Parallel Me - Review des Piloten

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Mit "Parallel Me" präsentiert der Streamingdienst Paramount+ eine weitere deutsche Eigenproduktion, die von der "Bad Banks"-Autorin Jana Burbach entwickelt wurde. Im Fokus der Handlung steht die Change-Managerin Antonia 'Toni' Falk (Malaya Stern Takeda), die nach einem missglückten Pitch in Dubai ihren Job verliert und sich erstmal bei ihrer besten Freundin Bea Laverde (Larissa Sirah Herden) und ihrer Familie wieder aufmuntern lassen möchte. Doch Toni ist in den vergangenen Jahren so viel um die Welt gereist, dass sie ihre Beziehungen komplett vernachlässigt hat. So wird sie also nicht freudestrahlend empfangen, sondern bekommt ihre Freundschaft aufgekündigt und hat nicht mal mehr ein Kinderzimmer, in das sie sich zurückziehen kann, da ihre Eltern daraus mittlerweile ihre Heimsauna gemacht haben. Toni ist am Boden und wird schnell mit der Frage konfrontiert, was sie in ihrem Leben falsch gemacht hat, um nun an diesem Tiefpunkt angekommen zu sein.

Foto: Malaya Stern Takeda, Parallel Me - Copyright: Krzysztof Wiktor/Paramount+
Malaya Stern Takeda, Parallel Me
© Krzysztof Wiktor/Paramount+

Hat das nicht schon jede*r von uns mal erlebt? Wenn's kommt, dann so richtig? Man hat das Gefühl gar nicht mehr durchatmen zu können, da bahnt sich bereits die nächste Katastrophe an. Toni wird mit den Konsequenzen ihres Handelns in nur wenigen Stunden konfrontiert. Dabei hat sie auf den ersten Blick doch eigentlich nichts falsch gemacht. Sie wollte eine tolle Karriere haben und hat dafür einige Opfer bringen müssen. Nur war ihr vielleicht gar nicht bewusst, wie groß diese Opfer tatsächlich waren. Da wäre zum einen ihre eigene Gesundheit: Sie hatte seit Jahren keinen freien Tag mehr, weiß manchmal nicht mal mehr, welcher Tag es ist oder an welchem Ort sie sich eigentlich befindet. Entsprechend unkonzentriert ist sie bei der Arbeit, weshalb sich Fehler einschleichen. Zum anderen opfert sie für ihre Arbeit ihre Beziehungen. Mit der Familie gibt es einen kurzen Facetime-Anruf zu Weihnachten, ihr letzter Freund ist inzwischen Vater geworden und ihre beste Freundin hat es satt, dass es immer nur um Tonis Probleme geht. Erst als ihr knallhart vor Augen geführt wird, dass sie niemand mehr in seinem oder ihrem Leben braucht, wird ihr klar, wie einsam sie tatsächlich ist, und wie sehr ihr alles über den Kopf gewachsen ist.

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Man kann sich nur vorstellen, wie ein Leben mit Toni in den letzten Jahren ausgesehen hat, wenn man sieht, wie distanziert alle auf sie reagieren. Für Toni ist es ein nach Hause kommen, die Rückkehr in die Heimat, in der sie sich geborgen fühlt und wo sie von ihrem stressigen Alltag abschalten kann. Für alle anderen ist das Leben dort aber während ihrer Abwesenheit weitergegangen. Sie haben ihr eigenes Leben, ihre eigenen Probleme - wie sich herausstellt, hat Toni sich dafür bisher auch nicht sonderlich interessiert. In dem Moment, wo sie ihr heiles Umfeld also am meisten brauchen könnte, zeigt es ihr auf, was es heißt "im Stich gelassen zu werden". Natürlich empfindet man mit ihr Mitleid, da man sieht, wie ihr nach und nach der Boden unter den Füßen weggerissen wird, aber man wird auch immer wieder daran erinnert, dass sich Toni dieses Loch selbst geschaufelt hat.

Foto: Maria Schrader & Malaya Stern Takeda, Parallel Me - Copyright: Krzysztof Wiktor/Paramount+
Maria Schrader & Malaya Stern Takeda, Parallel Me
© Krzysztof Wiktor/Paramount+

