Bewertung

Review: #1.01 Dies ist keine Pfeife

Foto: Switched at Birth - Copyright: ABC Family/Andrew Eccles
Switched at Birth
© ABC Family/Andrew Eccles

Das Schöne an ABC Family Serien ist, man weiß bereits im Vorfeld ziemlich genau, was einen erwartet. Entweder es handelt sich um eine reine Teenie-Schmonzette à la "Pretty Little Liars" mitsamt der Skandale, Intrigen und Liebesmehrecken, die da so dazugehören, oder ein moralisches Lehrstück wie "The Secret Life of the American Teenager". Kein anderer Sender hat so ein klar definiertes Profil und ABC Family und all dessen Shows sind sofort als solche erkennbar. Aber auch wenn ich der Zielgruppe, die man hier anstrebt schon länger entwachsen bin und meine Geduld für Guilty-Pleasure-Serien im letzten Jahr enorm gesunken ist, schaue ich doch gerade in der Sommerzeit, in der es sonst nicht viel neues gibt, gerne ab und an, was man so Neues zu bieten hat. Vielleicht entpuppt sich doch mal wieder eine der neuen Serien als äußerst unterhaltsamer Zeitvertreib wie "Greek" oder als ungewöhnlich berührend wie im letzten Sommer "Huge".

Bei "Switched At Birth" handelt es sich um genau das, was man nach dem Titel vermutet hätte. Zwei Mädchen erfahren, dass sie bei der Geburt vertauscht wurden und versuchen nun, ihr Leben nach dieser neuen Erkenntnis auszurichten. Diese Prämisse ist in erster Linie zwar ziemlich soapig, könnte aber mit etwas Feingefühl doch zu interessanten Thematiken führen, wenn die erste überfrachtete Phase erst einmal vorbei ist. Richtig angesprochen und mit leichter Hoffnung ausgestattet hat mich das Projekt aber erst, als ich davon las, dass eine der beiden Mädchen taub ist und man sich also zwangsläufig mit dieser Thematik auseinander setzen wird. Die Kombination, aus der Grundlage von zwei Familien die sich nun fast gezwungener Maßen kennenlernen müssen und einer Behinderung, die sicherlich immer wieder Fragen der Toleranz und des richtigen Umganges aufwerfen wird, aber nicht so schlimm ist, dass es nur deprimierend werden kann, ist auf jeden Fall viel versprechend.

Der Pilot der Serie konnte diese Grundlagen auch einigermaßen gut nutzen. Er war sicher kein Meisterwerk, dazu waren viele Dinge doch zu klischeehaft und manchmal durchaus auch belehrend, aber unterm Strich hat er eine Serie eingeleitet, die das Potential hat, unterhaltsam und mit einer gewissen Tiefe ausgestattet, Fragen der Identität, Toleranz, Akzeptanz und des Selbstverständnisses zu behandeln. Natürlich wäre es zuviel verlangt, so etwas klar in den Mittelpunkt zu verfrachten, zumal man das nun hier auch gar nicht erwartet, aber in der Vergangenheit waren es die Teenie-Serie, die sich "echter" Themen annahmen (also nicht nur Dingen, die durch Intrigen, Affären und künstlicher Missverständnisse aufgeworfen wurden), die mich richtig begeistern und vor allem auch auf emotionaler Ebene ansprechen konnten.

"Switched at Birth" ist nach einer Folge noch eine Art Zwischending, einerseits ist gerade das erste Drittel, in dem im Schnelldurchlauf die Ausgangslage etabliert wird (Tochter entdeckt zufällig, dass sie nicht mit ihren Eltern verwandt ist und findet ihre eigentliche Familie, beide Familien treffen sich usw.) wirklich arg holprig und gekünstelt, auch stört es mich, dass man es mit der optischen und charakterlichen Ähnlichkeit einfach total übertrieben hat. Da müssen alle Kinder von Kathryn Kennish (Lea Thompson) genau den gleichen roten Haarton haben und die eine Tochter ist ganz wie der Vater Sportlerin, während die andere wie ihre richtige Mutter Künstlerin ist. Aber nachdem die einerseits gehetzte Anfangsphase, von der man aber irgendwie auch hoffte, sie gehe schnell vorbei, überwunden war und sich alle Beteiligten langsam in die Situation eingewöhnen, war es doch ganz viel versprechend.

Die Vorraussetzungen sind da, der Cast der Serie ist momentan eigentlich durch die Bank weg sympathisch, auch wenn Lea Thompson und D.W. Moffett als reiche und wohlwollende Eltern, die gleichzeitig aber aus ihrer privilegierten Situation heraus ziemlich ignorant sind, auch den ein oder anderen zweifelhaften Charakterzug haben. Constance Marie als alleinerziehende Mutter Regina kommt bisher noch etwas mit einem Heiligenschein daher, aber durch ihre Vergangenheit als Alkoholikern besteht da ja durchaus noch Potential auf etwas mehr Tiefe. Die jungen Schauspielerinnen, besonders Katie Leclerc (die auch im wahren Leben ein eingeschränktes Hörvermögen hat) als Daphne, sind überzeugend, Vanessa Marano kämpft noch etwas damit, dass ihr Charakter Bay offensichtlich über den Mittelteil des Piloten hinweg irgendwie vergessen wurde, aber das liegt eher an der nicht ganz gelungen Strukturierung der Episode, als an ihrer Darstellung. Es gibt bei Bay zwar auch Tendenzen, die auf lange Sicht unheimlich nervend werden könnten, während im Gegenzug dazu Daphne im Moment noch recht harmlos, langweilig bleibt (schließlich ist Taubheit keine Charaktereigenschaft), aber ich will das hier mal ganz optimistisch angehen und auf das Beste hoffen.

Fazit

Nun hängt alles davon ab, wie sich die Serie in Zukunft entwickelt. Manche Aspekte sind alarmierend und könnten leicht in die falsche Richtung abdriften, gerade die Punkte der sozialen und kulturellen Unterschiede zwischen den Familien wurden doch bisher mit einer argen Naivität und vereinfachend dargestellt. Es kann also gut sein dass man sich innerhalb des Verlaufes der Staffel in eine pathetische und belehrende Richtung entwickelt, aber ebenso könnte auch eine nette, sympathische Familienserie mit Aspekten, die sonst so nirgends vertreten sind, entstehen. Die Möglichkeiten, die sich aus den vertauschten Identitäten, den sozialen und kulturellen Differenzen der beiden Familien und der Situation der tauben Tochter ergeben, sind vielfältig und sollten zumindest eine kurzweilige erste Staffel möglich machen. Ich gebe der Serie jedenfalls noch etwas Zeit, um sich selbst zu finden und entscheide dann, ob dieses Selbst mir zusagt oder nicht.

Cindy Scholz - myFanbase

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