What/If - Review Staffel 1
"What/If" hat bereits im Vorfeld seiner Veröffentlichung auf Netflix ein großes Medieninteresse ausgelöst, da für die Anthologieserie viele bekannte Schauspieler gewonnen werden konnten. Allen voran steht natürlich Renée Zellweger, die auf eine lange Filmschauspielkarriere zurückblicken kann und sich sogar Oscar-Preisträgerin nennen darf. Aber auch Jane Levy ("Suburgatory"), Blake Jenner ("Glee"), Keith Powers ("Famous in Love"), Louis Herthum ("Westworld"), Dave Annable ("Brothers & Sisters") oder auch John Clarence ("Marvel's Luke Cage") können auf vielfältige Serienengagements blicken und sind daher einem breiten Publikum ein Begriff. Dennoch ist der Pilot zu "What/If" eher gemischt aufgenommen worden, da Zellwegers Darstellung von Anne Montgomery kritisiert wurde und auch der Vorwurf des Soapigen kam sicherlich auch schon allein wegen Serienmacher Mike Kelley auf, der sich bereits für "Revenge" verantwortlich zeigte, eine Serie also, die einen ähnlichen Ruf genossen hat. Wie schlägt sich nun also die gesamte zehnteilige erste Staffel, die "Was wäre, wenn"-Szenarien nachgeht?
Gleich vorweg kann ich sagen, dass sich dieses gemischte Fazit, das viele Kritiker zum Staffelauftakt gegeben haben, bei mir durch die gesamte Staffel gezogen hat. Die eher schwachen Momente wurden durch gute immer wieder ausgehebelt, so dass ich nie an den Punkt kam, die Serien abbrechen zu wollen, da das Bedürfnis, wissen zu wollen, wie letztlich alles zusammenhängt, größer war. Dennoch kann ich sehr gut nachvollziehen, dass sich diese Serie nicht unbedingt an ein breites Publikum richtet, da die "Revenge"-Handschrift deutlich zu erkennen ist. Es ist definitiv eher eine Serie für Frauen, die soapige Gestaltungen mögen. Aber grundsätzlich sind Geschmäcker ja sehr verschieden, man könnte also überrascht sein, wer nicht alles Gefallen an dieser Art von Serie findet.
Mich hat vor allem der psychologische Aspekt interessiert, da Anne sehr geheimnisvoll wirkt und scheinbar einen langfristigen Plan hat, nach dem sie ihre Mitmenschen wie die Puppen tanzen lässt. Einerseits verspricht dieses Unwissen darüber, wie weit durchdacht Annes Vorhaben sind, viel Spannung, andererseits erlauben diese Pläne auch Einblicke in die menschlichen Abgründe. Wie reagieren Menschen, wenn sie sich Situation X ausgesetzt sehen? Damit sind wir eben bei den "Was wäre, wenn"-Szenarien, die alle Handlungsbögen durchziehen, aber nur bei Anne, Lisa (Levy) und Sean (Jenner) wird dies wie ein Experiment dargestellt, bei dem Anne quasi Gott spielt. In den anderen Handlungsbögen dagegen spielt das Thema Konstruktion von Wirklichkeiten gar keine Rolle; hier schlägt eher das Schicksal in irgendeiner Form zu. Dadurch ergibt sich in meinen Augen kein stringentes Muster für die Serie, zumal die anderen Schauplätze immens qualitativ abfallen.
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Bei Anne und Lisa ist einfach spannend, wie Erstere der anderen zunächst total überlegen scheint. Schließlich aber entwickelt sich ein interessantes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem auch Lisa mehr und mehr die Grenzen ihrer Kontrahentin austestet, um ihr so in der ein oder anderen Situation ebenbürtig gegenüberzustehen. Alleine dieses Kräftemessen erinnert wirklich sehr an die beiden Hauptfiguren aus "Revenge": Emily Thorne (Emily VanCamp) und Victoria Grayson (Madeleine Stowe). Dennoch finde ich, dass dieser Konflikt nicht in all seinen möglichen Nuancen ausgetragen wurde, da auch Sean wie ein Fremdkörper zwischen ihnen steht. Er wirkt wie ein Spielball, der keinen Raum bekommt, seine eigene Persönlichkeit und sein eigenes Denken nach außen zu kehren. Hier merkt man einen sehr feministischen Zug, der leider den Nachteil bietet, dass die Männer automatisch schlecht wegkommen. Insgesamt habe ich mich oft mit dem Gedanken erwischt, dass das Potenzial dieser psychologischen Wirkung nicht ausgenutzt wurde, weil man sich zu sehr in Klischees verheddert hat. Dadurch konnte die Spannung nicht konsequent bis zum Ende aufrechterhalten werden. Das ist schade bei einer Serie, die eigentlich darauf hingearbeitet hat, dass man im Staffelfinale mit offenem Mund vorm Bildschirm sitzt.
