Queen Charlotte: Eine Bridgerton-Geschichte - Review Staffel 1
Schon in meinem Beitrag für die vielversprechendsten Neustarts im zweiten Quartal 2023 habe ich eine gewisse Skepsis gegenüber dem Prequel "Queen Charlotte: Eine Bridgerton-Geschichte" anklingen lassen, aber diese war eben auch stets mit einer Faszination verbunden. Gerade auch weil Shonda Rhimes selbst bei den sechs Episoden intensiv beigetragen hat, versprach mir das, dass sie sich als Serienschöpferin wirklich innig mit einer Handvoll Charaktere auseinandersetzen will, die zwar auch schon in der Mutterserie "Bridgerton" ihre Duftmarke hinterlassen durften, die aber durch so ein Serienformat natürlich noch einmal einen ganz anderen Raum zum Entfalten geschenkt bekommen. Ob "Queen Charlotte" nun für alle "Bridgerton"-Fans ein Muss ist, das erfahrt ihr nachfolgend.
© 2023 Netflix, Inc.; Liam Daniel/Netflix
Ich fange gerne mit den Aspekten an, die in meinen Augen kleinere Störfaktoren waren. Die Serie ist auf zwei Zeitebenen erzählt. Das ist zunächst eine logische Folge, denn durch die Gegenwart kann das Geschehen auf der Ebene verankert werden, die wir aus "Bridgerton" kennen und so können eben auch Golda Rusheuvel, Adjoa Andoh und Ruth Gemmell auf dem Bildschirm erscheinen. Dennoch ist der Hauptfokus des Prequels die Liebesgeschichte der jungen Prinzessin Charlotte (India Amarteifio), die an der Seite von George (Corey Mylchreest) zur Königin von England wird. Diesen Hauptfokus merkt man nun deutlich. Ich darf aber schon verraten, dass der Hauptfokus sehr gut gelungen ist, weswegen ich doch sehr glücklich bin, aber deswegen kann ich das aus der Gegenwart nicht einfach außer Acht lassen. Ich hatte mich vorher schon gefragt, was wohl in der Gegenwart für die drei Damen erzählt wird und man muss einfach festhalten, dass das nicht viel war und wenn dann auch noch recht absurd. Charlotte und George (James Fleet) haben insgesamt 15 Kinder bekommen (wovon es drei nie ins Erwachsenenalter geschafft haben), doch scheinbar scheint keiner in der Lage zu sein, anständig zu heiraten und Erben zu zeugen. Auch wenn die Kinderanzahl sowie wenige Ehen und königliche Erben historisch korrekt sind, so ist in der fiktiven Umsetzung für die Serie deutlich zu merken, dass hier mit Humor gearbeitet werden soll. Dennoch ist das einfach absurd, wie wir Charlotte bei "Bridgerton" kennengelernt haben, wo sie sich als Vermittlerin der Liebe gibt, aber im eigenen Haushalt bekommt sie nichts hin. Dieser ganze Handlungsbogen wirkt sehr forciert und übertrieben, zumal die Darstellung der Königskinder auch nicht unbedingt sympathisch ist. Gerade wenn man parallel eine mitreißende Liebesgeschichte präsentiert bekommt, dann will das auf Romantik gepolte Hirn wohl einfach etwas anderes erleben. Dennoch wird es nach hinten heraus besser, denn Charlotte wird zunehmend als Mutter hinterfragt, weil sie zu sehr Königin angesichts des Zustandes ihres Mannes war. Auch wenn die Serie hier nicht wirklich tief geht, so sind es doch Rusheuvels stärkste Momente. Sie hat sich ewig eingeredet, eine gute Mutter zu sein, aber die Überzeugung erlangt Risse und sie muss sich ganz neu positionieren.
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Violet Bridgerton und Lady Danbury sind in der Gegenwart etwas isoliert davon, aber dennoch ergibt das Prequel an der Stelle Sinn, wo es zwischen den drei Frauenfiguren eine Parallele zieht. Auch wenn Charlotte faktisch noch keine Witwe ist, so ist sie dennoch so einsam wie die anderen beiden. Während die Königin sich aber mit der Erbenthematik herumschlägt, formen die anderen beiden eine innigere Freundschaft. Spätestens hier wird auch ganz entscheidend wichtig, was parallel in der Vergangenheit für sie beide passiert. Auch wenn die junge Violet Ledger (Connie Jenkins-Greig) eine nur sehr kleine Rolle spielt, aber wir schon den Eindruck einer sehr sympathischen Jugendlichen bekommen, so ist ihre bislang unbekannte Verbindung zu einer jungen Agatha Danbury (Arsema Thomas) sicherlich die größte Überraschung dieses Prequels. Dennoch bleiben die Handlungen in der Gegenwart eher blass. Es ist nett und ich mag einfach die ruhige Ausstrahlung der Darstellerinnen, aber bricht man runter, was sich in den sechs Episoden speziell bei Violet und Lady Danbury ereignet, dann ist das nicht besonders viel.
