We Were the Lucky Ones - Review Miniserie

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Autorin Georgia Hunter hat erst als Jugendliche erfahren, dass ihr Großvater und seine Großfamilie Überlebende des Holocausts waren und hat sich fortan intensiv mit deren Geschichte auseinandergesetzt. Herausgekommen ist der Roman "We Were the Lucky Ones", der von ihrer Familiengeschichte inspiriert ist. In einer Zeit, in der Antisemitismus leider wieder mehr denn je eine Thematik ist, ist es sicherlich eine gute Idee gewesen, dieses Buch nun zu adaptieren und so hat Hulu eine gleichnamige Serie mit acht Episoden auf die Beine gestellt, die von Familie Kurc erzählt. Hauptfigur Addy, die von Logan Lerman dargestellt wird, ist dabei die Rolle, die für Hunters Großvater steht. Zudem wurde auch beim Casting darauf geachtet, dass die allermeisten Darsteller*innen tatsächlich auch Juden sind. Lerman und Joey King, die seine Serienschwester Halina spielt, haben in Interviews auch berichtet, dass Verwandte von ihnen dem Holocaust entfliehen mussten. Bei so einem sensiblen Thema ist es auf jeden Fall löblich, die Authentizität so gut es möglich ist zu bewahren.

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Da ich kürzlich erst die Sky-Produktion "The Tattooist of Auschwitz" gesehen habe, die thematisch eindeutig mit "We Were the Lucky Ones" ineinandergreift, ist ein Vergleich unweigerlich. Die Hulu-Produktion, die nun bei Disney+ zu streamen ist, ist für mich deutlich 'harmloser' und weniger explizit in vielen Darstellungen, aber doch konsequent genug, dass für den Zuschauer stets bewusst ist, was gerade passiert, ohne aber wirklich alles gezeigt zu bekommen. Dazu ist "We Were the Lucky Ones" durch die Thematik deutlich familiärer und wie es der Serientitel auch andeutet, in all dem Schrecken gibt es doch ganz schön viele Happy Ends am Ende. Es ist ein großes Glück, dass Familie Kurc im Kern vollständig die Schrecken des Nationalsozialismus überlebt hat. Dementsprechend gibt es immer wieder richtig gute Nachrichten, die in der emotionalen Belastung beim Schauen für ein Ausbalancieren sorgen. Wer sich also generell für die Thematik interessiert, aber etwas unsicher ist, wie das Gesehene zu verarbeiten ist, da ist "We Were the Lucky Ones" die sichere Wahl, aber eindeutig sind beide Miniserien absolut empfehlenswert.

Foto: We Were the Lucky Ones - Copyright: 2024 Disney und seine verbundenen Unternehmen.; 2022 Hulu; Vlad Cioplea/Hulu
We Were the Lucky Ones
© 2024 Disney und seine verbundenen Unternehmen.; 2022 Hulu; Vlad Cioplea/Hulu

"We Were the Lucky Ones" ist für mich im Grunde rundum gelungen, aber einen größeren Kritikpunkt habe ich dann doch gefunden. Über die acht Episoden hinweg werden bald zehn Jahre erzählt. Auch wenn die einzelnen Folgen nahezu 60 Minuten Laufzeit (das Finale sogar darüber) haben, so fühlt sich die Erzählzeit nicht immer ausreichend an. Es werden zwischendurch sehr große Sprünge gemacht, um die Jahre überbrücken zu können. Teilweise sind auch nicht alle Kurc-Familienmitglieder in allen Episoden zu sehen. Zwar gelingt es immer wieder überzeugend, uns Zuschauer*innen schnell wieder einzufangen, so dass wir begreifen, was sich in der Zwischenzeit ergeben hat und was wir aktuell vorliegen haben, aber es verlangt viel Konzentration und es nimmt manches Mal etwas Emotionalität. Letztlich sind es im engsten Figurenkreis auch zu viele Beteiligte, so dass immer mal welche hinten überfallen. Beispielhaft kann ich Genek (Henry Lloyd-Hughes) als ältesten der Geschwister und seine Frau Herta (Moran Rosenblatt) nennen, zu denen ich auf einer emotionalen Ebene die geringste Bindung aufbauen konnte. Auch wenn Genek durch seine ganze Krise seinem Glauben und dem Heimatland gegenüber ohnehin die streitbarste Figur ist, aber er und Herta haben genug Schreckliches erlebt, um da auch voll mitfühlen zu können, aber sie wurden zwischendurch am längsten 'vergessen' und sie waren auf eine Art so isoliert, dass ich manches Mal wieder vergaß, dass sie doch auch Teil der Familie sind. Aber es ist so ein Punkt, den man wahrscheinlich als kritischen Aspekt leicht akzeptiert, denn die Jahre mussten nun mal erzählt werden und es hätte umgekehrt auch nicht geholfen, das Geschehen noch mal künstlich aufzublähen, um die perfekte Charakterarbeit zu haben.

