She-Hulk - Review Staffel 1
Angefangen mit "WandaVision" im Januar 2021 konnte ich über nahezu alle Marvel-Serien, beheimatet bei Disney+, sagen, dass sie stilistisch entweder experimentell oder in sich abgeschlossen ein sehr unterschiedliches Bild abgegeben haben. Einzig "The Falcon and the Winter Soldier" kann man wohl ausnehmen, da hier eine klassische Actionserie mit einer stringenten Handlung dargeboten wurde. Aber so ambivalent viele der Serienprojekte waren, so stellt "She-Hulk: Die Anwältin" das noch einmal deutlich in den Schatten. Besonders deutlich ist mir dabei aufgefallen, dass die Serie kaum durchgehende inhaltliche Strukturen hat, stattdessen wirkt es eher wie ein Episodenfilm, bei dem die einzelnen Folgen spärliche Verknüpfungen haben. Zwar gab es zum Ende hin eine klarere Orientierung, aber für neun Episoden ist es erst sehr spät platziert worden und selbst dann noch nicht konsequent verfolgt. Lohnt sich "She-Hulk" denn in seiner Andersartigkeit?
"She-Hulk" hat definitiv seine Daseinsberechtigung, denn die Verknüpfungen zum riesigen MCU sind vielfältig. Das ist sicherlich mit eine der großen Stärken der Serie, denn wer bei den anderen – später folgenden Kritikpunkte – am liebsten abschalten würde, wird hier immer wieder verführt, es doch zu lassen, denn man könnte schließlich was verpassen. Aber die Serie gibt Aufklärung zu Bruce Banner (Mark Ruffalo), sie platziert die Ereignisse aus "Der Unglaubliche Hulk" in das MCU, indem Tim Roth wieder als Emil Blonsky aka Abomination agieren darf, sie erklärt auch den zeitlichen Zusammenhang, wie Blonskys Auftritt zusammen mit Wong (Benedict Wong) in "Shang-Chi and the Legends of the Ten Rings" zustande gekommen ist und es gibt ein Wiedersehen mit Charlie Cox als Daredevil. Die Auftritte und Aufklärungen sind auch geschickt verteilt, so dass sich immer wieder neue Infos finden lassen. Nur diese ganzen Spielereien mit dem MCU, die das Fanherz ohne Frage erfreuen, sorgen dafür, dass es umgekehrt nicht überzeugend gelingt, ein Bild von Jen Walters aka She-Hulk, wunderbar dargestellt von Tatiana Maslany, zu entwerfen.
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Dabei ging zunächst alles gut los, denn die erste Episode, die flott die Entstehungsgeschichte von She-Hulk erzählt, ist kurzweilig, aber dennoch so aussagekräftig, dass man einen ersten guten Eindruck bekommt. Jen mag als Anwältin bei der Staatsanwaltschaft von Los Angeles nicht immer so ernstgenommen werden, wie man es ihr wünschen würde, aber sie brennt für ihren Job. Dass sie schließlich durch einen Unfall bei einem Roadtrip mit Cousin Bruce mit seinem Blut in Kontakt kommt und dadurch selbst zum Hulk wird, kommt für sie denkbar ungünstig. Dann stellt sich auch noch heraus, dass sie mit Superhelden überhaupt nichts am Hut hat und selbst wenn den Avengers noch nichts gehört hat, auch wenn ihr Cousin ein Teil davon ist. Das bricht mit so vielen Vorstellungen und ist beispielweise ein starker Kontrast zu Kate Bishop (Hailee Steinfeld) aus "Hawkeye". Umso lustiger ist es, wie schnell sie mit ihren neuen Kräften zurechtkommt, was Bruce in seiner Ehre trifft, weil er Jahre gebraucht hat, um an den Punkt zu kommen, wo Jen gefühlt nach einem Fingerschnipsen schon ist. Das ist also die Grundlage, mit der "She-Hulk" dann in den Rest der Staffel startet.
