Wer einmal lügt - Review Miniserie

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Foto: Cush Jumbo, Wer einmal lügt (Stay Close) - Copyright: 2021 Netflix, Inc.
Cush Jumbo, Wer einmal lügt (Stay Close)
© 2021 Netflix, Inc.

"Wer einmal lügt" (Original: "Stay Close") ist inzwischen schon die fünfte Romanadaption vom amerikanischen Thrillerautor Harlan Coben, die unter seinem Exklusivvertrag mit Streamingdienst Netflix entstanden ist. Zusätzlich gibt es noch die britisch-französische Krimiserie "Safe", die für Canal+ produziert wurde, aber international über Netflix zu streamen ist. Für mich ist es die zweite Serie aus der Zusammenarbeit, bei der ich eingeschaltet habe. Zuvor habe ich schon die britische Serie "The Five" gesehen, die aber wiederum nicht bei Netflix zu streamen ist. Aus der konkreten Kooperation heraus habe ich "Kein Lebenszeichen" (Original: "Disparu à jamais") gesehen, doch die französische Serie war für mich ein ziemlicher Flop. Deswegen hatte ich im Vorfeld bei "Wer einmal lügt" durchaus gewisse Bedenken. Doch vermutlich auch weil Coben selbst zum Autorenteam gehörte, ist glücklicherweise eine gute britische Serie entstanden. Erfahrt hier, warum.

"Wer einmal lügt" startet ganz schön verwirrend. Wir bekommen viele Bruchteile geliefert, die so recht noch keinen Zusammenhang haben wollen. Dennoch finde ich diese getroffene Entscheidung sinnig, denn gerade bei Krimi- und Thrillerserien ist es eine Hauptaufgabe, mit den Mysterien zu spielen, um so Verwirrung bei den Zuschauer*innen zu stiften und sich so unberechenbar zu machen. Zwar wird die gesamte Miniserie konsequent über mehrere Perspektiven erzählt, aber dennoch lassen sich zwei Sichtweisen als die dominantesten definieren, die durch den Dschungel an Informationen gleiten. So haben wir Megan Pierce-Shaw (Cush Jumbo), mit der wir mit ihrem Junggesellinnenabschied starten, da sie nach drei Kindern im Teenageralter sich endlich durchringen konnte, einen Heiratsantrag von ihrem Lebensgefährten Dave (Daniel Francis) anzunehmen. Das schafft gleich mal eine Bindung zu ihr, die aber im weiteren Verlauf der Serie doch auch wieder aufgebröselt wird und das hat mich doch etwas überrascht. Relativ schnell wird verraten, dass Megan eigentlich Cassie heißt und einst als Stripperin im Vipers gearbeitet hat, bis sie ihr Leben nach einem Zwischenfall umkrempeln musste. Diese Vergangenheit holt Megan nun wieder ein. Was aber eigentlich einlädt, mit ihr zu leiden, hat für mich persönlich zunehmend Distanz geschaffen. Ich finde es zwar gut, dass Megan kein unschuldiges Liebchen ist und ich fand es auch toll, dass eine Szene mit zwei Räubern klargemacht, dass mit ihr keinesfalls zu spaßen ist, weil sie sich zu behaupten weiß, aber in ihrem Versuch, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, ist sie zunehmend rücksichtslos geworden und hat damit ihre gesamte Familie gefährdet.

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Foto: Cush Jumbo, Wer einmal lügt (Stay Close) - Copyright: Vishal Sharma
Cush Jumbo, Wer einmal lügt (Stay Close)
© Vishal Sharma