Abseits davon hat mich die Serie in ihrer Gesamtbetrachtung sehr, sehr positiv eingenommen. Ich fand dabei besonders gut, dass das jüdische Leben der polnischen Familie so intensiv beleuchtet wurde. Wir erleben sie gleich mehrfach intensiv in der Auslebung ihres Glaubens, vor allem das alljährliche Pessach-Fest ist dabei ein wiederkehrendes Motiv. Ich fand das hier wichtig, weil es so nicht einfach nur darum geht, dass wir Figuren mit einem jüdischen Namen/Aussehen haben, sondern wirklich eine Familie und im Grunde in Randon eine ganze Gemeinschaft, die in ihrem Glauben einen Lebenssinn erkennen und umsetzen. Es fühlt sich so alles sehr real an und macht es dann umso tragischer, als die verschiedenen Familienmitglieder ihre Identität leugnen müssen, um zu überleben. Sicherlich sind es die Eltern, Sol (Lior Ashkenazi) und Nechuma (Robin Weigert), die das Herz des Ganzen darstellen. Sie kennen schon das Grauen des Ersten Weltkrieges, den sie überlebt haben, weswegen sie zunächst mit einer recht laschen Einstellung an die neuen Entwicklung herangehen. Was sie einmal schon überlebt haben, das schaffen sie noch ein zweites Mal. Es zeigt sich nur schnell, dass sie damit katastrophal falsch lagen, denn nach und nach ergeben sich erschreckende Entwicklungen, die von keinem von ihnen ferngehalten werden können.

Foto: Sarah Manesse & Logan Lerman, We Were the Lucky Ones - Copyright: 2024 Disney und seine verbundenen Unternehmen.; 2022 Hulu; Vlad Cioplea/Hulu
Sarah Manesse & Logan Lerman, We Were the Lucky Ones
© 2024 Disney und seine verbundenen Unternehmen.; 2022 Hulu; Vlad Cioplea/Hulu

Die Familienschicksale sind dabei sehr unterschiedlich, was der Serie natürlich in der Gesamtkomposition sehr gut tut. Addy ist dabei der Weltgewandte, der bei Ausbruch des Krieges in Paris lebt, aber auch von dort irgendwann fliehen muss, nur dass es nicht direkt wie geplant nach Brasilien geht, sondern erst eine Odyssee über Afrika wartet, wobei viele der Staaten dort dem Nationalsozialismus wohlgesonnen sind. Dennoch hat Addy insgesamt wohl am wenigsten dem Tod ins Auge blicken müssen und das sieht er mehrfach auch selbst ein. An ihm wurde wohl am besten gezeigt ist, was es bedeutet, auf eine Art sicher zu sein, aber es gar nicht wirklich schätzen zu können, weil die ganze Familie von der Kommunikation abgeschnitten und komplett tot sein könnte. Am stärksten fand ich Addys Moment, als es aus ihm herausbricht, wie die geflüchteten Menschen um ihn herum das Leben genießen und fernab von Europa einfach ignorieren, was sich dort ereignet. Kommt einem doch sehr bekannt vor, dieses Motiv… Umgekehrt haben wir den angesprochenen Genek mit seiner Familie, die von Camp zu Camp gekarrt werden, über Kasachstan, Usbekistan, bis hin nach Palästina und immer wieder neu ins Ungewisse aufbrechen. Auch wenn es Genek auf eine Art anstrengend gemacht hat, aber seine Krisen, wer er als Mensch ist, das fand ich sehr nachvollziehbar.