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Ab dort wird es deutlich konfuser. Indem Jen in ihre Welt zurückkehrt, wird der Fokus deutlich mehr auf den Untertitel der Serie gelegt, aber gleichzeitig auch nicht wirklich. Denn Warnung: es ist keine Anwaltsserie. Es spielt sich zwar einiges im Gerichtssaal ab, aber letztlich ist Jens Vertretung von Blonsky die gelungenste Anwaltsarbeit, während es sich anschließend oft eher nach Klamauk angefühlt hat, gerade wenn Pug (Josh Segarra) und Mallory Book (Renée Elise Goldsberry) dann noch den Anschein aufrechterhalten sollen, dass es wirklich um Anwälte geht. Dabei finde ich das Thema, dass es um die Vertretung von Superhelden geht, womit es automatisch schon nicht wie in einem normalen Gerichtssaal zugehen kann, ungeheuer spannend und bin dementsprechend enttäuscht, dass das nicht noch geschickter und ausführlich vorangetrieben wurde. Aber es enttäuscht vor allem, dass Jen später kaum noch selbst als Anwältin brillieren kann, denn das ist IHR Fachgebiet, das ist dort, wo man ihre Persönlichkeit vermutlich am besten zu packen bekommt. Natürlich ist auch der Reiz, wie Jen mit nun zwei Persönlichkeiten unter einen Hut bringen und dabei eine neue Persönlichkeit finden muss, auch ein tolles Thema und wurde mit der Episode beim Retreat von Blonsky auch auf einen tollen Punkt gebracht, aber es war insgesamt zu wenig. Zumal ich auch nicht den Eindruck hatte, dass wir ein durchgehendes Bild von Jen geliefert bekommen haben. Mal wirkt sie ungeheuer tough, dann wiederum wirkt sie wie ein schmollendes Kleinkind, mal sprüht sie vor Selbstbewusstsein, mal geht sie wie eine traurige Blume ein und es ist noch nicht mal klar an Jen oder She-Hulk gebunden. Zu diesem Eindruck ist es wohl auch gekommen, da die Serie eine klare Mission hat, aber eine Mission, die eine konsequente Charakterarbeit nicht möglich macht.
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"She-Hulk" ist eine sehr feministische Serie. Da das MCU anteilig mehr männlich geprägt ist, was durchaus Charaktere und Storylines prägt, werden deutlich Backpfeifen links und rechts verteilt. Was ich als Selbstkritik auch gut heiße, denn es ist ja nicht nur ein Produkt von Showrunnerin Jessica Gao, sondern es gehört offiziell zum MCU, ist also abgesegnet worden. Und es stimmt, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen. Dennoch kann man viele der Kritikpunkte, die "She-Hulk" anspricht, auch ganz unabhängig der Marvel-Welt sehen, denn es ist allgemeingültig. Die Serienhandlung war von so vielen Stereotypen gespickt, die Frauen begegnen. Sei es, wenn die sexistische Bewertung losgeht, als erstmals über She-Hulk (im Übrigen wurden einige Originalkommentare in der Serie verwendet) berichtet wird, sei es die Darstellung der oberflächlichen Dating-Welt oder dann Intelligencia, eine Gruppe von Männern, die stark an Incels erinnert. Hier ist viel drin. Doch manches ist auch ein wenig problematisch, weil She-Hulk manchmal genau für das Gegenteil steht oder weil dieses Suchen nach Kritik oft auch die Handlung aufhält und dadurch zu künstlich forciert wirkt. Der Eindruck entsteht sicherlich auch durch das Durchbrechen der Vierten Wand. Ich persönlich mag das Stilmittel sehr gerne und alles in allem fand ich es auch bei "She-Hulk" klasse, aber durch Jens Adressierung der Zuschauer kam es am ehesten zu diesem künstlichen Eindruck. Schließlich gipfelte das auch in eine Episode wie #1.06 Just Jen, die sogar durch das Stilmittel als völlig deplatziert eingeführt wird und genau so war es auch. Eine Episode, die alles ausgebremst hat und so völlig unnötig wirkte, auch weil Titania (Jameela Jamil) auch nach ihrem nächsten Auftritt immer noch völlig farblos wirkte.
