Das Fegefeuer

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Das Fegefeuer, lateinisch purgatorium, wird häufig auch Ort der Reinigung oder Reinigungsort genannt. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, das Fegefeuer sei Teil der Hölle, ist es das nicht. In der römisch-katholischen Kirche ist die Lehre vom Fegefeuer ein Prozess der Läuterung, der den Seelen von einigen Verstorbenen zuteilwird, jedoch nicht allen. Dem entsprechend kommt auch nicht jede Seele ins Fegefeuer, wie heutzutage im Volksglauben angenommen.

Funktion des Fegefeuers

Die römisch-katholische Lehre zum Leben nach dem Tod teilt die Seelen der Verstorbenen in drei Kategorien ein. Die erste Kategorie sind die in Gottes Gnade gestorbenen und rechtschaffenen Seelen. Sie kommen direkt zu ihm, Gott, in den Himmel (oder auch Paradies oder zur Rechten Gottes genannt). Die Seelen, die in Ungnade Gottes gestorben sind, also Ungläubige, Gotteslästerer und schwere Sünder, fahren direkt in die Hölle, wo sie darunter leiden, niemals zur Rechten Gottes zu sitzen. Schlussendlich gibt es noch die Seelen, die zwar in Gottes Gnade gestorben sind, welche aber aufgrund irdischer Sünden nicht rein genug sind, um in den Himmel hinauf zu fahren. Denn laut des römisch-katholischen Glaubens können nur absolut reine Seelen in den Himmel aufsteigen und zur Rechten Gottes sitzen. Diese Seelen gehen ins Fegefeuer, um dort unter Läuterung ihre Sünden zu büßen, um nach einer angemessenen Zeit rein in den Himmel aufzusteigen. Dabei besteht die Qual darin, dass die Seelen bereits Gottes allumfassende Liebe spüren können, sich aber unendlich schuldig fühlen, da sie diese noch nicht erfahren können, weil sie zu Lebzeiten in Sünde gefallen sind. Die Qual unterscheidet sich also signifikant von der, die die Seelen in der Hölle erleiden. Es ist eine Art Scham, die sie empfinden, aber immer in dem Wissen, dass Gott sie eines Tages zu sich nimmt, nämlich dann, wenn ihre Sünden geläutert sind und sie rein sind.

Biblische Grundlage und Entwicklung der Lehre

"Und wenn jemand ein Wort reden wird gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; wenn aber jemand gegen den Heiligen Geist reden wird, dem wird nicht vergeben werden, weder in diesem Zeitalter noch in dem Zukünftigen" (Mt. 12,32, Elberfelder Studienbibel)

Diese Bibelstelle ist es, die Papst Gregor, den Großen, dazu bringt, über einen Ort nachzudenken, an dem die Seelen der Verstorbenen geläutert werden, um in den Himmel einzufahren. Doch schon seit dem Altertum galt das Feuer als Symbol für Reinigung und Wiedergeburt. Tertullian, ein bekannter frühchristlicher Schriftsteller, der zwischen 150 und 220 nach Christus lebte, bezeichnete als einer der ersten einen Ort zwischen dem Diesseits auf Erden und dem Jenseits bei Gott. Diesen Ort nannten die frühen Christen refrigerium interim. Bei diesen frühen Christen ist diese Vorstellung eines Zwischenortes sehr positiv. Das refrigerium ist ein Ort, wo sich die Gerechten, also die, die in der Gnade Gottes starben, erfrischen, solange sie auf die Seligkeit warten, die sie erlangen, wenn das Jüngste Gericht kommt. Die Seelen schlafen, erleiden keinerlei Qual und bleiben bis zu ihrer Auferstehung im refrigerium.

Erst Papst Georg prägte den Ausdruck Purgatory, also Fegefeuer, im 6. Jahrhundert. Doch die Etablierung der Lehre vom Fegefeuer bedurfte viel Zeit. Erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war sie im kompletten römisch-christlichen Glaubensgebiet verbreitet und fest in jedermanns Glauben verankert. Dabei wird sehr schnell deutlich, dass die Bußpraxis der Gläubigen zunimmt, je stärker die Lehre vom Fegefeuer verbreitet und allgemein akzeptiert ist. Das kirchliche Ablasswesen erlebte erste Höhepunkte, obwohl zunächst, wie im apokryphen Bibeltext 2. Makkabäer 12,44-46 beschrieben, für die schnelle Erlösung der Seelen der Verstorbenen ausschließlich gebetet wurde: "44 Denn wo er nicht gehofft hätte, dass die, so erschlagen waren, würden auferstehen, wäre es vergeblich und eine Torheit gewesen, für die Toten zu bitten. 45 Weil er aber bedachte, dass die, so im rechten Glauben sterben, Freude und Seligkeit zu hoffen haben, ist es eine gute und heilige Meinung gewesen. 46 Darum hat er auch für die Toten gebeten, dass ihnen die Sünde vergeben würde." (2. Mkkb 12,44-46, Lutherbibel 1912)

Es folgte die Auffassung, dass auch gute Taten den Seelen halfen. Zum Beispiel das Stiften eines Armenbades konnte wahre Wunder für die Aufenthaltsdauer der Verstorbenen im Fegefeuer bewirken. Schon bald änderte sich dies und Geldspenden an die Kirche wurden zum gängigsten Mittel, Seelen die Qual zu verkürzen, die sie im Purgatorium erleiden. Daraus resultierte der florierende Markt des Ablassbriefhandels, der dann schon im Diesseits begangene Sünden vergeben konnte, so dass die eigene Seele gar nicht erst ins Fegefeuer einging, sondern direkt zur Rechten Gottes kam.

Die letzte Bibelstelle, auf die die Lehre vom Fegefeuer fußt, ist 1. Korinther 3,13-15: "13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag wird es klar machen, weil er in Feuer geoffenbart wird. Und wie das Werk eines jeden beschaffen ist, das wird das Feuer erweisen. 14 Wenn jemandes Werk bleiben wird, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen; 15 wenn jemandes Werk verbrennen wird, so wird er Schaden leiden, er selbst aber wird gerettet werden, doch so durchs Feuer." (1 Kor 3,13-15, Elberfelder Studienbibel)

Hier wird noch einmal ganz deutlich, dass jeder Sünder, der in der Gnade Gottes stirbt, gerichtet wird. Ob sein Leben rein genug ist, um direkt in den Himmel aufzusteigen, oder ob seine Sünden erst durch das Feuer gebüßt werden, welches dem Sünder Qualen erleiden lässt, das wird erst im Jenseits durch das Feuer selbst geklärt.

Erst im Zuge der Reformation änderte sich diese Vorstellung für viele Christen.

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