"Versailles"-Interview mit Tygh Runyan

Tygh Runyan über seine Figur Fabien Marchal, Polizeichef bei Hofe König Louis XIV in "Versailles". Ein komplexer Charakter mit einem starken Sinn für Moral, irgendwo zwischen Samurai des Königs und Todesengel


Foto: Tygh Runyan
Tygh Runyan

April 24, 2017 von Nicole Oebel @philomina_
Übersetzt von Denise D.

• Read the interview with Tygh Runyan in English.

Du bist Teil der opulenten Serie "Versailles", arbeitest in Paris und vor Ort in Versailles - wie war es für dich, alles ganz von Anfang an mitzubekommen?

Es war eine unglaubliche Erfahrung! Was für eine enorme Materialquelle, mit der man arbeiten kann. Es ist intensiv und vielschichtig geschrieben und der Hauptcast ist so bedacht und talentiert. Man arbeitet mit großartigen Schauspielern zusammen! Wir sind alle sehr nah zusammengewachsen. So ein Projekt gibt es nur selten und ich denke, es beginnt ganz oben. In den Jahren vor dem eigentlichen Dreh haben die Serienmacher und Produzenten so viel Liebe und harte Arbeit hineingesteckt und es ist offensichtlich, dass sie sich viel Mühe damit gegeben haben, einen Cast und eine Crew zusammenzubringen, die das ebenso tun. Und sechs Monate lang in Paris zu drehen ist auch nicht das Schlechteste!

Als Fabien Marchal spielst du einen der fiktionalen Charaktere in "Versailles". Als Polizeichef, der das Vertrauen des Königs genießt, ist Fabien ein ruhiger, kluger Mann, nicht böse, aber fähig zu Gnadenlosigkeit. Was hat dich dazu bewogen, diesen Charakter zu spielen und was bewunderst du an ihm?

Ich bewundere Fabiens Aufopferungsbereitschaft und seine Treue. Er ist wie der Samurai des Königs. Jeden Tag wacht er in dem Wissen auf, dass es sein letzter sein könnte. Und er hat seinen Frieden damit gefunden, weil er seinen Lebenszweck erfüllt. In seiner Vorstellung dient er einer göttlichen, höheren Macht und einem König, der ganz Frankreich vereinen wird, und er wurde dazu geboren, das zu tun, was er tut. Trotz der gewalttätigen Natur seiner Arbeit hat Fabien ein tiefes Verständnis für Ehre, Pflicht und einen starken Moralkodex. Von einer modernen Perspektive aus gesehen, erscheint er so brutal und fern von allem, was wir als normal bezeichnen würden. Aber zu jener Zeit wäre er einfach ein Mann gewesen, der seinen Job macht. Einen sehr, sehr stressiger Job mit viel Druck.

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Die folgenden zwei Fragen enthalten zentrale Spoiler für die letzten Episoden von Staffel 1.

In seinen Szenen mit Beatrice sehen wir, dass Fabien seine Wachsamkeit ablegt, besonders wenn man die generelle Paranoia bezüglich Gift bedenkt, die alle machthabenden Menschen im 17. Jahrhundert hatten. Denkst du, dass er da eine gewisse Unschuld und Naivität an den Tag legt?

Er war wirklich verliebt in Beatrice und das hat ihn dazu gebracht, seine Instinkte und sein Einschätzungsvermögen zu hinterfragen. Aber nach ihrem Verrat, seinem Beinahe-Tod, und der Entdeckung, dass sie auch eine Gefahr für das Leben des Königs darstellen könnte, war eindeutig keine Liebe mehr da. Fabien konnte wieder klar sehen. Aber vielleicht nie wieder lieben.

Als Beatrice kurz vor ihrer Enthauptung mit Tränen in den Augen sagt, dass sie Einsamkeit und Verzweiflung sieht, spricht sie vielleicht über sich selbst. Fabien jedoch scheint davon auszugehen, dass das ihre Charakterisierung von ihm war und antwortet "und Pflicht". Wie hast du die vielen emotionalen Schichten dieser Szene empfunden?