© 2023 Netflix, Inc.; Nick Wall/Netflix
Tauchen wir also ein in die Vergangenheit und hier geht das Lob zunächst ans Casting. Speziell Amarteifio als die junge Königin ist wirklich grandios besetzt worden, weil ich ihren älteren Gegenpart ständig vor Augen hatte. Aber auch Thomas als junge Agatha ist sehr gelungen. Vielleicht nicht unbedingt aus optischen Gründen, aber auf jeden Fall durch die Stärke, die sie verkörpert, weil man so schon die Frau erahnen kann, die für jeden einen Spruch parat hat und alles immer schon vor allen anderen durchschaut. Ich muss ja leider gestehen, dass Butler Brimsley (Hugh Sachs) mir in "Bridgerton" nicht so ins Auge gefallen ist, aber der Fehler wird mir nie mehr passieren, dank des großartigen Sam Clemmetts als jüngere Version. Auch hier ist es nicht die Optik, die die Verbindung herstellt, sondern die Art und Brimsley wird in der Vergangenheit grandios in Szene gesetzt. Für mich war er solo betrachtet die größte Entdeckung. Mit dem Loben könnte ich jetzt noch ewig weitermachen, denn es ist ohne Frage so, dass ich mich von allem sehr gut unterhalten gefühlt habe. Vor allem gibt es in diesem Prequel auch einen insgesamt kleineren Cast, was ich sehr genossen habe, weil man so alle gut kennenlernen konnte und das hat den einzelnen Teilhandlungen mehr Tiefe gegeben.
Die von Julia Quinn erschaffene literarische Welt lebt von den Liebesgeschichten. Die Geschichte von Charlotte und George hat sie nie zu Papier gebracht, so dass es ganz alleine Rhimes' Erfindung ist. In Staffel 1 von "Bridgerton" gab es schon Andeutungen, was los ist, aber ihr ist es wunderbar gelungen, die Lücken zu füllen und drum herum etwas Größeres zu gestalten, was trotz der Tragik, die damit auch verbunden ist, das Herz berührt. Entscheidend für die Liebesgeschichte ist die erste Begegnung im Garten, als Charlotte über die Mauer fliehen will. Es ist die erste Szene, die die beiden Figuren zusammenbringt und sie ist wirklich unfassbar wichtig. Denn danach folgt trotz der sprühenden Funken kein sofortiges Happyend, sondern es wird steinig und schwer. Für uns Zuschauer*innen bleibt durch all das hindurch dieser Moment der Anker, weil wir dort alle etwas gesehen haben, was für die Ewigkeit ist. Ich fand es aber lobenswert, dass es hier eine Geschichte gibt, die durch große Tiefen geführt wird, die viel Schmerz auslöst und die man sich trotz Vorliebe für Romantik sehr gerne anschaut, weil sie vielleicht dadurch auch erst richtig echt wird. Speziell begeistert hat mich auch die Darstellung von Georges Zustand. Mylchreest hat diesen jungen Mann, der zwischen den Welten wandelt, wirklich berührend dargestellt. Ich fand es aber auch authentisch, dass der Umgang mit mentaler Gesundheit der Zeit entsprechend dargestellt wird. George geht eben nicht in Therapie und es gibt noch keine Chemiekeulen, die ihn in Balance halten. Also durchläuft er sein Leben lang schon einen Ärztemarathon, bis Monro (Guy Henry) auftaucht, der mit wahrlich abartigen Methoden den Durchbruch versucht. Es ist hilfreich, dass die komplette vierte Episode Georges Sichtweise darlegt, weil es die Handlung in den genau richtigen Aspekten ergänzt. Bei Charlotte wiederum passt es, dass sie eine unerbittliche Naivität für die Krankheit an den Tag legt und überzeugt ist, dass ihn alleine die Liebe rettet. Man mag manchmal den Kopf schütteln, weil man weiß, das wird nicht reichen, aber alleine ihr daraus entsprungene Loyalität und Treue sind wiederum ein Geschenk, weswegen man weiß, sie sind wirklich füreinander geschaffen, weil es diesen einen Moment im Garten gab. Meinen Tränen liefen daher auch endgültig, als ganz am Ende auch in der Gegenwart der Bogen dazu geschlagen wurde. An dieser Mauer hat sich die Geschichte entschieden und beide Figuren wissen es ganz genau.
