Primo - Review Staffel 1

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Als bei Freevee die Sitcom "Primo" angekündigt worden ist, war ich zugegebenermaßen erst etwas skeptisch. Sitcoms sind bei mir einfach ein Genre, wo es ganz toll, aber auch ganz schlimm werden kann. Das gilt natürlich auch für andere Genres, aber dennoch habe ich speziell bei Sitcoms, oder etwas allgemeiner formuliert Comedyserien, immer extrem das Gefühl, dass vor allem die erste Episode entscheidet, ob das was werden kann oder eher so gar nicht. Das hat mich über die Zeit hinweg in dem Genre auch vorsichtiger werden lassen, weswegen sich "Primo" erstmal weiter hinten einreihen musste. Nachdem ich aber erste zufriedene Stimmen gehört habe, sind meine Gedanken aufgrund der kulturellen Parallelen zu "One Day at a Time" gewandert, ob ich vielleicht ein solches Kaliber zu erwarten habe. Das war am Ende nur bedingt der Fall, enttäuscht war ich dennoch nicht.

Foto: Primo - Copyright: Jeff Neumann/Amazon Freevee
Primo
© Jeff Neumann/Amazon Freevee

Der Bechdel-Test ist mir erstmals im Studium begegnet und ich musste sofort an ihn denken, als ich die erste Episode von "Primo" gesehen habe. Unglaublich viele männliche Rollen! Die Serie besteht den Test trotzdem und das vor allem, weil sich die beiden wichtigsten Frauenrollen, Andrea (Christina Vidal) und Mya (Stakiah Lynn Washington), sehr gut zu behaupten wissen. Aber es ist eben auch so, dass das Konzept der Serie erst aufgeht, wenn Rafa (Ignacio Diaz-Silverio) eben mit gleich fünf Onkeln aufwächst, die bei seiner alleinerziehenden Mutter zwar nicht wohnen, aber dennoch ein- und ausgehen. Sehr, sehr viel männlicher Einfluss, was im späteren Verlauf Rafas unglücklichen Umgang mit Mya erklärt. Aber eben auch viel männlicher Einfluss, um ihm den Vater zu ersetzen und das eben mit höchst unterschiedlichen Typen. Denn eine Familie, ja vielleicht, aber man hat doch selten so viele unterschiedliche Charaktere gesehen, die sich auch noch Brüder nennen. Genau das war eben auch das Prickelnde, weil die Brüder untereinander immer Lager gebildet haben, oder aber immer eine ganz eigene Position vertraten, die sie dann alle Rafa angetragen haben, der sich dann völlig überfordert fragen musste, was für ihn der passende Weg ist. Das ist ohnehin die große Thematik der Serie. Rafa steckt mitten in der Pubertät und muss seinen eigenen Weg erst noch finden. Das macht ihn für seine drei Onkel natürlich sehr beeinflussbar. Deswegen erleben wir auch immer einen neuen Rafa, aber über den Verlauf des Jahres hinweg, was durch die acht Episoden erzählt wird, ist zunehmend zu bemerken, dass er seine eigene Persönlichkeit findet und zunehmend auf Anhieb Entscheidungen aus dem eigenen Bauch heraus trifft. Man merkt also, das Konzept brauchte so geballte Manpower, aber es funktioniert wirklich gut.