Davor hat sie versucht, ihn zu vergiften und sie wurde dabei erwischt, gegen den König zu intrigieren. Ich denke, dass Fabien nach dem Verlust seiner Liebe ganz klar wusste, was für den König und Frankreich getan werden musste. Trotzdem gab es während der Exekution natürlich Gefühle der Trauer und des Leids. Einer dieser Momente, in denen man sich wünscht, dass das Leben nicht so wäre, wie es ist. Vielleicht ein Moment, in dem er gerne an einem anderen Punkt in seinem Leben wäre, in dem er sich wünscht, dass alles anders wäre. Aber gleichzeitig auch mit der Art und Weise im Reinen, wie die Dinge liegen. Das ist Dharma, das ist seine Pflicht. Und da gibt es keinen Zweifel. Aber er wählt trotzdem die schnellste und am wenigsten schmerzhafte Methode, die ihm eingefallen ist, bei der er ihr in die Augen blicken und sie gewissenmaßen auf die andere Seite begleiten konnte. Der Todesengel war für mich bei dieser Rolle eine große Inspiration. Und diese Szene war das Epitome von diesem Aspekt von Fabien. Wenn der Engel kommt, gibt es keinen Groll oder Wut, es herrscht Frieden. Es ist einfach deine Zeit gekommen, auf die andere Seite zu gehen.

Foto: Tygh Runyan, Versailles - Copyright: Tibo & Anouchka / Sky
Tygh Runyan, Versailles
© Tibo & Anouchka / Sky

Als der König sein Vertrauen in Fabien verliert, spricht sich Bontemps für ihn aus. Sowohl Fabien als auch Bontemps halten hohe Stellungen am Hof inne. Denkst du, dass sie so etwas wie Freunde sind? Oder bringt die Pflicht in ihrem Fall Einsamkeit mit sich, so wie es auch beim König ist?

Ich glaube, sie sind Freunde. Aber ihre Arbeit und ihre Stellung bringt sie oft gegeneinander auf. Ich denke, dass Fabien großen Respekt vor Bontemps hat und dass er sieht, dass sie beide einen Sinn für Pflicht und Selbstaufopferung haben. Das gibt es in der Welt von Versailles selten, mit all dem Verrat und den Erpressungen. Wo fast jeder zumindest eine Status-abhängige Agenda hat, die meistens nur ihnen selbst dient. Er vertraut Bontemps.

Bontemps und Fabien haben auch mit die besten Schlagabtausch-Szenen in Staffel 1. Hast du da eine Lieblingsszene oder eine nette Erinnerung an eine der Szenen, die beim Dreh besonders viel Spaß gemacht hat?

Es macht mir immer Spaß mit Stuart zu arbeiten! Er ist ein toller Schauspieler. Und wir lachen viel. Meine Schauspiellehrer haben bei Stella Adler und Lee Strasberg studiert, also ist meine Ausbildung sehr methodisch. Stuart ist vollkommen Shakespeare-Schauspieler und klassisch ausgebildet, also liebe ich es, seinen Arbeitsprozess zu beobachten und mich davon inspirieren zu lassen. Es ist eine richtige Bromance!

Alexander Vlahos hat uns erzählt, was für ein großer Moment es war, die Schlachtszenen auf einem Pferd zu drehen. Kannst du auch einige deiner Stuntszenen selbst machen? Ich denke da besonders an die Kampfszene in Folge 10.

Ich mache alle meine Stunts sehr gerne selbst. Als Martial-Arts-Sportler helfe ich sehr gerne bei der Kampf-Choreografie und dem Stuntteam und ich habe da eine tolle Beziehung aufgebaut. In diesem Messerkampf verwende ich einige Aikido Ausweich- und Misch-Techniken. Wir trainieren häufig mit bloßen Händen gegen einen Angreifer, der ein Messer oder ein Schwert hält, also hat sich das als sehr hilfreich erwiesen. Ich arbeite viel mit Pferden und liebe es! Reiterformationen sind großartig und ich liebe mein Pferd Minos. Er klaut mir aber das Rampenlicht! Haha. Weiß immer genau, wann die Kamera läuft. Liebt es, sich in Pose zu werfen.

Foto: Tygh Runyan
Tygh Runyan

Wenn ich das richtig mitbekommen habe, gefällt dir The Velvet Underground, oder? Gibt es irgendwelche Songs von ihnen, die du gerne am "Versailles"-Set hörst, um dich in den Charakter hineinzuversetzen?

Ich liebe The Velvets!!! Sie hatten eine unglaubliche Ausstellung in Paris, während wir dieses Jahr dort gefilmt haben. Die umfangreichste Ausstellung der Band, die es je gab. Ich bin fast jedes Wochenende hin! Ich höre in meiner Umkleide und am Set viel Musik. Aber ja, für die Rolle gibt es ein paar Stücke, die häufiger drankommen: Joy Division - New Dawn Fades, Black Sabbath - War Pigs und Michael Stearns - Marriage Chords.

Auf was achtest du als Filmemacher bei einem Projekt?

Stoff. Stoff. Stoff. Alles, was die Arbeit inspiriert. Etwas, dem ich Leben einzuhauchen, so dass etwas Gutes dabei herauskommen kann. Der Rest hat wohl viel mit einer guten Menge Glück zu tun, würde ich sagen.



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