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Bei den anderen Handlungsbögen geht es einmal um das Ehepaar Todd (Powers) und Angela Archer (Samantha Marie Ware), die sich bereits zu High-School-Zeiten ineinander verliebt haben und nun realisieren müssen, dass in ihrer Ehe die Luft raus ist. Daher hat Angela eine Affäre mit ihrem Ausbilder Ian Harris (Annable) begonnen, die eine unerwartete Entwicklung nimmt. Bei Marcos Ruiz (Juan Castano) wiederum zeigt sich, dass er seine Rolle als schwuler Mann für sich noch nicht finden konnte, zumal er auch noch mit Dämonen aus seiner Kindheit zu kämpfen hat. Diese beiden Handlungen waren an sich durchaus unterhaltsam, aber sie passten – wie bereits erwähnt – qualitativ und auch von der erzählerischen Struktur her kaum zum Rest der Serie. Ich hätte mich in die beiden Geschichten vermutlich viel mehr einfinden können, wenn sie im Rahmen einer ganz anderen Serie präsentiert worden wären. Aber wenn Marcos sich mit seinem Bekannten Kevin (Derek Smith) auf einem verrückten Drogentrip befindet, dann hätte ich am liebsten ganz schnell vorgespult, weil mich eben viel mehr interessiert hat, wie es bei Anne und Lisa weitergeht. Zudem fand ich es sehr schade, dass die Verbindungen zwischen den einzelnen Teilgeschichten (Todd als bester Freund von Sean und Marcos als Adoptivbruder von Lisa) höchst selten ausgespielt wurden. Wenn sie mehr ineinander verwebt worden wären, wenn also die Figuren mehr am Leben ihrer Mitmenschen teilgenommen hätten, dann wäre möglicherweise auch ein gleichmäßiges Interesse für alle Geschehen entstanden. So standen die einzelnen Geschichten ehrlich gesagt ohne größeren Zusammenhang nebeneinander.
Vom schauspielerischen Vermögen her ergibt sich ein ganz ähnlich zwiegespaltener Eindruck. Da die kleineren Teilgeschichten stellenweise wie Fremdkörper in der Serie wirkten, ist es mir auch schwergefallen, mich mit den dargestellten Figuren zu identifizieren und auch die Schauspieler haben so nicht viel Raum bekommen, viele Facetten ihrer Charaktere darstellen zu können. Dennoch sticht Annable für mich heraus, der normalerweise immer Everybody's Darling spielt und mit seinem Charme nicht geizt. Auf den ersten Blick spielt er zwar genau dieses Stereotyp, aber im weiteren Verlauf darf er eine ganz andere Seite von sich zeigen und man hat ihm durchaus angemerkt, dass er Spaß daran hatte, diese Rolle auszufüllen. Zellwegers Schauspiel sehe ich auch nicht kritisch. Seit ihrer diversen Schönheitsoperationen im Gesicht, die sie meilenweit von einer Figur wie Bridget Jones entfernt haben, finde ich so eine Figur wie Anne wie auf den Leib geschneidert für sie. Die berechnende Geschäftsfrau bemüht sie sich schließlich stets, keinerlei Gefühle bei ihren Interaktionen zu zeigen. Von daher: wer wäre dann besser geeignet als eine Schauspielerin, deren Mimik gar keine Gefühlsregungen mehr hergibt? Aber auch unabhängig von Äußerlichkeiten finde ich, dass Zellweger die Rolle definitiv angenommen hat und ihr etwas sehr Überspitztes mitgegeben hat, was sicherlich nicht jeder so abliefern kann.
Enttäuscht war ich ehrlich gesagt vor allem von Levy und Jenner. Bei Letzterem liegt das natürlich vor allem daran, dass er so eine unterwürfige Rolle gespielt hat, die ihn überwiegend roboterhaft hat agieren lassen. Bei Levy wiederum ist mein Problem deutlich komplexer. In "Suburgatory" hat sie zwar eine sehr bissige Teenagerin gespielt, aber dennoch hat sie dabei stets eine Herzenswärme und Lebensfreude ausgestrahlt, so dass sie sich regelrecht in mein Herz gespielt hat. Seit dem Ende der Serie sind jetzt schon fünf Jahre vergangen und dennoch hat Levy immer noch etwas sehr junges an sich. Gerade in der Rolle der Lisa fand ich sie dann sogar zu jung, weil sie gegenüber Zellweger wie ein überfordertes Schulmädchen wirkt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Lisa stets sehr emotional agiert und dabei alle Extreme von großer Freude bis hin zur rasenden Eifersucht durchlebt. Dadurch wirkte sie dann wieder genau wie die Teenagerin Tessa Altman, deren Rolle Levy doch eigentlich vor fünf Jahren abgelegt hat. Ich bin sehr traurig über diesen Eindruck, da ich sie ansonsten wirklich für eine tolle Schauspielerin halte.
Fazit
"What/If" ist durchaus eine kurzweilige Unterhaltung, die aber qualitativ große Unterschiede aufweist. Zwei Nebenschauplätze können bei der eigentlichen Handlung kaum mithalten und zudem wirken sie nicht geschickt miteinander verwoben, so dass sie eher zusammenhangslos nebeneinanderstehen. Der psychologische Spannungseffekt ist sicherlich der größte Reiz der Serie, die mehr und mehr soapig wird, aber er kann leider nicht bis ganz zum Ende durchgezogen werden. Auch schauspielerisch ergeben sich große Kontraste, enttäuscht bin ich vor allem von Levy als Lisa. Insgesamt ziehe ich daher das Fazit, dass "What/If" nicht über ein durchschnittliches Niveau herauskommt, was gerade bei diesem Schauspielensemble doch als enttäuschend zu bezeichnen ist.
Lena Donth - myFanbase
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