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Dennoch war es mit "Primo" keine Liebe auf den ersten Blick. In der ersten Episode werden nämlich stark Drea und Rafa auf der einen Seite und die fünf Onkel auf der anderen Seite gegeneinander ausgespielt. Dabei wirkten die fünf dann leider doch sehr dumm. Ich muss das mal so plump sagen, denn ich hatte wirklich den Eindruck, dass sie sich ständig auch noch in ihrer Dummheit überbieten mussten. Das ist für mich normalerweise in Sitcoms ein Knackpunkt, denn nur einfältige und eindimensionale Figuren, da kann ich nichts mit anfangen und da kann ich auch nicht drüber lachen. Daher war diese erste Episode schon eine Herausforderung, das kann ich nicht anders sagen, aber es lohnt sich am Ball zu bleiben, weil das immer weiter aufgebrochen wird. Ja, Drea bleibt die große Schwester, die alle sehr gut im Griff hat und damit automatisch viel weiser und überlegener wirkt und ja, Rafa hat eine möglicherweise große Zukunft für sich, aber viel entscheidender ist, dass es am Ende keine fünf dummen Gonzales-Brüder sind, sondern Individualisten, die immer mehr Tiefe bekommen. Am Ende sind Mike (Henri Esteve) und Rollie (Johnny Rey Diaz) immer noch nicht die hellsten Kerzen auf dem Kuchen, aber man hat sie dennoch längst lieb gewonnen. Ansonsten werden vor allem Ryan (Carlos Santos) und Jay (Jonathan Medina) gegeneinander positioniert. Der erste der Einzige mit einem Diplom (wenn auch selbst ausgedruckt), der mit dem gesündesten Verhältnis zu Geld und der zweite der hart arbeitende Handwerker, der eine eigene Familie gegründet hat und der klassische Arbeiter mit den Händen ist. Die beiden sind über den Verlauf der Staffel hinweg die dominantesten Brüder und sie bringen Rafa öfters in die Mitte ihres Disputs hinein. Der Kleber – neben Drea – ist dann vor allem Mondo (Efrain Villa), ein Pazifist, wie er im Buche steht, der von Liebe und Mitmenschlichkeit predigt und herrliche Phallus-Statuen aus Holz anfertigt.

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Am Ende ist es wirklich ein Haufen, wo man zu jedem Onkel ein ganz eigenes Bild bekommt. Auch wenn man manche Kombinationen untereinander öfters sieht als andere. Man merkt der Produktion das Bemühen an, immer wieder neuen Wind reinzubringen und so eben auch neue Seiten der Brüder aufzuzeigen. Am besten bleibt dann aber dennoch, wenn sie sich manchmal freiwillig, manchmal gezwungenermaßen zusammenschließen. Zusammen entwickeln sie eine ganz eigene Dynamik, die immer wieder neu unterhaltsam ist. Gegenüber diesem Haufen an Männern ist klar, dass Drea eine sehr widerstandsfähige Frau sein muss und das ist sie. In der Derbheit ihrer Brüder steht sie ihnen oft genug in Nichts nach und es ist klar, dass sie ganz klar die Hosen der gesamten Familie anhat. Sie hat aber auch mit ihnen und vor allem mit Rafa eine sehr liebevolle Seite. Sie ist die beste Unterstützerin, die man sich in der eigenen Fanecke nur wünschen kann, aber als Feindin will man sie genauso wenig haben. Für eine mögliche zweite Staffel würde ich mir wohl wünschen, dass sie mal an ihre Grenzen getrieben wird, weil sie immer über allem steht, aber als eine so verdammt coole Präsenz habe ich sie auch gerne auf meinem Bildschirm gesehen.

