Atlanta Medical (The Resident) - Review Staffel 5
Ich habe etwas bang auf diese fünfte Staffel von "Atlanta Medical" (Original: "The Resident") geschaut, denn bereits über den Sommer 2021 war bekannt geworden, dass Hauptdarstellerin Emily VanCamp aus persönlichen Gründen aus der Serie ausscheiden würde. Immerhin war sie mit ein zentraler Beweggrund, warum ich die Serie damals überhaupt unbedingt gucken wollte. Dennoch ist es natürlich so, dass eine Serie nach vier Staffeln etwas falsch gemacht haben müsste, wenn sie nur an einer zentralen Figur hängen würde, weswegen ich natürlich schon längst nicht mehr nur an Nic gehangen habe, sondern an allen anderen auch. Dennoch kann der Ausstieg einer so wichtigen Hauptfigur einer Serie den Dolchstoß verpassen. Wie fällt also das Gesamtfazit zu Staffel 5 (aka Staffel 1 nach Nics Serientod) aus?
Erst mit der dritten Episode wird der Abschied von Nic Nevin eingeläutet und bis dahin habe ich eine ungeheure Anspannung verspürt. Dennoch verstehe ich, dass man es erst noch etwas hinausgezögert hat, denn so konnte der Ausstieg auch sinniger vorbereitet werden und der oder die Zuschauer*in wurde nicht gleich mit der ersten Episode mit neuen Tatsachen konfrontiert. Dennoch ging es auch bis zu #5.03 nicht entspannt zu, denn es gibt einige Katastrophen zu verarbeiten, die auch Devon (Manish Dayal) in große Gefahr bringt. Das war mir für die ersten Episoden dann auch fast zu viel und ich hätte es besser gefunden, wenn die ersten beiden Episoden der fünften Staffel ganz normale Patientenfälle beinhaltet hätte, denn so wirkte das erste Achtel der Staffel emotional vollkommen übersteuert. Gerade wenn man die Staffel dann auch noch binged, wird es fast schon unglaubwürdig. Dennoch kommt es dann zur entscheidenden Folge und ich muss schon sagen, dass der Serientod von Nic mitsamt der Vor- und Nachbereitung mit einer der besten war, die ich je fiktiv verarbeitet gesehen habe. Das bedeutete zwar auch, dass es emotional für mich unwahrscheinlich belastend war, aber es war auf eine gute Art und Weise, denn ich hatte durchgängig das Gefühl, das Nic genau das Ende bekommen hat, was sie verdient hatte. Besonders schön war auf jeden Fall die Montage, als auch noch einmal aufgezeigt worden ist, wie Nic das Leben der anderen Hauptcharaktere berührt hat, denn so hat man gesehen, dass nicht einfach eine Figur vom Rand der Serien entrissen worden ist, sondern eine von mittendrin.
Mit #5.06 gibt es einen dreijährigen Zeitsprung, den ich gelungen fand, aber ich war auch froh, dass er nicht unmittelbar an Nics Tod angesetzt wurde, denn so ist der Trauerprozess noch mit verarbeitet worden und hat vor allem Matt Czuchry als trauerndem Witwer sehr viel Raum für seine Schauspielkunst gegeben. Denn Conrad sucht einen Sinn hinter Nics Tod, während er sich gleichzeitig bemüht, dennoch für seine Tochter Gigi ein liebevoller Vater zu sein. Aber das ist auch schon das, was ich mit der guten Nachbereitung meinte, denn man erlebt in diesen beiden Episoden deutlich, wie speziell Conrad, aber auch alle anderen unter dem unerwarteten Tod zu leiden haben. Das sorgt dann auch für den (vorerst) letzten Gastauftritt von Kyle (Corbin Bernsen), der nun Frau und beide Töchter verloren hat. Es ist etwas schade, dass er später in der Staffel nicht mehr auftaucht, denn nachdem Conrad bei Nic die Maschinen hat abstellen lassen, überhäuft der Schwiegervater ihn mit Vorwürfen. Der Konflikt mag aus dem rohen Schmerz geboren sein, aber es fällt dennoch auf, dass später nichts mehr zu dem Verhältnis erläutert wird, denn Kyle bleibt nun mal Gigis Großvater.