Jumbo spielt Megan bzw. Cassie einnehmend und man kann sich ihr auch schlecht entziehen, doch es fiel mir zunehmend schwer zu glauben, dass sie sich ständig in Gefahr begibt, um wirklich nur ihre Familie zu schützen. Denn durch viele Zwischenaktionen hat sie die Gefahr erst herbeigeführt. Zudem war sie so mit sich selbst beschäftigt, dass sie auch vieles von dem, was ihre Kinder und der zukünftige Ehemann getrieben haben, nicht mehr mitbekommen hat. Ich habe für mich interpretiert, dass es für die ehemalige Cassie eine Verlockung darstellte, wieder in das alte Leben einzutauchen. Denn als Stripperin tätig zu sein, war für sie kein Notnagel, sondern ihre damalige Rettung und sie hat im Vipers eine Familie gefunden sowie die große Liebe in Ray Levine (Richard Armitage). Die Verbindungen waren also immer noch da, um diesen Reiz zu erklären. Dennoch kann das als Entschuldigung nicht ausreichen, wie sie gerade Kayleigh (Bethany Antonia) in Lebensgefahr gebracht hat. Ein weiterer Knackpunkt in ihrer Darstellung war auch die Beziehung zu Dave, denn diese hat mich überhaupt nicht überzeugt. Dave war eh nur schmückendes Beiwerk in dieser Serie, der zwischendurch mal ins Scheinwerferlicht gerückt wurde, um ihn als Verdächtigen zu inszenieren. Da er aber genauso schnell wieder verschwunden war, konnte man sich schnell denken, das war nur ein lahmes Ablenkungsmanöver. Aber die Beziehung der beiden wirkte auch gar nicht liebevoll. Bei mir konnte sich so leider nicht Überzeugung durchsetzen, dass sie ihn wirklich liebt.

Während ich bei Megan/Cassie nun doch sehr kritisch war, hätte ich damit nicht gerechnet, dass ich die Polizeifigur Michael Broome (James Nesbitt) so großartig finden würde. Denn er ist die andere dominante Perspektive, die uns stetig durch die Serie begleitet. Broome ist ein bisschen knorrig, sehr old-school in seiner Arbeitsweise und doch ist er irgendwie das Herz der Serie und vor allem der, der mich am meisten zum Lachen gebracht hat. Es waren keine echten Schenkelklopfer, aber etwas in seiner zynischen und auch unbeholfenen Art und Weise, die ich extrem charmant fand. Auch sein Zusammenwirken mit seiner Partnerin Erin Cartwright (Jo Joyner), die im Übrigen auch seine Exfrau ist, war echt herrlich. Die beiden sind im Guten auseinandergegangen, weil sie wohl erkannt haben, dass sie mehr Freunde als Lebenspartner sind und dieses Miteinander überträgt sich auf ihre Arbeit. Sie verschwören sich gemeinsam gegen ihren Chef, den jungen aufstrebenden Brian Goldberg (Jack Shalloo) und sie ergänzen sich vor allem perfekt. Erin ist die fleißige Arbeiterin, die alles immer absichert und Broome ist es, der die goldrichtigen Intuitionen hat und der auch mal das tut, was man vielleicht nicht hätte tun sollen, aber damit den Durchbruch schafft. Dadurch, dass er auch den zweiten Frühling mit der Barkeeperin Lorraine (Sarah Parish) erlebt, war es eine echte Freude, ihn bei allem zu begleiten. Zumal er sich in die Ermittlungen wirklich leidenschaftlich reingekniet hat. Ihm hat man im Gegensatz zu Megan/Cassie alles abgekauft. Es wurde nur schnell deutlich: die Frauen, die sind seine Schwäche.

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Foto: Cush Jumbo & James Nesbitt, Wer einmal lügt - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Vishal Sharma
Cush Jumbo & James Nesbitt, Wer einmal lügt
© 2021 Netflix, Inc.; Vishal Sharma

