The Tattooist of Auschwitz - Review Miniserie

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Die Vorlage für die neue Peacock-Serie "The Tattooist of Auschwitz", die nun auf Sky zu sehen und auf WOW zu streamen ist, ist ein von Heather Morris geschriebener Roman, der im Deutschen 2018 unter dem Titel "Der Tätowierer von Auschwitz" erschienen ist. Diesen habe ich nicht gelesen, aber ich habe mich dennoch vorab ein wenig informiert, vor allem vor dem Hintergrund, wie es überhaupt zu diesem Roman gekommen ist und wie er auch angenommen wurde. Eine Sache ist mir dabei als interessant ins Auge gesprungen, denn die Autorin Morris hat keine Biographie im herkömmlichen Sinne angefertigt, sondern eine wahre Geschichte fiktionalisiert. Darum hat es wohl sehr viel Aufregung gegeben, was ich auch in Teilen verstehen kann, denn die Thematik Holocaust ist zu sensibel, um möglicherweise das Narrativ eines erfundenen Märchens zu bedienen. Andererseits beruhen alle Biographien und Dokumentation auf getätigten Aussagen und Handlungen, von denen die wenigsten in Stein gemeißelt sind. Dementsprechend ist die absolute Wahrheit ohnehin nicht möglich. Aber hat die Adaption als Miniserie nun diesen Kritikpunkt speziell berücksichtigt?

In meiner Einschätzung würde ich resultieren, dass sich die Serienadaption "The Tattooist of Auschwitz" durchaus mit der schmalen Linie zwischen Wahrheit und Erzählung auseinandergesetzt hat. Wir erleben auf einer Zeitebene, wie Heather, die hier von Melanie Lynskey gespielt wird, Lale Sokolov (geb. Ludwig Eisenberg und in der älteren Version von Harvey Keitel gespielt) seine Geschichte erzählen lässt und das geht dann mit der anderen Zeitebene einher, auf der wir dann direkt die Geschehnisse in Auschwitz miterleben, die sich von 1942 bis 1945 ziehen, sowie dann in späteren Jahren, als Lale durch die NS-Prozesse mit seiner Vergangenheit wieder unwiderruflich konfrontiert wird. Dabei wurde speziell eine Erzähltechnik angewendet, die immer wieder über die sechs Episoden hinweg Anwendung findet. Wir erleben in der Vergangenheit einen brutalen Alltag für die Gefangenen. Hier wird nichts beschönigt, stellenweise war es sogar das Gegenteil, es war richtig brutal und entsetzlich. Mitten drin gab es aber dann aufbrechende Momente, die fast wie kleine Happy Ends in all dem Elend wirkten. Nicht, dass man als Zuschauer*in nicht hätte glauben können, dass es auch mitmenschliche Momente in den Jahren gegeben haben könnte, aber es war schon auffällig. Dann wurde im nächsten Szenenkontext mit der Gegenwart aufklärt, dass Lale Heather bewusst nicht die Wahrheit gesagt hat oder sie zunächst verschleiert hat, um dann doch noch die Karten auf den Tisch zu legen. Selbstverständlich bekommen wir die 'Wahrheit' dann noch einmal szenisch nachgereicht und erleben wieder die brutale Härte.

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Ich finde diese Technik eigentlich sehr geschickt, um zu verdeutlichen, dass wir speziell auf Lales Erzählungen angewiesen sind, um Lale als Mensch zu verstehen. Wenn er uns wegen seines eigenen schlechten Gewissens belügt, dann müssen wir damit leben. Aber eine Erkenntnis ist klar, Lale hat die schlimmen Dinge eher beschönigt, als es umgekehrt zu übertreiben. Diesen menschlichen Zug kann ich sehr gut nachvollziehen, nachdem ich diese Miniserie gesehen habe, weil es schon in einem fiktiven Rahmen weh tut, solche Vergangenheit in ihrer Brutalität zu sehen. Zudem hat die Serie noch ein weiteres Stilmittel genutzt. Während Lales Geschichte nur die von ihm selbst sind, so ist Auschwitz gleichzeitig aber auch die Geschichte von so vielen Menschen mehr und es werden immer wieder Menschen eingeblendet, oft nach Momenten, nach denen klar ist, sie wurden gerade getötet oder haben sich angesichts des erlebten Schreckens selbst getötet. Es fühlte sich immer wie kurzes Schweigen für die Opfer an, denn egal, wie viele den Holocaust noch als erfundene Mär betrachten, alleine die über eine Millionen tote Menschen (nur für Auschwitz!) sind über eine Millionen Belege für das Gegenteil. Es ist auch ihre Geschichte, weil sie ihre nicht selbständig erzählen konnten. Aber ihre Opfer sollen nicht vergessen sein.