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Gegenüber diesen erwachsenen Figuren hat Rafa aber gleichaltrige Kumpanen, die auch eine ganz eigene Dynamik miteinander entwickeln. Rafa hat da schon ewig seine beiden besten Kumpels Miguel (Martin Martinez) und Harris (Nigel Siwabessy), die ebenfalls sehr unterschiedliche Geschichte haben, aber dennoch eng zusammenhalten. Rafas Gefühle für Mya, die dafür sorgen, dass sie immer öfters Teil der Gruppe ist, verändert die Dynamik natürlich. Aber es ist toll, dass Miguel und Harris für die beiden als Paar auch kämpfen und oft hilflos mitansehen müssen, wie naiv und unsicher sich Rafa verhält. Zudem kennen die beiden Jungs die Onkel schon bestens, weswegen sie besten Verbündeten sind, damit Mya nicht gleich die ganze Ladung auf einmal erleben muss und dadurch abgeschreckt wird. Andererseits ist Mya eben keine Figur, die man in Watte packen muss. Ähnlich wie Drea kennt sie schon in jungen Jahren ihren Platz in der Welt. Da ihr Vater Steve (Darien Sills-Evans) bei der Air-Force ist, ist die Familie schon von Land zu Land, von Bundesstaat zu Bundesstaat getingelt. Mya ist es gewohnt, keine langfristigen Beziehungen einzugehen, weil sie eh von dort weggerissen wird, aber dadurch hat sie auch gelernt, aus dem Moment das Beste zu machen. Ich finde ihre gemeinsame Geschichte mit Rafa wirklich sehr süß erzählt, weil sie sich auch über ein Jahr hinweg entwickelt und somit nichts überstürzt erzählt wird. Aber es ist nicht nur die erste große Liebe, die für die Jugendlichen die Geschehnisse prägen, sondern auch Zukunftsperspektiven, wobei speziell Diskussion, College – ja oder nein? – sehr intensiv beleuchtet wird.

Ich hatte zwischendurch den Humor angesprochen, dem ich erst etwas skeptisch gegenüberstand, aber es waren nicht nur die Figurenentwicklungen, die mich rumgekriegt haben, sondern auch die einzelnen Episoden, die es wirklich jedes Mal geschafft haben, irgendwann mitten ins Herz zu treffen. Der dargebotene Konflikt konnte noch so seltsam erst erscheinen, am Ende kommt doch wieder was Verrücktes um die Ecke, was dann die emotionale Ausgestaltung bestimmt und schon stimmt die Rezeptur. Nur ein Beispiel: Ryan und Jay zerstören ein Regal in Dreas Wohnzimmer, doch sie will nicht einfach ein neues Ikea-Regal gekauft und aufgebaut haben, sie will das alte Regal, mit allem an seinem alten Platz, haben. Was die Brüder als absurd abtun, entpuppt sich schließlich als emotionale Gedenkstätte, denn jeder Bruder hat sein Regalbrett, wo Drea alles positioniert hat, was sie über die Jahrzehnte hinweg geschenkt bekommen oder gesammelt hat. Sie kann sich von den Jungs und später Männern noch so oft in den Wahnsinn getrieben gefühlt haben, sie liebt sie dennoch alle. Nun hatte ich anfangs auch "One Day at a Time" angesprochen und einen Vergleich abgelehnt. Dennoch gibt es natürlich Parallelen und die Balance aus Humor und was fürs Herz ist sicherlich die deutlichste. Was mir aber definitiv gefehlt hat, das war eine stärkere kulturelle Ebene. "One Day at a Time" hat es immer wieder berührend geschafft, typische Themen der lateinamerikanischen Kultur zu verarbeiten und das hätte ich mir als deutlicheren Bestandteil bei "Primo" auch gut vorstellen können, weil Familie Gonzales ihre Wurzeln eben in Mexiko hat. Das ist aber möglicherweise etwas, was man sich für Staffel 2 auf die Fahne schreiben kann.

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Fazit

Amazons kostenloser Streamingdienst Freevee hat so einige Schätzchen im Angebot. Nach "Bosch: Legacy" und "Jury Duty", die mich beide sehr überzeugt haben, darf sich auch "Primo" als Gewinner fühlen. Es ist eine Sitcom geworden, die sowohl übertrieben derb funktioniert, aber genauso auch immer das Herz anspricht. Im Grunde ist man selbst nachher Teil von Familie Gonzales und verzweifelt und erfreut sich gleichermaßen an gleich fünf Onkeln. Und Leute, mit zweimal 90 Sekunden Werbung könnt ihr alle kostenlos zuschlagen, weswegen es unbedingt einen Einschalttipp wert sein sollte!

Die Serie "Primo" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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