Review: #1.01 Happy Birthday
© 2017 Twentieth Century Fox Home Entertainment
Mit "This Is Us" hat sich NBC dafür entschieden nach dem Ende von "Parenthood" im letzten Jahr wieder ein waschechtes Familiendrama ins Programm zu nehmen, welches vor allem zwischenmenschliche Beziehungen und alltägliche Problemstellungen in den Vordergrund rückt. Und ähnlich wie bei "Parenthood" wird auch bei dieser verschachtelt erzählten, sehr klassischen Dramaserie nicht an großen melodramatischen Momenten gespart, bei denen es um nicht weniger geht als Geburt, Liebe, Tod, Familie, Träume, Hoffnungen, Scheitern und wieder Aufstehen. Die Tränendrüse wird also von Drehbuchautor und Serienschöpfer Dan Fogelman kräftig strapaziert. Einen Hang zum Kitsch muss man hier also mitbringen, was aber ganz und gar nicht despektierlich gemeint soll – ganz im Gegenteil: Es ist schön mal wieder eine neue Serie präsentiert zu bekommen, welche die ganz große Geste nicht scheut, die vom ganz alltäglichen Glück und Unglück erzählt und dabei auch noch versucht erzählerisch innovative Wege zu gehen.
Es soll hier gleich vorweggenommen werden, dass es in der Pilotfolge einen recht großen Twist gibt, was für diese Art von Serienunterhaltung auf den ersten Blick recht ungewöhnlich scheint, aber für Serienschöpfer Dan Fogelman doch ein gern gewähltes erzählerisches Mittel darstellt, hat er doch die von ihm geschriebene Kino-Komödie "Crazy Stupid Love" schon mit einem Reigen an Schlusstwists versehen. Die Verbindung zu "Crazy, Stupid, Love." liegt hier auch deshalb nahe, da auch bei dem Piloten von "This Is Us" die Regisseure von "Crazy, Stupid, Love" Glenn Ficarra und John Requa Regie geführt haben und sowohl bei dem Film, als auch dem Auftakt dieser Serie eine verschachtelte, zunächst unabhängig voneinander laufende, dann aber nach und nach und nach zusammenlaufende Erzählstruktur gewählt wurde.
Bei "This Is Us" gibt es insgesamt vier mehr oder weniger parallellaufende Erzählstränge, die zunächst nur der gleiche Geburtstag miteinander verbindet. Recht früh wird aber schon deutlich, dass es sich bei der unter Gewichtsproblemen leidenden Kate (Chrissy Metz) und dem frustrierten Sitcom-Star Kevin (Justin Hartley) um Zwillingsgeschwister handelt. Kate treibt der Wunsch an, endlich an Gewicht zu verlieren und besucht deshalb eine Selbsthilfegruppe für Übergewichtige, wo sie auf den sympathischen Toby (Chris Sullivan) trifft, mit dem sich schnell eine Romanze anbahnt.
Die Entscheidung sich des Themas Übergewicht mit dem gebotenen Ernst zu nähren und die übergewichtige Frau als echten Charakter mit vielschichtigen Problemen darzustellen, ist grundsätzlich lobenswert, gerade weil in vielen anderen Film- und Serienproduktionen Übergewicht meist nur als billige Punchline für geschmacklose Zoten dient und die übergewichtigen Figuren, wenn überhaupt, nur als witzige Nebenfiguren eingesetzt werden. Trotzdem ist es im Piloten etwas schade, dass trotz eines emphatischeren Zugangs, die Figur der Kate fast vollständig über ihr Essensproblem einführt und dadurch definiert wird. Hoffentlich werden ihr auch im Kontext der Beziehung zu ihrem Bruder und der entwickelnden Romanze zu Toby im weiteren Verlauf der ersten Staffel etwas mehr Facetten zugestanden.
Bei ihrem Zwillingsbruder Kevin haben wir es mit einer netten, momentan aber in vielen Serien gesehenen Showbusiness-Satire zu tun – in diesem Fall ist es die Abarbeitung an platten, ambitionslosen Sitcomproduktionen. Kevin spielt die Hauptrolle in der sehr erfolgreichen, aber für einen Schauspieler mit Ansprüchen und Träumen sehr frustrierenden Sitcom "The Manny". Die Leiden eines zwar erfolgreichen und über alle Maßen attraktiven, aber trotzdem an dem gewählten Karriereweg zerbrechenden Schauspielers, der sich dazu entscheidet an seinem Geburtstag auf sehr brutale Weise alles Aufgebaute zu zerstören, hat seine Momente, vor allem auch aufgrund der überzeugenden Performance vom ehemaligen "Smallville"-Star Justin Hartley. Auf ganzer Linie überzeugen aber vor allem die eher stillen Momente geschwisterlicher Verbundenheit.Die denkwürdigsten Momente des Piloten liegen aber in den zwei weiteren Erzählpfaden, die einerseits vom Familienvater und erfolgreichen Geschäftsmann Randall (Sterling K. Brown) handelt, dessen Mutter kurz nach seiner Geburt gestorben ist und dessen Vater ihn daraufhin als Baby bei einer Feuerwache abgegeben hat und dem Paar Jack (Milo Ventimiglia) und Rebecca (Mandy Moore), bei welcher verfrüht die Wehen einsetzen.