Nach dieser stilistischen Betrachtung bleibe ich zunächst in der Gegenwart. Keitel hat den gealterten Lale für mich überzeugend gespielt. Man hat seinem Gesicht angesehen, was er gefühlt und durchlitten hat und auch wenn er einfach nur guckte oder handelte statt sprach, da war völlig klar, wie tief es in ihm arbeitet und wie viele Gespenster der Vergangenheit er auch mit sich herumgeschleppt hat. Das wurde auch visualisiert, indem tatsächlich alte Wegbegleiter aus dem Konzentrationslager mit ihm gesprochen und ihn damit weiter gequält haben. Lynskey als Heather ist die warme Präsenz, die eine solche schwere Serie braucht. Ich bin auch wieder begeistert, wie wandelbar sie ist, denn in Yellowjackets spielt sie ein ganz anderes Kaliber. Aber hier sind es auch die Outfits in grellen Farben, dazu die blonde Perücke und schon hat sie etwas für mich ausgestrahlt, wodurch ich schnell nachvollziehen konnte, dass Lale ausgerechnet ihr seine Geschichte erzählt hat. Dann wiederum muss ich auch gestehen, dass ich gerade in den ersten beiden Episoden manchmal dachte, dass sie fast schon zu warm und auch zu fröhlich wirkt. Denn wenn Lale das Bedürfnis hatte, den Schrecken aufzubrechen, dann stieg sie darauf ein, aber ich als Zuschauerin steckte dann noch im Gegenteil fest und fand es manchmal deplatziert. Mit etwas Abstand bewerte ich es aber so, dass sie mit ihrer Empathie einfach nur genau auf Lale reagiert hat und was er brauchte, um sich wohl zu fühlen. Denn später wird unterstrichen, wie sehr es sie doch mitgenommen hat, so dass sie den Kontakt zu Lale dann sogar als erdrückend empfunden hat und immer mal wieder abgebrochen hat. Das als Puzzle zusammengesetzt passt für mich sehr gut, denn auch der Speicher eines empathischen Menschen ist irgendwann voll. Aber obwohl sich Heather sicherlich auch ihre Gedanken zur Moral von Lales Entscheidungen gemacht hat, letztlich hat man gemerkt, dass sich zwischen den beiden Figuren eine echte Freundschaft gebildet hat und dass weil sie ihn genommen hat, wie er ist und wodurch er vermutlich so ehrlich sein konnte, wie es ihm möglich war.

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Die Vergangenheit ist wirklich der verdammt schwere Teil und sie wird in der Hauptsache von Jonah Hauer-King getragen. Erst letztes Jahr als Prinz Eric in "Arielle, die Meerjungfrau" im kompletten Kontrastprogramm zu sehen, ist er nun ein Holocaust-Überlebender. Ich konnte mich mit seinem Lale auf jeden Fall schnell identifizieren und ich glaube auch, dass seine Darstellung der Rolle eine gute Brücke ist, warum in der Gegenwart Heather so gut auf ihn passt. Er ist auch ein empathischer Charakter, der schnell unter den Zuständen im Lager leidet. Aber während das andere Figuren suizidal macht, hat er einen Lebensgeist in sich, der mehr will. So bekommt Lale schließlich die Gelegenheit, Tätowierer zu werden, so dass durch seine Hände alle Neuankömmlinge laufen, die er mit einer Nummer rein ins Fleisch für immer zeichnet. Dieser Job bereitet ihm zwar genauso viele Schmerzen wie den jeweiligen Gegenübern, aber es erkauft ihm auch mehr Essen und einen breiteren und wärmeren Schlafplatz. Dieses Muster wird durch alle sechs Episoden gezogen. Lale findet sich wiederholt Entscheidungen ausgesetzt, die für irgendwen offensichtlich einen Nachteil bedeuten. Doch er verschafft sich nicht immer nur selbst einen Vorteil, sondern er bedenkt seine Mitgefangenen mit dem erweiterten Essen und er opfert sich auch schon mal einem perversen Arzt, um an Medikamente zu kommen. Da merkt man deutlich, dass es ein Kreislauf aus Eigennutz und Opfern war. Durch seinen Posten als Tätowierer ist er auch offiziell Angestellter der SS gewesen, was ihn weit später auch nochmal eingeholt hat. Er musste keine Strafe fürchten, aber die Symbolik zeigt doch deutlich, in welche Bereiche sich Lale begeben hat. So sind es nicht nur die Erlebnisse selbst, die ihn Jahrzehnte später noch jagen, sondern es sind auch eigene Schuldgefühle, weil er Teil der Schreckensmaschinerie war, aber es gleichzeitig sein Weg war, um sein Überleben und das anderer zu sichern. Ich bin jedenfalls froh, in einem solchen Zwiespalt noch nie gesteckt zu haben.