Der Zeitsprung war wie gesagt sinnig, weil Conrad auch eine Figur ist, die nicht schnell weitermachen kann, weil er sich immer erst in seinem Leid suhlen muss. Zudem passt es auch zu ihm, dass er dem Krankenhaus erstmal den Rücken kehrt, um besser die Anforderungen eines alleinerziehenden Vaters zu erfüllen. Das wiederum wäre für "Atlanta Medical" aber etwas eintönig gewesen, weswegen die ins Land gegangene Zeit clever ist. Wahnsinnig viel hat sich zwar nicht getan, aber eben besonders bei Conrad. Er kann immer noch von Trauer überwältigt werden, aber er findet zurück ins Chastain, zurück in den Job, den er liebt und an seiner Seite die älter gewordene Gigi, die wirklich herrlich von Remington Blaire Evans gespielt wird. Zum einen kann man ihr wirklich abkaufen, die leibliche Tochter von VanCamp zu sein und zum anderen bringt sie eine Wärme und Herzlichkeit in diese Staffel, die ich nicht mehr missen möchte. Gigi geht in den krankenhausinternen Kindergarten und so ist Conrad immer zu greifen, wenn was ist. Hier merkt man deutlich, dass es ein sinnvoller Kompromiss für einen alleinerziehenden Vater ist, der dennoch wohl immer ein Workaholic bleiben wird. Ich fand es aber auch süß, wie sehr Gigi auch mit allen anderen integriert ist. Das entspricht dem Spruch, dass es ein ganzes Dorf für die Erziehung braucht. Gigi hat ihr Dorf definitiv im Chastain. Zudem ist ihre Mutter so immer präsent. Auch wenn die kleine Gigi gar keine Erinnerungen an Nic haben kann, so sind alle bemüht, sie ihr als Mensch an die Seite zu stellen und das finde ich echt schön. Sicherlich wird Gigi immer mehr darunter leiden, ihre Mutter nicht mehr an ihrer Seite zu haben, aber sie kann sich auch immer mit ihrer Liebe für sie trösten. Weiterhin ist es passend, dass sich Conrad sehr langsam an eine neue Liebe herantastet. Am Ende hat er gleich zwei Damen zur Auswahl, wobei für mich deutlich zu sehen ist, dass er selbst nur an einer Interesse hat und das ist Neuzugang Cade (Kaley Ronayne). Die beiden passen vom Typ schon sehr gut zueinander, weswegen bei Conrad auch sofort Interesse da ist, dennoch merkt man ihm an, dass immer auch eine innere Bremse dabei ist. Deswegen ist das Staffelfinale auch so wichtig, denn so kann er das Kapitel Nic abschließen, zumindest in dem Aspekt, dass sie ihn auf jeden Fall glücklich sehen würde.
© 2021 Fox Media LLC; Tom Griscom/FOX
Die andere mögliche Love Interest für Conrad ist Billie (Jessica Lucas), wobei eben eigentlich nur sie Gefühle entdeckt. Vielleicht ist es auch ganz gut, dass sie eher nicht in Frage kommt, denn ich finde insgesamt, dass sie in dieser fünften Staffel sehr vernachlässigt wurde, als wüsste man mit ihr nicht so viel anzufangen. Generell muss ich aber auch sagen, dass mir öfters aufgefallen ist, dass ein Ungleichgewicht im Erzählen festzustellen war. Der Hauptcast ist wahrlich nicht riesig, gerade wenn man an eine Serie wie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" im Vergleich denkt, aber dennoch sind manche Figuren einfach mal verschwunden. Das ist mir besonders bei eben Billie und Leela (Anuja Joshi) aufgefallen. Bei Devon ist es mit dem neuen Schwerpunkt bei den klinischen Studien wenigstens noch sinnig gewesen. Speziell bei Billie hatte ich aber den Eindruck, dass bis auf ihre Vergewaltigung und ihre Begegnung mit ihr leiblichen Sohn Trevor (Miles Fowler) nicht viel passiert. Das war natürlich eine gewichtige Storyline, aber für 22 Episoden insgesamt ist es doch eher wenig. Zudem ist Trevor auch so eine Figur, die sang- und klanglos wieder verschwindet. Seine erste Episode war schon nicht sonderlich sympathisch und auch nach dem Zeitsprung war es schwierig mit ihm, weil er eine zu grüblerische Persönlichkeit war. Als es dann aber tatsächlich spannend wird, da ist er schon wieder weg. Inhaltlich war das zwar okay und nachvollziehbar, aber hier hatte man doch deutlich das Gefühl, dass die Autorenschaft mit ihm nicht viel anzufangen wusste. Da insgesamt also ein wenig Planlosigkeit bei den Hauptfiguren zu erkennen war, erhoffe ich mir doch sehr, dass das in der sechsten Staffel wieder mehr ausbalanciert wird, zumal dann eben der Hauptcast um zwei neue Namen ergänzt ist, eben Cade und ihr Vater Ian (Andrew McCarthy).