Randall entschließt sich dazu, an seinem 36. Geburtstag seinen Vater aufzuspüren, um zu verstehen, warum er ihn als kleines Baby verlassen hat. Er strebt an ihm von Angesicht zu Angesicht deutlich machen, dass er sich auch ohne seine Unterstützung ein erfolgreiches und glückliches Leben aufgebaut hat. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und dem Verlangen den eigenen Erzeuger kennenzulernen, um die frühe Abweisung zu verstehen, zählt zu den stärkeren und besonders emotional einnehmenden Handlungssträngen dieser ersten Folge. Noch mehr Dramatik resultiert aus dem Faktum, das Randalls in Armut lebender Vater William (Ron Cephas Jones) unheilbar krank ist, ein Umstand der in den zukünftigen Folgen sicher noch zu für viel emotionalen Sprengstoff sorgen wird. Gesondert hervorzuheben ist noch die darstellerische Leistung Sterling K. Brown, der kürzlich erst für seine Performance als Anwalt Christopher Darden in "American Crime Story" völlig zu Recht einen Emmy mit nach Hause nehmen konnte und hier in der Darstellung des Randalls erneut einen starken Eindruck hinterlässt.
Einen übergeordneten Rahmen erhält der Pilot schlussendlich durch das Paar Jack und Rebecca, gespielt von Milo Ventigimila und Mandy Moore, die vor der Geburt von Drillingen stehen. Ihre Geschichte spielt sich fast vollständig im Krankenhaus ab, wo Rebecca schließlich eines ihrer drei Kinder bei der Geburt verliert. Die tragenden und effektivsten Momente werden besonders durch die Interaktion zwischen Jack und dem für die Geburt verantwortlichen und sehr erfahrenen Arzt Dr. Katowsky (Gerald McRaney) erzielt. Im Moment des tragischen frühen Verlustes des einen Babys gibt dieser ihm Halt und die Möglichkeit eines hoffnungsvollen Blicks in die Zukunft. Spätestens an dieser Stelle, als sich rausstellt das Jack und Rebecca nun die Eltern eines Mädchens und eines Jungen sind, entfaltet sich nach und nach der übergreifende Verknüpfungspunkt zwischen den einzelnen Geschichten und es wird verständlich warum Serienschöpfer Dan Fogelman die narrative Struktur seiner Serie mit der des Serienphänomens "Lost" verglich.
In den finalen Momenten der Folge zeigt sich, dass Jack und Rebecca die Eltern der Zwillinge Kevin und Kate sind und wir in den Momenten im Krankenhaus ihrer Geburt beigewohnt haben. Durch den Verlust ihres dritten Kindes bei der Geburt kam der Entschluss auf, mit Randall jenes Baby zu adoptieren, welches in dieser Nacht in einer Feuerwache abgegeben und dann in eben jenes Krankenhaus gebracht wurde. Bei genauem Hinsehen konnte dem sehr aufmerksamen Zuschauer dieser Twist schon früher aufgefallen sein, insbesondere viele kleine Details in der Geschichte von Jack und Rebecca, die von einer zeitlichen Einordnung in der Vergangenheit zeugen, geben bei genauem Hinschauen deutliche Hinweise darauf.
Es mutet aus Sicht einer angestrebten Zuschauerbindung nach dem Start einer neuen Serie auf dem hart umkämpften Fernsehmarkt sehr clever an, mit einem solchen Paukenschlag die erste Folge zu beenden – trotzdem muss gefragt werden, ob diese Erzählstruktur auch über einen längeren Zeitraum funktioniert und wie diese in der Praxis schließlich aussehen wird. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass der Schwerpunkt auf die Erzählung in der Gegenwart gelegt wird, um dann immer wieder kleine Impressionen aus der Vergangenheit einzustreuen, um Charaktermotivationen nachvollziehbarer zu gestalten. Aber hier muss zunächst abgewartet werden und auf die Macher der Serie vertraut werden, die mit dieser ersten Folge schon vieles richtig gemacht haben und hier vielleicht einen der großen Hits der neuen TV-Saison entwickelt haben.
Fazit
Auch ohne Zeitreisen, Superhelden oder die Aufwärmung bekannter Filmfranchises in Serienform kann emotional-effektive und überraschende Serienunterhaltung generiert werden. Aufgrund des Schlusstwists und der dadurch etablierten recht unkonventionellen, aber hochinteressanten Erzählweise fällt es noch schwer nach dieser einen einführenden Folge ein abschließendes Fazit zu fällen. Was aber gelang ist Interesse zu wecken und mehr kann von einer Pilotfolge eigentlich auch nicht erwartet werden.
Moritz Stock - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: PilotErstausstrahlung (US): 20.09.2016
Erstausstrahlung (DE): 24.05.2017
Regie: John Requa & Glenn Ficarra
Drehbuch: Dan Fogelman
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