Under the Bridge - Review Miniserie

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Bei der Hulu-Produktion "Under the Bridge", die inzwischen bei Disney+ via Star zu streamen ist, waren die beiden Hauptdarstellerinnen für mich der zentrale Einschaltgrund. Ich habe Riley Keough im vergangenen Jahr in "Daisy Jones & The Six" erlebt und war sehr angetan, weswegen sie auch zurecht für ihre Darstellung der Titelfigur mehrfach in der Award-Saison nominiert war. Im selben Zirkel ist auch Lily Gladstone von Auszeichnung zu Auszeichnung geeilt, weil sie in "Killers of the Flower Moon" das Publikum begeistert hat. Auch wenn ich den Film selbst nicht gesehen habe, so hat mir ihre Präsenz für die Eigen-Kampagne, um vor allem den Oscar 2024 abzusahnen, sehr gut gefallen. Als indigene Schauspielerin hat sie nicht nur Geschichte geschrieben, sondern sie hat auch tatsächlich etwas zu vermitteln gehabt, was mich durchgängig berührt hat, so dass ich sie nun gerne mal in einer Produktion erleben wollte. Auch wenn True Crime als Genre inzwischen schon wieder leicht abflacht, so ist umgekehrt aber noch ein Genre, das für mich gut funktioniert, aber ich habe mich mit dem Fall, den Rebecca Godfrey in ihrem gleichnamigen Sachbuch aufgearbeitet hat, im Vorfeld nicht intensiv beschäftigt.

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Godfrey wird offiziell als Produzentin der Miniserie gelistet, ist aber noch vor Drehbeginn an Lungenkrebs verstorben. Das ist natürlich sehr bedauerlich, weil es sicherlich nochmal ein spannender Aspekt gewesen wäre, wenn sie bei der PR für Serienstart zur Verfügung gestanden hätte. Aber ich finde auch so, dass die Intention, warum Godfrey viele echte Geschichten in Sachbüchern und nicht fiktiven Korsetten aufgegriffen hat, sehr gut rübergekommen ist. Denn Godfrey ist mehr oder weniger für Recherchen in den Kriminalfall von 1997 in Victoria, Kanada, hineingestolpert und hat sich dann intensiv mit den Tätern beschäftigt und die Frage der Schuld sehr intensiv beleuchtet. Auch wenn es durchaus ein beruhigendes Gefühl sein kann, in einem Land mit einem konsequenten und abgesicherten Rechtssystem zu leben, so gibt es keine rein objektive Gerechtigkeit und dadurch beschäftigt man sich unweigerlich mit Themen wie Schuld und Angemessenheit der Strafe. Das hat auch Godfrey aus sehr persönlichen Gründen getan. Dementsprechend war für mich der stärkste Aspekt der Serie auch die Darstellung der in das Verbrechen involvierten Jugendlichen. Josephine Bell (Chloe Guidry), Warren Glowatski (Javon 'Wanna' Walton) und Dusty Pace (Aiyana Goodfellow) sind alle drei von der Gesellschaft abgehängt. Mit der Darstellung ihrer Schicksale soll beim besten Willen nicht argumentiert werden, dass sie ihr Urteil durch die Justiz nicht verdient haben, aber es wird dennoch hinter die Fassade geblickt und verschiedenen Täterprofilen wird ein konkretes Gesicht gegeben, aber dazu später noch mehr.

Fangen wir aber erstmal mit allgemeineren Beobachtungen an. Die achtteilige Miniserie spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Sie erzählt zunächst die Gegenwart von 1997 nach, als Becca (Keough) in ihre Heimatstadt zurückkehrt und parallel Reena Virk (Vritika Gupta) verschwindet, so dass die Suche nach ihr beginnt. Dann haben wir Rückblenden zu Reenas Leben und wie sie mit Jo und Co. in Kontakt gekommen ist. Darüber hinaus haben wir auch noch Blicke in die gemeinsame Vergangenheit von Becca und der örtlichen Polizistin Cam (Gladstone), aber auch noch tiefer in die Vergangenheiten tauchend, wie die Großelterngeneration von Reena von Indien aus nach Kanada gekommen ist und dort zu Zeugen Jehovas wurde. Gerade die Episode, die sich so intensiv mit Reenas Familie beschäftigt, habe ich persönlich als sehr zäh empfunden. Grundsätzlich bin ich an genau solchen Geschichten interessiert, weil sie mitten aus dem Leben sind, aber für diese konkrete Miniserie fand ich es zu weit ausführend. Aber ich habe verstanden, warum es diese Episode gibt. Denn Reenas Mutter Suman (Archie Panjabi) wirft Becca an einer Stelle konkret vor, dass sie scheinbar mehr an Warren und den anderen interessiert ist, als davon zu erzählen, wer Reena war. Aber dennoch hatte ich nicht den Eindruck, dass konkret die Geschichte ihrer Großeltern Reena so extrem beeinflusst hat, dass sie genau deswegen Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Aber dennoch wurde über all die anderen Episoden gezeigt, wer Reena war und dementsprechend war es ein Ausflug, der den eigentlich spannenderen Teil etwas ausgebremst hat. Zudem kam es für mich dann auch zu kurz, warum Sumans Eltern einst Zeugen Jehovas wurden, aber ich glaube auch nicht, dass konkret die Glaubensgemeinschaft gebraucht wird, um das Verbrechen zu verstehen.

