Bewertung

Review: #4.06 Gelbfieber

Ich hätte größte Lust dazu, diesem 42-Minuten-Fiasko einen Punkt zu geben. Ich hatte hohe Erwartungen, die auf ganzer Linie enttäuscht wurden. Statt einer bewegenden Episode, die viel von den Charakteren der Jungs freilegen und zudem ein wenig den Spannungsbogen hätte weiterziehen können, bietet man den Zuschauern einen Fall, der gegen jede Moral verstößt, einen handlungsamputierten Sam Winchester und Komik, die zwar durchaus zum Lachen bringt, aber dennoch in Verärgerung überschwappt, wenn man bedenkt, dass sämtliche andere Aspekte der Serie auf Kosten der Lacher vollkommen vernachlässigt werden. Eine vernichtende Kritik wäre also mehr als angebracht. Was mich davon abhält? Eine Nacht Schlaf, Gordon Walker und einige Argumente mehr, die allerdings selbst in meinen Ohren mehr wie verzweifelte Ausreden klingen als eine wirkliche Rechtfertigung.

Jensen Ackles, Retter der Show – schon wieder

An alle Kritiker dieser Welt: Gebt Jensen Ackles endlich das, was er verdient – einen Emmy. Ich bin, weiß Gott, nicht unparteiisch in dieser Hinsicht, denn es ist kein Geheimnis, dass der 30-jährige Texaner seit der ersten Folge mein Serienherz höher schlagen lässt. Aber es ist nun einmal so, dass es in erster Linie sein Verdienst war, dass ich dieses Mal nicht ausgeschaltet habe. Und das nicht, weil er eine ganz nette Verpackung aufzuweisen hat, sondern weil er ein ums andere Mal mit seiner schauspielerischen Leistung besticht. Man entdeckt nicht eine Sekunde Unsicherheiten in der Ausführung seines Charakters, sei es in den "humoristischen" Szenen (zu Recht unter Anführungszeichen), in der Interaktion mit Sam oder Bobby als der kompromisslose Jäger oder im Angstspiel mit Castiel oder Lilith – Jensen bringt in gewohnt hoher Qualität auf den Tisch, was die Regie von ihm sehen will. Allein die Szene, in der er alles hinschmeißen will, beweist, dass der Mann sein Geld wert ist. Diesen Freitag hat er mir auf jeden Fall gerettet, wenn schon nicht mit der Folge, die er wenigstens annehmbar gemacht hat, so doch mit "Eye of the Tiger". Mit wenig Aufwand hat man mich mit dem Nachspann doch noch bis zur nächsten Woche milde gestimmt.

Dean – ein Blick zwischen die Zeilen

Jensen Ackles allen ist aber bei Weitem nicht alleine der Grund für meine, in jeglicher Hinsicht, viel zu hohen Bewertung. Es sind vor allem die Zwischentöne, die sein Charakter anschlägt und die man sehr gezielt herausfiltern kann.

Das beginnt schon mit dem netten kleinen Rollentausch, den wir in der Folge sehen. Wie oft hat Dean für Sam die Stütze gespielt? Wie oft hat Dean seine eigenen Ängste hinuntergeschluckt und ist für seine Familie weiter gegangen, als er eigentlich gehen wollte? Dieses Mal lässt ihn genau dieser Teil seiner Persönlichkeit vollkommen im Stich und man sieht das erste Mal, wie viel Glück Sam mit seinem großen Bruder hat. Sam selbst fehlt nämlich die Fassade einer Gewissheit, die auch andere davon überzeugen kann, dass alles gut wird. So kommt auch bei den Zuschauern eine Botschaft an, die man nicht sehen möchte, nämlich das Gefühl, dass unsere Protagonisten nur durch Glück einen Ausweg finden können. Ohne Deans Stärke als Teil der Beziehung zwischen den Winchesters geht die Kompetenz der Beiden den Bauch runter – vollkommen. Die Serie braucht den Typus des "großen Bruders", um Glaubwürdigkeit aufzubauen und diese Glaubwürdigkeit der Figuren war für mich immer einer der wichtigsten Aspekte überhaupt. In dieser Folge habe ich somit einen Teil vermissen müssen, der eigentlich unerlässlich ist: Vertrauen in die Figuren. Eigentlich eine Todsünde, wäre da nicht die letzte Szene, in der Dean in gewohnter Manier alles zur Seite schiebt, was ihn beschäftigt. Natürlich sieht jeder, dass er selbst nicht glaubt, was er sagt. Dennoch gibt einem dieser finale Blick auf die Brüder wieder ein Gefühl von dem "Supernatural" zurück, das man eine ganze Folge lang vermisst hat.