Foto: Joey King, We Were the Lucky Ones - Copyright: 2024 Disney und seine verbundenen Unternehmen.; 2022 Hulu; Vlad Cioplea
Joey King, We Were the Lucky Ones
© 2024 Disney und seine verbundenen Unternehmen.; 2022 Hulu; Vlad Cioplea

Halina ist sicherlich die dominanteste Rolle der Serie, aber vielleicht ist das auch nur ein subjektiver Eindruck, weil King als Schauspielerin die große Werbeträgerin war, aber ihre Rolle auch einfach etwas an sich hat, wodurch sie immer wie im Vordergrund wirkt. Sie ist auf jeden Fall die, die im entscheidenden Ausmaß und durch unbändigen Mut die halbe Familie am Überleben hält. Dafür, dass sie das jüngste Kurc-Kind ist, entstand dadurch aber auch der Eindruck, dass sie sich stellenweise arg aufspielt. Ob nun für ihre Geschwister, oder für Adam (Sam Woolf), sie hat viele Entscheidungen ohne Absprachen getroffen. Vieles davon war lebensentscheidend, aber sie war doch eine Art Puppenspielerin, die überall mit der Nase drinsteckte und die ähnlich wie Genek am Rand der Sympathiewertung entlang rammte. Aber sie ist ohne Frage ein Heldin und ich werden sie sicherlich als große Kämpferin in Erinnerung behalten, weil sie selbst auch unfassbar viel einstecken musste. Speziell ihre Gefangennahme, bei der sie über Monate ihren Glauben leugnet und deswegen unfassbare Gewalt erleiden muss, das bleibt hängen. Mila (Hadas Yaron) als älteres der Kurc-Mädchen ist als Persönlichkeit ganz anders. Sie wirkt sehr unnahbar, schottet sich emotional ab und wird in die Serie eingeführt, wie sie nach der Geburt ihrer Tochter Felicia eine Wochenbettdepression hat. Während Halina zu dem Zeitpunkt schon die ganze Palette an Emotionen angeboten hat, ist Mila da ganz anders, weswegen es mich umso mehr überrascht hat, dass mich ihre Geschichte eigentlich am meisten bewegt hat. Sie ist als unfassbare Löwenmutter gefragt und gleichzeitig ist es so unfassbar tragisch, was ihre Tochter Felicia durch den Krieg mitmachen muss, zumal Familienvater Selim (Michael Aloni) schon früh eingezogen wird und dann als verschwunden gilt. Felicia (gespielt von Artemisia Pagliano & Belle Swarc) ist schon früh völlig traumatisiert, weil sie in der Fabrik stets kein Wort von sich geben darf und damit in keiner Weise ihr Kindsein ausleben darf. Aber Mila hat auch keine andere Wahl und deswegen sind diese beiden Figuren so tragisch miteinander. Da habe ich tatsächlich jede Szene aufgesogen, so traurig es zwischendurch auch war.

