Normal People - Review des Piloten
"Normal People" wird von Kritikern seit einigen Wochen als der Überraschungshit des Jahres 2020 gefeiert und doch wusste ich inhaltlich vorab nur sehr wenig über die Serie, die am 16. Juli 2020 endlich auch in Deutschland bei Starzplay an den Start ging. Sie spielt in Irland und zwei Jugendliche verlieben sich ineinander. Aber was ist nun das Besondere daran?
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Dominiert wird die erste Episode von gedeckten Grau-Blau-Grün-Tönen, die durch das scheinbar typische irische Regenwetter oder die öden Schuluniformen in den Fokus gerückt werden und die vielleicht das triste eintönige Leben der Hauptfiguren symbolisieren sollen. Fest steht, dass man hier nicht groß vom Wesentlichen abgelenkt wird und das ist die aufkeimende Beziehung von Marianne (Daisy Edgar-Jones) und Connell (Paul Mescal). Bevor wir dazu kommen – und das ist schneller als erwartet – werden uns diese beiden aus völlig unterschiedlichen Welten stammenden Charaktere und ihre Eigenheiten jedoch erstmal genauer vorgestellt.
Marianne ist eine Außenseiterin und klare Einzelgängerin, die nicht nur bei ihren Schülern aneckt, sondern auch die Autorität ihrer Lehrer in Frage stellt. Vom ersten Moment an hat man den Eindruck, dass sie es gar nicht erwarten kann, dass die Tage der Schulzeit endlich gezählt sind. Ihre Widerspenstigkeit mag dadurch begründet sein, dass ihre Mutter Anwältin ist oder dass sie es Leid ist, den hohen Erwartungen ihrer Mutter gerecht zu werden, ohne irgendeine Anerkennung dafür zu erhalten, dass sie zu den Jahrgangsbesten zählt. Marianne fühlt sich anderen intellektuell überlegen und kapselt sich deshalb ab, weil sie weiß, dass die Mitschüler sich darüber lustig machen, dass sie ihre Nase jede freie Minute in ein Buch steckt. Selbst ihr älterer Bruder zieht sie ununterbrochen auf und lässt sie deutlich merken, dass sie ihm nicht wichtig ist. Ihr Leben scheint sich jedoch zu ändern, als ihr Connell, der Sohn der Haushälterin, ins Auge fällt.
Auf den ersten Blick ist Connell das komplette Gegenteil von Marianne. Er ist sehr beliebt, umgibt sich immer mit Freunden und ist der Star der Gaelic-Football-Mannschaft. Schaut man genauer hin, fallen einem jedoch auch einige Gemeinsamkeiten auf. Er ist wie Marianne ein guter Schüler und scheinbar auch sehr belesen, was jedoch innerhalb der Welt seines Freundeskreises keine Bedeutung hat. Ihm imponiert Mariannes Verhalten gegenüber der Lehrerschaft und ihre Schlagfertigkeit gegenüber einigen Mitschülern, doch gleichzeitig bemerkt man auch seine Irritation darüber, denn er würde niemals so weit gehen, sie vor seinen Freunden in Schutz zu nehmen. Doch vom ersten Moment an, in dem Marianne und Connell gemeinsam auf dem Bildschirm auftauchen, spürt man eine gewisse Spannung zwischen ihnen. Sie beginnen sich zu beobachten und an den Nachmittagen, wenn Connell seine Mutter von der Arbeit abholt, auch miteinander zu unterhalten und er ist damit wohl der einzige Mensch in Mariannes Leben, der ernsthaft ein Gespräch mit ihr sucht und führen möchte. Connell beginnt zu verstehen, dass sich Marianne mit ihrer Abweisung gegenüber Mitschülern und Lehrern hinter einer Fassade versteckt, und er beginnt mehr in ihr zu sehen.