Aber Dean wird auch noch aus anderen Sichtweisen in dieser Episode interessant. Eine dieser Sichtweisen rückt ein kleines blondes Mädchen mit ihm ins Bild und treibt einem eine vertraute Gänsehaut über den Rücken. Ja, ich gebe zu, ich finde es immer wieder aufs Neue gruselig, wenn Kinder als die Gegner der Jungs auftreten. Und Lilith ist das kälteste Etwas, das ich je gesehen habe. Als Dean sich aus ihrer Umarmung gewunden hat, habe ich mich in synchronem Verhalten vor dem Fernseher wiedergefunden. Lilith ist aber nicht nur der personifizierte Horror, sie schleppt auch noch einige riesige Fragen hinter sich her. An wie viel aus der Hölle kann sich Dean in der Zwischenzeit erinnern? Warum hat Lilith wirklich so viel Angst vor Sam? Hat sich Dean das erste Mal die gelben Augen Sams eingebildet, oder ist das die Erklärung dafür, warum er seit der ersten Folge immer wieder unerwartet zusammenzuckt? Und – ist Deans Seele noch immer in einem Pakt mit dem Bösen gefangen? Fragen bringen immer auch ein wenig Licht in eine Geschichte. Somit war auch diese Folge zumindest für den Spannungsverlauf ein wenig wert.

Bobby, Sam, Luther und Komik, wo keine hingehört

Zum letzten Punkt, der positiv war in dieser Episode: Bobby. Bobby Singer war der wahrscheinlich wichtigste Nebencharakter, den man in der Serie jemals eingeführt hat. Gut, die Allwissenheit, die man dem Vaterersatz der Winchesters auf den Leib geschrieben hat, ist realitätsfremd, aber irgendwie macht gerade das ihn umso liebenswürdiger. Wie schon so oft zuvor durchschaut er auch hier die Situation vor allen anderen, denn anscheinend weiß er mehr über Deans Innenleben, als dem lieb ist. Die stille Vertrautheit am Ende der Folge ließ mich kurzfristig vergessen, wie enttäuscht ich von der Episode war und das soll in diesem Fall viel heißen, denn bis auf die oben genannten Einzelheiten haben wir es bei dieser Episode mit einer Katastrophe zu tun.

Tod durch Furcht ist ein altes Thema, das immer wieder seine Reize bietet. Dieses Mal hat man ein gutes Thema mir nichts dir nichts im Keim erstickt. Und weil der mittlerweile schon nervende übermäßige Humor nicht ausreicht, um eine Episode kaputt zu machen, nehmen wir gleichzeitig auch noch einen furchtbaren Gegner.

Wir alle hatten in der letzten Woche genug zu lachen. Langsam beschleicht einen das Gefühl, dass man in einer Horror-Sitcom gelandet ist. Und dabei ist das Ganze nicht einmal lustig. Dean wurde von Höllenhunden in Stücke gerissen. Ich würde schon im normalen Leben bei jedem Knurren anfangen zu schreien und diese existentielle Angst wird komplett ins Lächerliche gezogen, was eigentlich absolut unpassend ist. Nur in der Szene mit Lilith kommt die Angst heraus, die man eigentlich sehen wollte, der Rest erstickt sich selbst in oberflächlichen Witzen. Und natürlich lacht man mit, aber zufriedenstellend ist es am Ende nicht und es würde mich nicht wundern, wenn sich die Quoten auf Kosten der Lacher in Zukunft nach unten korrigieren. Ein bisschen weniger Witz und ein bisschen mehr Drama würden dem Ganzen wieder gut tun.