Foto: Riley Keough, Under the Bridge - Copyright: Disney und seine verbundenen Unternehmen
Riley Keough, Under the Bridge
© Disney und seine verbundenen Unternehmen

Die zentralen Figuren sind Cam und Becca und bei beiden blieb mir die Charakterzeichnung etwas zu oberflächlich. Beide hatten sehr intensive Momente, auch miteinander, aber es gab auch Andeutungen, bei denen es mir nicht weit genug gegangen ist. Nehmen wir beispielhaft Cam, so hat sie selbst in einem Wohnheim für schwierige Jugendliche, hier Seven Oaks, gelebt und ist dann irgendwann vom Polizeichef Roy Bentland (Matt Craven) adoptiert worden. Wir erfahren am Anfang, dass sie von einer Beförderung träumt und dadurch Victoria verlassen zu können, was Roy nicht ganz glücklich macht. Genauso erleben wir, wie Cam von dem Fall irgendwann angefixt wird, weil ihr Adoptivbruder Scott (Daniel Diemer) eine abfällige Bemerkung zu Reena macht, die auf ihre Herkunft zielt und wodurch Cam an ihre eigenen Wurzeln erinnert wird, denn es ist offensichtlich, dass sie indigene Vorfahren hat. Parallel haben wir die Verbindung zu Becca, die irgendwann näher ergründet wird, aber dennoch blieb es für mich auch da bei Andeutungen. Wenn ich dann umgekehrt Becca nehme, so wurde mir nie richtig deutlich, was sie ursprünglich nach Victoria zurückgezogen hat. Dass sie vielleicht innerlich Frieden finden musste, das wäre eine Erklärung, aber welche Geschichte sie konkret erzählen wollte, das wurde mir nicht klar. Das zieht sich dann die ganze Zeit über die Miniserie, weil es immer Andeutungen in alle Richtungen gibt, aber die Lücken müssen selbst gefüllt werden. Mündige Zuschauerschaft ist sicherlich ein Zielpublikum, was ich nachvollziehen kann, aber dennoch wäre ich in einigen Punkten lieber konkreter an die Hand genommen worden.

Was mir gut gefallen hat, das waren die Parallelen, die zwischen Cam und Dusty sowie Becca und Warren aufgezogen wurden. Becca hat im jugendlichen Alter ihren älteren Bruder Gabe (Teagan Stark) verloren und da sie damals unbedingt mehr Zeit alleine mit Cam verbringen wollte, hat sie ihrem Bruder eklige Sachen an den Kopf geworfen und anschließend dementsprechend lange gehadert, ob es Selbstmord/Unfall war. Damit hat sich Becca schon im jungen Alter die Schuldfrage übergestülpt, die sie auch deutlich von ihrem ursprünglichen Lebensweg abgebracht hat. Es hat die Beziehung zu Cam zerstört, es belastet auch bis in die Gegenwart ihre Beziehung zu ihren Eltern (Paul Jarrett & Glynis Davies) und beschäftigt auch ihren beruflichen Werdegang. Dementsprechend sieht sie in Warren eine verwandte Seele. Becca begegnet ihm über die ersten Episoden immer wieder und sieht einen Jugendlichen, der scheinbar von niemandem geliebt und gewollt wird, aber dennoch mit sanfter Seele im Diner nach Essensresten fragt oder auf sie nach einem High aufpasst. Jemand anderem so tief in die Seele zu blicken, macht es immer schwieriger, dann schwarz-weiß darüber zu urteilen. Cam wiederum erkennt sich in Dusty wieder, weil beide Ungerechtigkeiten sehen, aber sich dagegen nicht so erwehren können, wie sie es gerne würden. Cam merkt immer wieder, dass ihre Adoptivfamilie oftmals zu vergessen scheint, dass sie andere kulturelle Wurzeln hat und muss sich da gewisse Sprüche anhören und Dusty wiederum steht unter großem Druck durch Gruppenzwang. Die Parallelen sind jeweils sehr, sehr gut gelungen und das war auch jeweils in der Charakterdarstellung der stärkste Teil.