Bei dieser insgesamt doch wilden Reisen hat dennoch nichts auf dieses Staffel- (und vielleicht sogar Serien-)finale vorbereitet. Hier wird die Meta-Ebene auf ein nochmal völlig anderes Niveau gehoben und ich habe mich wahnsinnig unterhalten gefühlt. Es zeigt nämlich, wie durchdacht die Serie doch war, selbst in ihren schwachen Momenten (was diese im Nachhinein dennoch nicht automatisch besser macht, Problem wöchentliche Ausstrahlung). Diese sind bewusst in Kauf genommen worden, um einen Standpunkt zu vertreten und dafür habe ich großen Respekt. Insgesamt kann man die Serie aus Produktionssicht wohl unter dem Motto "Ihr haltet uns den Spiegel vor, wir halten euch den Spiegel vor" zusammenfassen. Das MCU hat sich definitiv selbst aufs Korn genommen, speziell mit dem Kniff, Hauptproduzent Kevin Feige hier als Künstliche Intelligenz zu inszenieren, der nach irgendwelchen Berechnungen die einzelnen Filme und Serie inhaltlich zusammenstellt oder auch die ständigen Hinweise auf das knappe Budget, was wiederum der Kritik an Mängeln bei der CGI-Technik begegnet. Aber umgekehrt darf sich der Fan eben nicht denken: ha, jetzt habe ich es denen aber gezeigt, denn man bekommt eben selbst eine Lektion erteilt. Gerade die Thematik, wie weibliche Superheldinnen aufgenommen werden, ist hier eben das Herzensthema. Es ist genial, aber deswegen nicht weniger schade, dass Jen Walters aka She-Hulk nicht so beeindrucken durfte, wie es möglich gewesen wäre und stattdessen eher zum Spielball geworden ist.
Was bedeutet "She-Hulk" nun für die Zukunft? Ich kann mir bei diesem Meta-Kunstwerk schwer vorstellen, dass es eine zweite Staffel geben wird, denn es ging eben weniger um Inhalte als vielmehr um Botschaften. Dennoch wäre es schade, She-Hulk nun im MCU auszusortieren. Möglicherweise deutet das Finale auf einen neuen Hulk-Film hin, bei dem sie als Cousine problemlos involviert werden könnte. Aber ich werfe auch schon einen Blick auf die neue angekündigte Daredevil-Serie, denn die Verbindung zwischen Jen und Matt Murdock war doch schon auf Anhieb sehr intensiv und er wurde sogar der Familie vorgestellt. Zudem deuten die ganzen Familienfragen auch darauf hin, dass man sich hier vielleicht etwas offenhält. Auch wenn Jen bislang in einer komödiantischen Serie untergebracht war und man "Marvel's Daredevil" da nicht einsortieren kann, so hat Matt umgekehrt die andere Welt auch gemeistert bekommen, warum also nicht auch so herum? Zumal Jen als Anwältin hervorragend genutzt werden könnte und in einem ernsteren Umfeld könnten andere Seiten aufgezeigt werden. Was wiederum wird aus den anderen neuen Figuren? Schade wäre es mir vor allem um Mallory, die keinerlei eigene Geschichte bekommen hat, die aber mit Goldsberry eine so tolle Darstellerin hat, dass es völlig verschwendet wäre, nicht auch hier eine Lösung zu finden. Nikki (Ginger Gonzaga) wird sicherlich als Sidekick von She-Hulk weiterhin verwendet werden können. Um Pug wäre wohl am wenigsten schade, auch von ich Josh Segarra in dieser Rolle sehr genossen habe, aber nach seinem tollen Finalen ist er eigentlich perfekt ausgenutzt wurden, um ihn so belassen zu können.
Fazit
"She-Hulk" ist in seiner Gesamtkomposition definitiv ein Kunstwerk, speziell ein Meta-Kunstwerk. Am Ende fügt sich alles zusammen und der Idee dahinter kann eine gewisse Genialität nicht abgesprochen werden. Während das Applaus verdient, haben gewisse bewusst eingebaute Schwächen dem Sehvergnügen dennoch nicht geholfen, denn die Wahrheit erkennt man erst am Ende und dann ist es meist zu spät. Zudem hat die Metaebene es nicht unbedingt leicht gemacht, Jen Walters und She-Hulk einzeln und zusammen so ins Licht zu rücken, wie sie es verdient gehabt hätten und letztlich widerspricht man damit dann auch der eigenen Botschaft. Dennoch ein Wagnis, das in Erinnerung bleiben wird!
Die Serie "She-Hulk: Die Anwältin" ansehen:
Lena Donth – myFanbase
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