney-Star, dem sich Eleanor als Schauspielerin gleich eng verbunden sieht, ist ein echtes Ekelpaket. Zwar ist das Themenfeld einer toxischen Beziehung, was hiermit angesprochen werden soll, sicherlich sinnig, doch in dem Eiltempo, wie es abgearbeitet wurde, hätte man es sich auch sparen können, weil gerade Eleanor in ihrer Darstellung darunter gelitten hat. Ihren bis dato Freund Oliver (Martin Martinez) hat sie nämlich extra eiskalt abserviert und auch ihre Beziehung zu ihrem Vater Paul (Andrew Tinpo Lee) und ihrer Stiefmutter ist als sehr herablassend wahrzunehmen. Erst am Ende gibt es einen kleinen Flirt mit dem Classenclown schlechthin, Trent (Benjamin Norris). Hier muss man natürlich noch schauen, was daraus zu machen ist, aber ich finde auch die Idee gut, Trent mal mehr sein zu lassen.

Foto: Jaren Lewison, Maitreyi Ramakrishnan & Darren Barnet, Noch nie in meinem Leben ... (Never Have I Ever) - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Isabella B. Vosmikova/Netflix
Jaren Lewison, Maitreyi Ramakrishnan & Darren Barnet, Noch nie in meinem Leben ... (Never Have I Ever)
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"Noch nie in meinem Leben…" hat sicherlich das Liebesdreieck zwischen Devi, Ben und Paxton als zentrales Narrativ, da bietet Staffel 2 nicht viel anderes zu an. Während man sich bei Staffel 3 spätestens fragen muss, wie weit man das treiben kann, bis es nicht völlig nervig erscheint, so passt vieles in Staffel 2 noch, auch wenn es mit der Gewichtung nicht immer stimmig ist. Sicherlich ist die Produktion wieder bemüht, sowohl für Ben als auch für Paxton wichtige Momente zu schaffen, aber teilweise tauchen die Figuren zwischendurch auch völlig ab. Hier ist dann zu merken, dass es doch nicht so einfach ist, immer alles zufriedenstellend unter einen Hut zu bekommen. Dennoch muss ich der Serie lassen, dass es ihr gelingt, auch wirklich ein überzeugendes Liebesdreieck zu präsentieren. Während in anderen Produktionen solche Dreiecksgeschichten oft auch erzwungen ist, ist es hier definitiv zu verstehen, warum Devi sich hin- und hergerissen fühlt. Das wird sogar in dieser Staffel noch nachvollziehbarer, denn wo in Staffel 1 zunächst Paxton ohne Konkurrenz schien, kam Ben still und heimlich um die Ecke und hat seinem Widersacher noch den Rang abgelaufen. Staffel 2 geht zunächst damit los, Paxton wieder in die Ecke zu stellen, dass er zwar gut aussieht, ansonsten aber nicht viel anzubieten hat. Dabei gab es schon zuvor Ansätze mit seiner Schwester Rebecca (Lily D. Moore), die auch diesmal tatsächlich mehr ausgeleuchtet werden. Wir lernen Paxtons Eltern kennen, wir lernen aber vor allem seinen Großvater Ted (Clyde Kusatsu) kennen, was sicherlich der wichtigste Faktor ist, denn in ihm hat er einen wirklichen Förderer, der seinem Enkel alles zutraut. Paxton darf also in dieser Staffel definitiv die größte Wandlung durchmachen, für sich selbst, aber letztlich auch für Devi. Auch Ben darf trotz der eingeführten Aneesa (Megan Suri) immer wieder seine Moment mit Devi haben, aber bei ihm ist glaube ich auch entscheidender, dass er konsequent von seiner Snob-Blase fernbleibt und dass es nicht nur Devi ist, die ihn herausfordert. Zwar ist aus Aneesa sicherlich auch nicht das allerbeste herausgeholt worden, aber dennoch zeigt sich hier noch genug Potenzial für eine mögliche Staffel 3.

Was ich nun zum Abschluss aber deutlich kritisch sehe, ist die Tatsache des Erzählers. Während ich in Staffel 1 den Faktor von John McEnroe, der Devis Geschichte kommentiert, noch innovativ gefunden habe, hatte ich doch jetzt schon schnell den Eindruck, dass die Luft raus ist. Die Witze und Wortspiele haben längst nicht so scharf gesessen und ich hatte auch das Gefühl, dass es der Serie nichts Spezielles mehr mitgeben kann. Während in der ersten Staffel mit der letzten Episode, wo Devi in persona auf den ehemaligen Tennisspieler trifft, noch eine gewisse Verbindung gestaltet wurde, ist hier dann einfach nur die Frage: Was soll das Ganze noch? Durch die Paxton-Folge, die ursprünglich von Chrissy Teigen erzählt werden sollte, die aber wegen Mobbingvorwürfe gegen sich selbst zurückgezogen hat, ist mit Topmodel Gigi Hadid noch ein neuer Faktor hinzugekommen. Ich fand es auch extrem lustig, als sich Andy Samberg als Stimme von Ben noch einmal einschleicht, aber das ist für eine Staffel von zehn Episoden gesprochen dann doch zu wenig. Mir ist zwar bewusst, dass für Staffel 3 die Erzählstimme gewiss nicht gestrichen wird, aber für mich wird es eben leider zunehmend nervig statt unterhaltsam.

Fazit

"Noch nie in meinem Leben…" weiß auch in Staffel 2 mit kurzweiliger Unterhaltung zu überzeugen, doch tatsächlich treten die Schwächen diesmal deutlicher hervor. Die Neuzugänge sitzen beispielsweise kaum bis gar nicht, viele Figuren müssen zu deutlich hinter Devi und ihrem Liebesdreieck zurückstecken, der Kniff mit dem Erzähler hat schon seinen Reiz verloren und Devi bleibt einfach eine anstrengende Figur. Dennoch finde ich es auch grundlegend falsch, hier zu mahnend den Finger in die Wunde zu legen, denn "Noch nie in meinem Leben…" will gewiss keine Kritikerpreise abräumen. Hier soll vor allem unterhalten werden und aus der Geschichte heraus entsteht genug Witz, genug Situationskomik, aber auch mehr als genug ruhige und sensible Momente. Mit diesen Voraussetzungen darf es gerne auch in eine weitere Staffel gehen.

Lena Donth - myFanbase

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