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Ohne große Umschweife gesteht Marianne Connell bereits nach wenigen Tagen, dass sie ihn mag und um alle Missverständnisse auszuräumen, hakt Connell kurz danach noch mal nach, was sie damit genau gemeint hat. Die beiden beginnen relativ offen über ihre Gefühle und ihre Situation zu sprechen. Für jemanden wie Marianne ist das ein riesiger Schritt, hat sie doch bisher - vielleicht auch gezwungenermaßen - nur in ihrer eigenen Welt gelebt. Nun ist da jemand, der sie anständig behandelt und tatsächlich wahrnimmt und nicht nur, weil sie einem Lehrer einen unangebrachten Spruch um die Ohren gehauen hat. Auch Connell ist sichtlich fasziniert von ihr und obwohl er seinen Gefühlen ebenfalls nachgibt und sie küsst, wirkt er gleichzeitig irritiert über sich selbst, da sie so offensichtlich nicht in seine Welt passt. In seinem Kopf geht er in diesen ersten Momenten, in denen sie sich annähern, bereits durch, wie seine Freunde das Ganze aufnehmen würden, und zögert, weshalb sie sich sogleich darauf einigen, dass es ein Geheimnis bleiben soll.
Der erste Kuss zwischen den beiden kommt für den Zuschauer überraschend früh und auch die beiden Hauptfiguren kommentieren ihn sogleich lachend und ein bisschen peinlich berührt. Dennoch hat das Ganze nichts klischeebehaftetes, es wirkt viel eher so, als würden die beiden die Situation, in der sie sich nun befinden, relativ rational analysieren. Sie reflektieren ihre Gefühle und handeln schließlich danach, obwohl man gleichzeitig den Eindruck hat, dass sie von dem Moment auch ein wenig überrumpelt werden. 30 Minuten zuvor haben wir Zuschauer die Figuren erst kennen gelernt und normalerweise wird ein solches "Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?"-Spiel doch über mehrere Episoden manchmal sogar Staffeln ausgekostet. "Normal People" verschwendet hier wirklich keine Zeit und dennoch fühlt es sich nicht überhastet an. Es ist süß und vielleicht ein wenig befremdlich, genau wie das nun mal ist, wenn zwei Personen sich das erste Mal küssen. Befremdlich deswegen, weil sie sich gar nicht wie zwei verliebte Teenager verhalten, sondern alles so rational angehen und versuchen, ihre Gefühle im Zaum zu halten, was auch die folgenden Gespräche zeigen. Das Ganze wirkt ehrlich und nicht zu perfekt, wie es sonst fast jede Teenie-Serie aussehen lässt. Ein wenig fühlte ich mich an die Serie "Dawson's Creek" erinnert, der man ebenfalls nachsagt, dass sich die Jugendlichen mit ihren philosophischen Gesprächen sehr erwachsen verhalten hätten. Dennoch ist "Normal People" auch komplett anders, da vieles unausgesprochen bleibt und die Blicke und Handlungen zwischen Marianne und Connell für sich sprechen. Und die Blicke haben es wirklich in sich – lang und intensiv blicken sie einander in die Augen und scheinen die Gedanken des anderen lesen zu können.
Abseits von Marianne und Connell bleiben die anderen Figuren der Serie noch relativ blass. Hier hat mir besonders Connells Mutter Lorraine (Sarah Greene) gut gefallen, auch wenn sie bisher nur kurz auftauchte. Es scheint mir aber, als hätte Marianne einen guten Draht zu ihr und als würde Lorraine sie so annehmen, wie sie ist. Im Vergleich dazu wirkt Mariannes eigene Mutter wirklich eiskalt, deshalb ist es schön, dass sie so vielleicht noch eine Vertrauensperson in ihrem Leben hat. Abseits davon sind die anderen Schüler noch relativ oberflächlich gezeichnet. Es ist aber auch die Frage, ob es sie wirklich benötigt. Daisy Edgar-Jones und Paul Mescal sind die einzigen Hauptdarsteller von "Normal People" und zumindest Episode 1 zeigt, dass sie diese Serie in dieser Form auch alleine tragen können. Natürlich wird aber auch das Wechselspiel mit anderen Figuren, wie Connells Freunden oder den Müttern wohl noch eine Rolle spielen, denn man merkt schon in dieser ersten Folge, dass ihr Handeln auch sehr stark von anderen geprägt ist.
Fazit
Es braucht nicht viel mehr als Marianne und Connell, um diese Geschichte zu erzählen und die Beziehung, die sich zwischen den beiden entwickelt, zieht einen ab der ersten Minute in den Bann. Ob man diese Konstellation aber über eine ganze Staffel spannend erzählen kann, bleibt für mich noch abzuwarten. So schnell, wie sich die Dinge in Episode 1 entwickelt haben und da Connell sich auch wünscht, dass diese mögliche Beziehung ein Geheimnis bleibt, frage ich mich schon, wie lange das gut gehen kann.
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Catherine Bühnsack - myFanbase
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