Lale hat zwei wichtige Begleiter in der Auschwitz-Zeit. Das ist natürlich zum einen Gita (Anna Próchniak), die seine Liebe auf den ersten Blick und spätere Ehefrau spielt. Zum anderen ist es der Wärter Stefan Baretzki (Jonas Nay), der die Tätowierer immer über das Gelände führt und daher eine spezielle Beziehung zu Lale entwickelt. Bleiben wir aber erstmal bei der rosaroten Liebesgeschichte. Eine solche inmitten eines solchen Horrors zu zeigen, sicherlich eine Aufgabe für sich. Hauer-King und Próchniak haben es in meinen Augen aber gut hinbekommen, ein schockverliebtes Pärchen zu spielen, das füreinander alles riskiert. Ich war nur bei Gita oft etwas unerschlossen, weil sie mir sehr naiv vorkam. Sie hat sich zwar ohne Frage als knallharte Kämpferin erwiesen, aber manches Mal strahlte sie auch etwas aus, was überhaupt nicht zu der restlichen Atmosphäre passen wollte. Man hat aber auch gemerkt, dass dieser Charakter irgendwann gebrochen wurde. Jeder erträgt eben nur so viel, wie er kann. Das hat dann zusätzlich auch die späteren Eheprobleme erklärt, denn die Liebe war unleugbar, aber die jeweiligen Schrecken und Arten, es zu verarbeiten, die waren unterschiedlich und haben somit für Konflikte gesorgt. Alles in allem hat man den beiden als Paar aber vollends abgenommen, warum und was sie alles füreinander auf sich genommen haben. Dass eine solche Liebesgeschichte den Holocaust überlebt hat, ist sicherlich eine ganz eigene Art von Wunder.

Bei Baretzki muss ich zunächst Nay erwähnen. Manchmal kommen mir die Zeiten von ihm bei der ARD-Produktion "4 gegen Z" wie gestern vor, aber es sind tatsächlich fast 20 Jahre. Es ist wirklich beeindruckend, wie weit ihn seine Karriere getragen hat. "Deutschland 83" war sicherlich die Produktion, die ihn international auch auf den Schirm geholt hat, so dass er nun für diese internationale Produktion als Antagonist gecastet wurde. Mit der Ankündigung der Serie hätte ich mir Baretzki tatsächlich als klassische Figur vorgestellt, die das Nazi-Schrecken verkörpert und kein Erbarmen kennt. So wird er auch eingeführt, doch letztlich bricht sich das etwas auf. Manches Mal kam er mir wie ein Verbündeter von Lale vor, aber ich denke vor allem, dass er sich das selbst auch einreden wollte. Die Serie ist bemüht, ihm ein wenig Profil zu verleihen, indem wir ihn auch abseits des Lagers erleben, wo dann Impotenzprobleme angedeutet werden. Ich fand diese Momente tatsächlich dann sehr überflüssig, denn das geht weit über das hinaus, was Lale wirklich hätte erzählen können. Auch wenn sich Lale möglicherweise seine eigenen Gedanken gemacht hat, wie Baretzki wohl in Bezug auf ihn gedacht hat, aber das war etwas zu viel. Es ist sicherlich so, dass nicht alle Wärter im Lager schwarz-weiß brutal waren, das wurde beispielsweise auch durch die Wärterin bei den Frauen angedeutet, aber dennoch ist diese spezielle Geschichte für die Überlebenden und Opfer und Baretzki war nichts davon.

Fazit

"The Tattooist of Auschwitz" ist eine brutal und schonungslos erzählte Miniserie, die auf jeden Fall nichts für schwache Nerven ist. Sie ist bis auf wenige Charaktergestaltungen gut gelungen und gibt den Geschichten Raum, die von den Opfern des Konzentrationslagers Auschwitz erzählt werden müssen. Lale, der als Tätowierer mitten rein ins System gezogen wurde, ist da gemeinsam mit seiner großen Liebe Gita die zentrale Geschichte, aber die Miniserie unterstreicht sehr gut, dass alleine dieses Lager voll war von Geschichten, denen gegenüber wir nicht die Augen verschließen dürfen, weil sie bis heute keine Relevanz verloren haben.

Die Serie "The Tattooist of Auschwitz" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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