In den schmerzlichen Verlust von Nic herein war es ganz angenehm, dass sich ansonsten die Beziehungsebene ohne große Aufregung gestaltete. Die stabilen Paare durften auch weiterhin stabile Paare bleiben und dennoch war es möglich, emotionale Geschichten zu erzählen. Davon außen vor ist ein wenig AJ (Malcolm-Jamal Warner), der zwar eine kurze Affäre mit Leelas Zwillingsschwester Padma (Aneesha Joshi) hat und mit ihr nun auch gemeinsam Eltern wird, aber eine richtige Liebesgeschichte nach Minas (Shaunnete Renée Wilson) Weggang war es wahrlich nicht. Da Padma wohl bleiben wird, ist hier vielleicht was möglich, aber ansonsten gönne ich ihm von Herzen eine echte Liebesgeschichte, denn der ehemalige Einzelgänger ist definitiv gesellig geworden. Seine Staffel ist vor allem mit dem anstehenden Tod seiner Mutter Carol (Summer Selby) geprägt gewesen und das war wirklich eine Storyline, die von vorne bis hinten emotional war. Vielleicht war sie etwas zu lang gezogen, aber sie war auch wichtig, weil Ärzte in solchen Situationen eben auch nicht mehr professionell sein können. Bei Devon und Leela läuft es lange gut, bis das Thema Kinder auf den Tisch kommt. Auch hier ein sehr wichtiger Handlungsbogen, weil Kinderplanung durchaus ein Beziehungskiller ist. Zumal man eben auch beide Seiten verstanden hat und nicht das Gefühl hat, dass eine Seite und speziell hier Leela, verurteilt wurden. Wie stabil am Ende ihr Happy End ist, das wird sich erst noch zeigen müssen, aber ihre Liebe reift nun schon sehr lange, was mir Hoffnung gibt. Aber nochmal viel stabiler sind definitiv Kit (Jane Leeves) und Randolph (Bruce Greenwood). Auch wenn AJ ebenfalls eine enorme Entwicklung durchgemacht hat, Randolph schlägt ihn locker. Er war so ein Ekel in der ersten Staffel und auch in der zweiten Staffel war es nicht leicht, aber ich sehe ihn inzwischen sehr, sehr gerne und gerade Kit hat ihn auf eine Weise geerdet, wo er auch richtig seine humorvolle Seite ausleben darf. Dennoch ist seine MS-Diagnose auch ein Schock gewesen, denn dafür gibt es eben keine Wunderheilung, was die weiteren Staffeln auch sehr spannend machen wird, denn wie geht man mit einer kontinuierlichen Verschlechterung um? Aber erstmal nicht so weit in die Zukunft blickend erfreue ich mich daran, dass Kit sich weiterhin als empathische Chefin behauptet und dass Randolph nach seinen verdauten Sorgen definitiv mit Hoffnung die Zukunft angehen wird.
Durch meine bisherigen Ausführungen merkt man deutlich, dass die fünfte Staffel viel von persönlichem Drama lebte, was ich auch mittrage, denn nach so einer langen Zeit, ist der Cast unweigerlich vertraut und man bangt überall mit. Dennoch bekommt man das von allen anderen Krankenhausserien auch, weswegen es so herrlich war, dass "Atlanta Medical" sich speziell auf dem gesundheitspolitischen Themenfeld sehr umtriebig gezeigt hat. Das ist immer weniger geworden und Staffel 5 stellt definitiv einen Tiefpunkt dar. Mir ist nicht klar, ob es darüber im Writer's Room eine Diskussion über die Vor- und Nachteile gegeben hat oder ob es ein unbewusster Prozess war, aber es ist schade. Es gibt zwar immer noch Ansätze wie diesmal der Medikamentenmissbrauch, bei dem Cade als Informantin beteiligt ist oder der Grund für Devons Beinahe-Tod, weil mit gewissen Stoffen nicht so sensibel umgegangen wird, wie es müsste oder auch Randolph, der Teil der Ärztekammer wird, aber eine Patientin, für die er sich eingesetzt hat und schon ist das Thema wieder beendet. Diese fehlenden brisanten Themen sind auch so bedauerlich, weil "Atlanta Medical" wahrlich nicht alle durchgekaut hat. Denn unsere Zeit zeigt ja auch, dass immer wieder neue Themen aufkommen, weil sich auch die Medizin immer mehr weiterentwickelt und somit auch ethische Grundfragen aufwirft. All das finde ich ungeheuer spannend und wenn es behandelt wird, wo denn besser als bei "Atlanta Medical"? Aber nach diesem kontinuierlichen Prozess vermute ich stark, dass die Tendenz nicht mehr umgekehrt wird…
Fazit
"Atlanta Medical" bietet auf der Figurenebene wieder viel Dramatik und trifft damit mitten ins Herz, auch weil es einen tieftraurigen Serientod gibt. Dieser ist aber auch so schön gestaltet worden, dass es die Verbindung zur Serie noch enger gemacht hat. Zwar ist manchmal ein Ungleichgewicht in der Berücksichtigung der Figuren zu bemerken, was Fragen aufwirft, aber insgesamt gibt es klar strukturierte Handlungsbögen, sehr stabile Beziehungen, die das Fanherz besänftigen und viel zum Mitfiebern und Mitleiden. Nur die kritischen Töne gegenüber dem Gesundheitssystem, die werden weiterhin immer weniger…
Die Serie "Atlanta Medical" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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