Dann sucht Toni einen Ort auf, der sie mit Erinnerungen an ihre Kindheit und eine vielleicht glücklichere Zeit durchflutet - den Lagerraum, in dem ihre Eltern ihre Sachen deponiert haben, um die Sauna in ihrem Zimmer einbauen zu können. Umgeben von alten Spielsachen und Fotos wird Toni sentimental und stellt sich wohl nicht zum ersten Mal an diesem Abend die Frage: "Was wäre, wenn...?" In diesem Moment taucht plötzlich eine Frau bei ihr auf, die erstaunlich viel über Tonis Leben weiß. Ariadne (Maria Schrader) gibt vor, teils göttlich und teils menschlich zu sein, und übergibt Toni einen magischen Schal. Wenn sie diesen aufribbelt, hat sie die Möglichkeit, in Parallelwelten zu reisen, um zu sehen, wie ihr Leben hätte aussehen können, hätte sie sich an dem ein oder anderen Zeitpunkt anders entschieden. Da das reichlich verrückt klingt und in Berlin nicht nur in der Silvesternacht so manch skurrile Persönlichkeit herumläuft, wäre es wohl kein Wunder, wenn nichts geschehen wäre, als Toni beginnt den Schal aufzuribbeln. Sie tut es aber, vielleicht auch um diese scheinbar verrückte und leicht aufdringliche Ariadne loszuwerden, und ist dann doch überrascht, als sie in eine andere Welt fällt. Eine Welt, die sie sich zwei Jahre zuvor mit ihrer Freundin Bea ausgemalt hat. Damals waren sie gemeinsam im Urlaub auf Bali und haben die Idee durchgespielt, dort eine Surf- und Segelschule zu eröffnen. Das ist in dieser parallelen Version von Tonis Leben inzwischen Realität geworden, auch wenn Toni sich an nichts erinnern kann. Zwar begreift sie recht schnell, dass Ariadnes Geschichte wahr geworden ist, aber sich mal eben in einem anderen Leben zurechtzufinden, geht eben nicht von jetzt auf gleich. Natürlich fällt Bea auf, dass mit Toni etwas nicht stimmt, aber durch den Kenterunfall gibt es zumindest die Erklärung einer leichten Gehirnerschütterung für Tonis seltsames Verhalten. Aus Zuschauersicht ist es schön zu sehen, wie Toni Glück und sowas wie Erleichterung über das einfache Leben auf Bali empfindet. Doch es dauert nicht lang, bis sie erkennt, dass wohl auch die Toni dieser Parallelwelt sich in diesem einfachen Leben irgendwann gelangweilt hat und Größeres anstrebte. Es kann also gut sein, dass Toni zu einem Zeitpunkt in dieses Leben eingetaucht ist, als es ebenfalls auf der Kippe stand, in sich zusammen zu fallen. Da sie sich den Konsequenzen diesmal aber nicht stellt, sondern mithilfe des Schals direkt in die nächste Version ihrerselbst schlüpft, werden wir wohl nicht erfahren, wie es für die Bali-Toni ausgegangen wäre.

Foto: Larissa Sirah Herden & Malaya Stern Takeda, Parallel Me - Copyright: Sucheep 'Jack' Homsuwan/Paramount+
Larissa Sirah Herden & Malaya Stern Takeda, Parallel Me
© Sucheep 'Jack' Homsuwan/Paramount+

"Parallel Me" befasst sich schon in dieser ersten Episode mit dem Kern-Thema "Work-Life-Balance", wobei die Waage bei Toni eindeutig in Richtung "Work" und weniger in Richtung "Life" ausgeschlagen hat. Gerade in den letzten Jahren rückt das Thema mentale Gesundheit immer mehr in den Fokus. Toni ist ein Paradebeispiel dafür, wie man sich völlig verrennen kann, obwohl man doch eigentlich nur seinen Traum verfolgt. Was löst Stress in einer Person aus und welchen Einfluss hat das auch auf die Personen im Umfeld? Wenn man bedenkt, dass rund 20% der erwerbstätigen Deutschen unter Burnout-Symptomen leiden, ist das ein riesiges gesellschaftliches Thema, über das aber kaum gesprochen wird. Dabei nehmen die Zahlen in der jungen Generation Z sogar noch zu. Es ist also an der Zeit, dass man sich auch in fiktionalisierter Form mal den Auslösern und verschiedenen Aspekten dieser Krankheit nähert und vielleicht sogar einen Lösungsweg aufzeigt. Das ist nach einer Episode natürlich nur schwer zu sagen, aber eine Tendenz scheint erkennbar. Denn ein weiterer Punkt von "Parallel Me" ist die Frage, was es mit einem Menschen macht, wenn man keine Heimat mehr hat? Wenn nicht mal die engsten Vertrauten, wie die Familie oder die engsten Freund*innen, einem das Gefühl von Heimat und Geborgenheit geben können, das man so dringend benötigt, um den Stress zu bewältigen? Im Fall von Toni muss man wohl zu dem Schluss kommen, dass sie erstmal zu sich selbst finden muss, um ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Wie möchte sie sich selbst sehen, bevor sie versucht, der Welt um sich herum gerecht zu werden? Was ist ihr in ihrem Leben wirklich wichtig? Bisher schien es ihre Karriere zu sein, aber wenn man die wegnimmt, was bleibt dann noch? Die Serie suggeriert, dass der berufliche Erfolg alleine nicht glücklich machen kann - zumal er in Tonis Fall auch schnell verpufft ist. Aber kann man diese Energie und Leidenschaft, die sie mal für ihren Beruf aufgebracht hat, auch in etwas Positives umwandeln, ohne dass dabei die Beziehungen zu ihren wichtigsten Mitmenschen zerstört werden? Das ist etwas, was ich mir für die kommenden Folgen erhoffe.

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Fazit

Wahrscheinlich war jede*r von uns schon mal an dem Punkt, an dem man sich die Frage gestellt hat, wie das Leben aussehen würde, hätte man sich zum Zeitpunkt X anders entschieden. Wäre dieses alternative Leben wirklich besser oder denkt man nur, dass das Gras auf der anderen Seite wirklich grüner ist? "Parallel Me" führt vor Augen, dass die Parallelwelten auf den ersten Blick vielleicht rosig erscheinen, doch auch sie ihre Makel haben und man sich manchmal schneller zurück in das alte Leben wünscht als man denken würde. Statt sich also "Was wäre, wenn...?" zu fragen, sollte man sich vielleicht eher fragen, was man an sich oder seinem Leben so verändern muss, dass man damit glücklich ist. Ich bin gespannt, wann Toni zu dieser Erkenntnis kommt und welche Abenteuer sie in ihren parallelen Lebenswelten noch erlebt.

Die Serie "Parallel Me" ansehen:

Catherine Bühnsack - myFanbase

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