Vor allem, wenn man bedenkt, wie lächerlich das Gesamtpaket war. Ich war schon immer der Meinung, dass moralische Fragwürdigkeit nicht Essenz der Serie sein sollte, weil es in jedem Fall falsch rüberkommt. Niemand hätte sich an der Methode, den Geist ins Jenseits zu befördern, gestört, hätte man uns einen durchgeknallten Frauenmörder präsentiert, der seine Opfer mit Angst gefoltert hat. Auf diese Art und Weise wird einerseits unklar, warum so ein sanftmütiger Mensch wie Luther zu so einem zornigen Geist mutieren kann, auf der anderen Seite wird die Methode Sams mit einem Schlag mehr als radikal. Man darf mich nicht falsch verstehen, natürlich bleibt die Situation die gleiche, immerhin hätte sich der verrückte Killer ähnlich gefühlt wie der sanftmütige Luther, dennoch wirkt diese moralische Komponente in der Serie wie gewollt und nicht gekonnt. "Supernatural" arbeitet nun einmal mit Schubladendenken, aber wenn man die Schubladen schon verlassen muss, dann bitte so glaubwürdig wie in #2.16 Highway 41 oder #2.17 Herz, nicht so oberflächlich und dilettantisch wie dieses Mal.

Ein weiteres Manko steht klar und deutlich im Raum und hört auf den Namen Sam Winchester. Jared Padalecki hätte in dieser Folge Potential, warum lässt man ihn nicht zum Zug kommen? Sam ist dieses Mal nicht gut gezeichnet. Er zeigt zu wenig, wie er sich fühlt, wenn er auf einmal die starke Rolle seines Bruders ausfüllen muss. Dabei wäre das die Gelegenheit zu zeigen, wie er vorgegangen sein könnte, während Dean in der Hölle war. Stattdessen zeigt sich Sam wie eine Nebenrolle, er zeigt kaum Gefühl und bringt den Fall so nebenbei irgendwie über die Bühne. Man hätte das Ganze genau so gut ohne Jared drehen können, obwohl er eigentlich eine tragende Rolle hätte spielen können und sollen. Dass er es nicht getan hat, ist das wahrscheinlich Traurigste der ganzen Episode.

Fazit

Hätte man mir nicht die Mini-Playback-Show im Nachspann geboten, wäre diese Folge mit einem Punkt ausgestiegen. Hätte nicht noch einen Tag ins Land streichen lassen und die Review sofort geschrieben, wie eigentlich geplant, würden da oben jetzt zwei Punkte stehen. Und hätte die Serie für mich ihren Tiefpunkt dennoch nicht bereits mit Gordon Walker erlebt, dann hätten wir ein Endergebnis von drei Punkten. So habe ich mich noch einmal mit der ganzen Folge beschäftigt, dabei die rosarote Brille aufgesetzt und drei Mal tief durchgeatmet. Jensen Ackles hatte seine Berechtigung, ebenso Lilith und Bobby. Der Rest war eine pure Enttäuschung. Wie man aus dem Thema so einen Pfusch produzieren kann ist mir ein absolutes Rätsel. Nicht einmal die ursprüngliche Reihenfolge der Episoden hätte etwas daran geändert, dass zu viel Humor zu viel des Guten für diese Serie ist. Ich bete zu Gott, dass er uns in der nächsten Folge Castiel schickt, um der Serie endlich wieder ein wenig schaurigen Tiefgang zurück zu geben.

Eva K. - myFanbase

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