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In der Erzählweise ist es eigentlich ganz geschickt gemacht, denn wir haben trotz dessen, was man über den wahren Kriminalfall nachlesen kann, genug Mysterien eingebunden, die natürlich besonders wirken, wenn man sich nicht vorab informiert hat. Zunächst ist Reena nur vermisst, erst später wird die Leiche gefunden. Zunächst hält man die ganze Gruppe für verantwortlich, später zeigt sich, dass es doch nur ein kleiner Teil war und lange bleibt auch offen, in welchem Ausmaß Warren dabei war. Abseits davon punktet auch die Atmosphäre, denn die Jugendlichen sind echt eine Gruppe voll von ganz gefährlichen Dynamiken. Auch wenn ich manchmal regelrecht erschrocken war, was da so abgegangen ist, aber es war doch auch faszinierend, die Gedankengänge von Jo zu ergründen oder eben Kelly (Izzy G.) in die Augen zu blicken und da das 'Böse' toben zu sehen. Auch wenn es mich auf eine Art belastet hat, diese Gewalt und den Spaß daran zu verfolgen, aber ich muss echt den Hut ziehen, weil die Nachwuchsdarsteller*innen hier echt einen abgefackelt haben. Izzy G. war echt Gänsehaut-bescherend, verbunden mit der Hoffnung, ihrer Figur nie im echten Leben begegnen zu müssen. Jo hat sich zwar als Gangster-Braut aufgeschwungen, aber ihre verletzlichen Momente sind exzellent ausgearbeitet worden. Sei es die Szene an den Gleisen oder das Gespräch mit Cam im Gefängnis, da war das Mädchen zu entdecken, dass sich nur die harte Schale angelegt hat, um die Zurückweisung durch die Mutter irgendwie zu überleben. Die Sympathien mit Dusty und Warren sind mir leichter gefallen, weil dort die Tragik anders wirkt und es eben die Parallelen zu Cam und Becca gibt, aber ihre Geschichten waren auch berührend gespielt. Walton und Goodfellow haben es eindeutig geschafft, dass ich ihre Figuren einfach nur umarmen wollte.

In alldem dürfen wir natürlich auch Reena nicht vergessen, denn die Rückblenden gehörten vor allem ihr und natürlich ihrer Familie. Es war schon etwas absurd, dass Reenas Situation wie Luxusprobleme wirkten, was wahrscheinlich tatsächlich auch für den Disput gesorgt hat. Aber gleichzeitig ist Reena auch nicht als Engel dargestellt worden. Egal, wie unglücklich sie in ihrer Familie stellenweise war, aber ihre 'Rache' war vollkommen ungerechtfertigt und unwürdig. Dementsprechend wurde schön verdeutlicht, dass weder die Opfer-, noch die Täterdarstellung eindimensional angegangen wurde. Damit schließt sich dann natürlich auch der Kreis, dass es letztlich genauso Reenas Geschichte wie die der anderen ist und dass sie ganz ohne Familiengeschichte funktionierte. Nichtsdestotrotz sind die Eltern Virk für die Handlung wichtig. Suman hatte ich schon angesprochen und ihre Entwicklung fand ich auch die deutlich bessere. Auch durch ihren Glauben angetrieben war zunächst das Verschwinden von Reena wie eine Brüskierung, während später durch ihren Tod ganz andere Gefühle entstanden. Besonders eindrücklich war ihr später Moment mit Warren. Manjit (Ezra Faroque Khan) fand ich deutlich weniger greifbar. Mich hat seine Ehe mit Suman nicht so überzeugen können, wie es die Rückblende wohl intendiert hat. Letztlich fand ich ihn als Figur aufdringlich und keine Grenzen kennend. Aber unterm Strich war und ist er dennoch ein guter Vater, der aufgrund seiner eigenen Erfahrungen Liebe durch intensive Gesten auslebt. Die Darstellung beider Elternteile hat in Kombination aber Reenas zwischenzeitliche Verzweiflung nachvollziehbar gemacht, weil sonst die gesamte Geschichte in der Luft gehangen hätte.

Fazit

"Under the Bridge" ist eine sehr gut gespielte True-Crime-Miniserie, bei der sowohl Riley Keough und Lily Gladstone als zentrale Gesichter, als auch die Nachwuchsdarsteller*innen überzeugen konnten. Gänsehaut war an einigen Stellen vorprogrammiert. Ich mochte auch die Perspektive auf Schuld, die die Handlung angeboten hat, aber dennoch gab es auf stilistischer Ebene für mich Mängel, was es für mich nicht zu der Highlight-Miniserie macht, wie ich es mir eingangs erhofft hatte.

Die Serie "Under the Bridge" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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