© 2023 Netflix, Inc.; Nick Wall/Netflix
Eng mit dieser Liebesgeschichte ist auch die heimliche Affäre von Brimsley zu Reynolds (Freddie Dennis), dem Butler von George, verbunden. Das war wirklich ein nettes kleines Gimmick, weil die beiden eben entscheidend von der Geschichte ihrer Herrschaften abhängig waren. Waren die beiden auf den Wohnsitzen getrennt, konnten sie sich eben nicht sehen. Waren sie dann auf einem Wohnsitz, dann war es nicht automatisch einfach, denn zu viele Geheimnisse und die jeweilige Loyalität zu Königin oder König haben auch noch eine Rolle gespielt. Aber es war eben vor allem Brimsley selbst, der mein Herz erobert hat. Seine Tänzchen mit Charlotte wegen der fünf Fuß Abstand – herrlich! Dann auch seine Pflicht gegenüber Zwergspitz PomPom, was irgendwo zwischen ehrlicher Zuneigung und lästiger Zusatzaufgabe anzusiedeln ist, herrlich! Aber dann natürlich auch alles, was er mit Charlotte so erlebt, wenn sie von Agatha Zeichnungen zum sexuellen Akt gemalt bekommt und er alles mitbekommt. Seine Mimik – herrlich! Demgegenüber ist Prinzessin Augusta (Michelle Fairley) weniger herrlich, aber trotz ihrer oft nervigen Art ist sie auch eine nicht zu unterschätzende Figur. Ihre Liebe für ihren Sohn ist ehrlich, das ist zu merken. Aber angesichts der damaligen Zeit kann man ihr gewisse Ängste angesichts des Gesundheitszustandes ihres Sohnes auch nicht absprechen. Wie sie von dem Rat unter Druck gesetzt wurde, das war nervig. Aber dennoch war sie als Mutterfigur und auch als Szenenpartnerin von Agatha und Charlotte sehr, sehr wichtig. An ihr konnte man in den sechs Episoden auch einen gewissen Gefallen finden.
Neben der Liebesgeschichte gehört die Vergangenheit aber vor allem Agatha, für die es vor allem eine Reise zu sich selbst ist. Zu ihr war das bisherige Bild wirklich am blassesten, weswegen ich zu ihr viel gelernt habe, auch wenn es jetzt eben auch von Rhimes erfunden wurde, aber ich hatte sofort den Eindruck, das alles passt und auch viel über sie erklärt. Gleichzeitig ist natürlich ein Teil ihrer Geschichte ohnehin völlig neu erdacht, da es bei Autorin Quinn nur weiße Hautfarbe gibt, während sich Shondaland als Produktionsstudio entschieden hat, das bewusst aufzubrechen und so die Historie ganz neu zu erzählen. Charlotte ist der Anfang von all dem, sie ist das große Experiment, sie soll Europa modernisieren und damit öffnet sich eben auch die Tür für die Danburys. Agatha, die schon als 3-Jährige dem älteren Danbury (Cyril Nri) versprochen wurde, muss sich immer wieder anhören, für was für einen tollen Hecht er sich selbst hält, während sie eigentlich die Fäden im Hintergrund zieht. Spannend ist auch, dass die junge Agatha auch recht manipulative Seiten hat. Sie inszeniert sich gegenüber Charlotte als Freundin, auch wenn sie parallel ungeheuren Druck auf sie ausübt, damit sie für den dunkelhäutigen Teil der Gesellschaft weiter den Weg ebnet. Auch die Prinzessin drängt sie oft genug zu Zugeständnissen. Erst später wird das mehr aufgebrochen. Agatha wird verletzlicher, sie erkennt den Wert der Freundschaft und sie erkennt vor allem, dass sie selbst einen Wert hat, ganz ohne Mann. Diese Entwicklung hat mir auch zugesagt. Zumal es eben auch wegen der Durchmischung der Ethnien Lücken füllt. Während in "Bridgerton" alles schon gegeben ist, zeigt "Queen Charlotte" die Anfänge. Auch wenn es in der Geschichte so nicht war, so ist doch etwas gesponnen worden, was ein rundes Bild liefert.
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Fazit
"Bridgerton"-Fans können ganz beruhigt sein, das Prequel "Queen Charlotte: Eine Bridgerton-Geschichte" hat zwar durch Julia Quinn keine Vorlage, aber Shonda Rhimes hat sich ganz im Stile der Autorin und der Mutterserie etwas ausgedacht, was ein rundes und harmonisches Bild erzeugt. Zwar fand ich die Geschehnisse in der Gegenwart deutlich nachgestellt und das eben auch qualitativ, aber die Erzählungen aus der Vergangenheit, allen voran die Liebesgeschichte des Königspaars mit allen Höhen und Tiefen, fesseln wie gewohnt an den Bildschirm. Dieses Prequel hat sich in jedem Fall gelohnt!
Die Serie "Queen Charlotte: Eine Bridgerton-Geschichte" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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