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Jakob (Amit Rahav) ist der unauffälligste der Kurc-Geschwister. Er ist einfach ein lieber Mann, der mit Bella (Eva Feiler) die schönste Liebesgeschichte geschrieben bekommen hat. Die beiden sind da von Anfang an der Fokus, da bei ihnen alles passt, während wir umgekehrt bei Halina und Adam früh Sand im Getriebe wahrnehmen, weil speziell sie sich nicht binden will. Aber Jakob und Bella entscheiden sich immer wieder füreinander. Dabei wird an ihr in mentaler Hinsicht am deutlichsten aufgezeigt, was die Erlebnisse mit einem machen. Zunächst der Tod ihrer Schwester Anna (Anita Adam Gabay) und später auch ihre Eltern, die einen weiteren Fluchtversuch nicht mehr ertragen, das treibt sie emotional von Jakob weg, nur dass er immer wieder um sie kämpft, so dass sie ihre Liebe für ihn nicht vergessen kann. Bella und Halina haben dazu auch eine schöne Freundschaftsgeschichte, die sich über das schreckliche Erlebnis manifestiert, als sie gemeinsam nach Lemberg zu kommen versuchen. Insgesamt hat die Handlung pro Episode immer ihre großen Höhepunkte, seien es die gescheiterten Fluchtversuche, Mila, die sich ihr eigenes Grab schaufeln muss, Genek, der um sein Leben fürchten muss, während Herta in den Wehen liegt. Da wurde auf die acht Episoden einiges verteilt. Dabei wurde es erzählerisch auch geschickt gemacht, dass einige 'Cliffhanger' durch die Zeitsprünge weit hinausgezögert wurden. Beispiel: Wir wissen lange nicht, ob Halina es geschafft hat, Adam aus einem Lager herauszuholen und erfahren es dann tatsächlich erst mit einem Brief von ihr an die Familie. Wenn die Familie sich dann freut, dann ist es auch unsere Freude als Zuschauer*innen und so geht die Symbiose ideal auf.

Das Serienfinale ist aber ganz eindeutig die herausragendste Episode. Sie ist auch die mit den glücklichsten Momenten, die so viel Gänsehaut und Tränen auslösen. Aber das alles zu fühlen, diese Erleichterung, das fühlt sich verdient an. Gleichzeitig endet die Serie aber nicht einfach mit Kriegsende und tut so, als sei dann für die Juden schlagartig alles gut gewesen. Nein, es wird auch in all der Wiedersehensfreude immer noch authentisch dargestellt, wie hart es immer noch ist, zumal der in den Menschen festgesetzte Antisemitismus, der sich schließlich auch nicht nur auf Deutschland begrenzte, nicht einfach aufhörte. Emotional-traurig war da auch noch der Moment, als Nechuma, Sol und Halina zurück zur Wohnung fahren, für den Fall, dass dort Briefe der anderen angekommen sind. Doch sie werden auf ekelhafte Art und Weise abgewiesen. Aber dennoch ist das Finale mehr ein Sieg und es bleibt dabei auch den Figuren treu. Addy, der emotional mit dem kleinen Bötchen seiner Familie entgegenpaddelt, oder Mila, die Selim nach all der Zeit erst wieder neu kennenlernen muss. Hier stimmten also vor allem die Details. Ein besonderes Highlight waren dann abschließend auch die ganzen echten Familienbilder, die wohl von Hunter zur Verfügung gestellt wurden. So konnte man erfahren, was mit den Rollenvorlagen passiert ist, wo es wen hin verschlagen hat und dass die Bindung untereinander stets erhalten geblieben ist. Das ist zum Ende eindeutig das Tüpfelchen auf dem I, das unterstreicht, das niemand solches Leid aufgrund seiner Hautfarbe, Religion etc. erleiden dürfte. Denn letztlich sind wir doch alle Menschen, die einfach nur leben wollen.

Fazit

"We Were the Lucky Ones" ist eine sehr empfehlenswerte Miniserie, die beispielhaft an der Familie Kurc, die historische Vorbilder hat, den Schrecken einer polnisch-jüdischen Gemeinschaft während des Nationalsozialismus erzählt. Die Familienmitglieder haben dabei höchst unterschiedliche Erlebnisse gehabt, die hier geschickt, mitreißend und berührend miteinander verwoben wurden. Die Serie zeigt viel Schrecken, aber vor allem viel Herz, so dass am Ende klar ist, hätte es doch bitte noch wesentlich mehr von den 'Glücklichen' gegeben.

Die Serie "We Were the Lucky Ones" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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