Ansonsten haben wir eben noch Ray, der für mich aber ein völlig undurchschaubarer Charakter war. Irgendwo ständig hin- und herpendelnd zwischen gut und böse. So ganz wusste er wahrscheinlich selbst nicht, wer er ist. Er war für die Serie unersetzlich, weil er tatsächlich in vielfältige Art und Weise in die Geschichte verwoben war, aber er war insgesamt wahrscheinlich wirklich zu besessen. Die angesprochene älteste Tochter von Megan, Kayleigh, sie war mit ihrer besten Freundin Bea (Rachel Andrews) ein weiterer entscheidender Faktor, wobei hier immer für mich das Fragezeichen war, bekommen wirklich beide Elternteile so gar nichts mit. Volljährig war sie nämlich noch nicht und sie hat oft geschaltet und gewaltet, ohne dass irgendjemandem etwas aufgefallen wäre. Zuletzt haben wir noch zwei Charaktere, über die ich mir noch kein abschließendes Urteil gebildet habe, da sie irgendwo zwischen Wahnsinn und Genialität einzusortieren sind. Barbie (Poppy Gilbert) und Ken (Hyoie O'Grady) sind wie aus einem Musical entsprungen, tanzen synchron durchs Leben, um dann eben als Auftragskiller (bzw. erstmals Ermittler*innen, die aber zum Äußersten gehen können) zu foltern und gegebenenfalls zu töten. Einen solchen Widerspruch habe ich zuletzt in Titans erlebt, wo sich gar eine ganze Bilderbuchfamilie als Mordquartett vom Feinsten entpuppte. Die erste Szene mit ihnen war erstmal pures Entsetzen, aber später fand ich, dass sie definitiv ein Highlight der Serie waren. Sie haben den Grundton, den auch schon Broome für mich vorgegeben hat, getroffen und sie war doch in ihrem unschuldigen und polierten Aussehen die gefährlichsten Figuren der ganzen Serie. Insgesamt muss man aber auch sagen, dass eine intensive Charakterarbeit Mangelware ist. Wir haben echte Charakterköpfe, keine Abziehbilder, das ist gut gelungen, aber zu vielen hätte ich mir einfach mehr gewünscht.

Kommen wir noch einmal genauer zum Inhalt, der zwar schon viel in den bisherigen Ausführungen mitgeschwungen ist, aber doch noch ein paar eigene Worte verdient hat. Wir haben zunächst viele eigenständigen Handlungen. Wir haben das Verschwinden eines jungen Mannes, dessen Vater alles daran setzt, diesen wiederzubekommen und damit viele Ereignisse in Gang setzt. Wir haben Broome, der einen Serientäter vermutet und wir haben Megan, die durch Lorraine in Kenntnis gesetzt wird, dass ein Peiniger der Vergangenheit wiederaufgetaucht sei. All das steht erstmal lose miteinander, aber letztlich führte doch alles zusammen. Das fand ich gut gemacht, weil sich so wirklich ein Gesamtbild ergab. Zwar gibt es gewisse logische Lücken, die aber auch immer nur kurz in meinem Kopf aufpoppten, dann passierte aber schon wieder etwas und der Gedanke war schon wieder weg. Damit ist "Wer einmal lügt" auch sehr geschickt erzählt worden, da in den acht Episoden wirklich viel passiert und Atempausen Mangelware sind. Zudem ist erfreulicherweise auch so, dass sich für mich viele Überraschungen ergaben. Die plumpe Einbindung von Dave, die schnell als Finte enttarnt werden konnte, bildet die Ausnahme. Andere Entwicklungen hat man so deutlich nicht kommen sehen. Zudem sind auch die Erinnerungsfetzen sinnig eingesetzt worden, weil sie ein Bild zeichneten, aber nie ein klares, so dass von dort aus immer noch viel möglich war. Manches Mal waren diese Rückblenden aber auch zu intensiv eingesetzt, auch weil sie inhaltlich wiederholend wurden. Insgesamt hat mir die letztliche Haupterzählung von "Wer einmal lügt" gut gefallen, auch weil es einmal ein anderes Täterprofil war, eine andere Motivik.

Fazit

"Wer einmal lügt" ist eine der besseren Romanadaptionen von Harlan Coben, die bei Netflix zu streamen ist. Die britische Thrillerserie überzeugt zwar nicht durch intensive Charakterarbeit, dafür aber mit ungewöhnlichen Figuren. Einzig die von Jumbo dargestellte Hauptfigur Megan hat mich nicht restlos überzeugen können, ansonsten haben die Zusammenstellungen gut gepasst. Auch der Inhalt ist gut irreführend. Mit wenigen plumpen Ausnahmen führt auch alles spannend zu einem nachhallenden Ende. "Wer einmal lügt" kann man sich wirklich gut anschauen!

Die Serie "Wer einmal lügt" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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