Bewertung

Review: #1.06 Verlorene Mädchen

Wenn man diese Folge mit einem Wort zusammen fassen wollen würde, wäre es wohl "Informationsüberfluss". Aber da es bei einer Review ja gern mehrere Wörter sein dürfen, packen wir doch noch ein paar Adjektive davor, zum Beispiel "fesselnd", "überraschend" oder "aufschlussreich". Denn wir lernen nicht nur dank Stefans Erzählungen und den Flashbacks endlich Katherine und ihre Vergangenheit mit den Salvatore-Brüdern kennen, sondern erfahren durch alle Storylines dieser Folge so ziemlich alles Wissenswerte über Vampire: wie man einer wird, wie sie leben und wie man einen Vampir tötet.

I promise I will keep your secret, but I can't be with you, Stefan!

Dank Elenas Misstrauen, Recherchen und ihrer Vermutung, mit der sie Stefan schon am Ende der letzten Folge konfrontiert hat, ist man für mein Empfinden in der sechsten Folge erstaunlich schnell an dem Punkt angelangt, an dem die wahre Identität von Stefan und Damon jemandem außerhalb der Salvatore-Familie bekannt wird – zumindest wenn man mir vor Beginn der Serie davon erzählt hätte. Doch bei dem Tempo, das "Vampire Diaries" in den ersten fünf Folgen vorgelegt hat, wäre es nach den ganzen Hinweisen und Merkwürdigkeiten, die Elena auffallen, vermutlich ein langwieriges Hin und Her zwischen ihr und Stefan mit noch mehr Missverständnissen und Pseudo-Problemen geworden, wenn sie jetzt nichts von Stefans Dasein als Vampir erfahren hätte. Die Tatsache, dass die Serie ihre Story weiterhin so konsequent vorantreibt und zwar in einer Art und Weise, die das Liebespaar als anfänglichen Dreh- und Angelpunkt so langsam aber sicher aus dem Mittelpunkt rückt, legt den erfreulichen Schluss nahe, dass es hier um viel mehr geht als nur die (un)glückliche Liebe zwischen Vampir und Mensch.

Trotzdem bleibt die Beziehung von Stefan und Elena einer der wichtigen Bestandteile der Serie und es hat mir sehr gut gefallen, wie sie in dieser Folge dargestellt wurde. Elenas anfängliche Panik ist nur zu verständlich, aber es passt ebenso zu ihrem Charakter, dass sie trotz ihrer zweifellos vorhandenen Angst und Verwirrtheit auf Stefan zugeht und ihm die Chance gibt, ihr alles zu erklären. Dabei kommt Elenas passives Verhalten, das sich fast ausschließlich auf Zuhören und Nachfragen beschränkt, dem Erzählstil der Folge zugute, da sie quasi die Rolle des Zuschauers einnimmt, der ja auch erst jetzt viele Antworten bekommt. Dass Elena nach diesem Tag, an dem eigentlich die ganze Zeit deutlich wird, wie groß ihr Vertrauen in Stefan nach wir vor ist, die Beziehung plötzlich beendet, war zuerst überraschend, aber aufgrund der Ereignisse mit Vicki und Damon auch nachvollziehbar, denn dadurch wurde Elena einfach richtig bewusst, wie groß die Gefahr ist, die von den Vampiren bzw. Damon ausgeht und dass diese Gefahr nicht nur sie, sondern auch die Menschen betrifft, die ihr nahe stehen.

In dem ersten Schock, nachdem sie erfahren hat, dass Damon Vicki nicht nur getötet, sondern auch zu einem Vampir gemacht hat und Stefan sie nicht wie versprochen retten konnte, ist Elenas extreme Reaktion also nur zu verständlich, aber wenn man ihr Verhalten in der ganzen Folge betrachtet hoffe ich doch, dass dies wirklich nur ihre erste Reaktion ist und sich das mit ihr und Stefan relativ schnell wieder einrenkt. Denn dass Elena Stefan wirklich viel bedeutet, wurde in dieser Folge immer wieder deutlich, vor allem natürlich in der Aussage, dass Elena der einzige Weg ist, wie Damon Stefan verletzen kann. Allein deshalb sollte Elena schnell begreifen, dass sie an Stefans Seite am Sichersten ist, gerade jetzt, wenn neben dem auf Rache sinnenden Damon mit Vicki noch ein unberechenbarer Vampir in Mystic Falls unterwegs ist.

The smart and kind Salvatore brothers both coming to my rescue... How will I ever choose?

Endlich lernen wir Katherine kennen und sie stellt sich als ein mit Gefühlen spielendes Miststück heraus, wie es im Buche steht! Intrigant, manipulativ, berechnend und gefährlich – damit ist sie trotz der verblüffenden äußerlichen Ähnlichkeit das absolute Gegenteil von Elena und wird dadurch viel interessanter, als sie es durch das Portrait und die kryptischen Andeutungen durch Damon und Stefan sowieso schon war. Die wohl größte Überraschung war zumindest für mich die Tatsache, dass Katherine ein Vampir ist und die fast schon an Besessenheit grenzende Zuneigung der Brüder zu Katherine nur ihren Überredungskünsten zuzuschreiben war. Ihr Plan war es also, mit den Brüdern für alle Ewigkeit eine Ménage à trois ohne jede Regel zu leben – bis auf die Regel, dass natürlich Katherine alles kontrolliert und bestimmt. Sie spielt mit Stefan und Damon, spielt sie vor allem gegeneinander aus und ist ganz offensichtlich der Grund dafür, dass aus den wie beste Freunde agierenden Brüdern Feinde werden, von denen zumindest Damon noch immer auf Rache sinnt. Noch weiß man allerdings nicht genau, was das Zerwürfnis zwischen den Brüdern ausgelöst hat und außerdem kennt man nach diesen Flashbacks nur Stefans Seite der Geschichte, weshalb ich hoffe, dass es relativ bald noch mehr Erzählungen aus der Vergangenheit gibt. Denn Damons Äußerung gegenüber Vicki über das Verliebtsein hat zweifellos mein Interesse erregt: "I've been in love. It's painful, pointless and overrated" - da muss der Verrat schon sehr tief sitzen, den Stefan und Katherine ihm angetan haben...

Die Flashbacks haben mir auch abgesehen von der Story extrem gut gefallen, weil sie nicht nur sehr ästhetisch gefilmt waren, sondern auch gezeigt haben, dass die Schauspieler alles andere als eindimensional sind. Am stärksten war das natürlich bei Nina Dobrev zu sehen, die es überzeugend schafft, dass Katherine genauso hinterhältig und gefährlich ist wie Elena freundlich und unschuldig. Doch auch die beiden Brüder werden ganz anders gezeigt: bei Damon ist noch nichts von seiner jetzigen zynischen Bitterkeit zu finden und Stefan ist noch weit entfernt von der fast schon weisen Gelassenheit, die ihn als über hundertjährigen Vampir auszeichnet. Stattdessen sehen wir die beiden offen, lebensfroh und vor allem eng miteinander verbunden, was einen noch viel neugieriger darauf macht, was denn nun tatsächlich zwischen den beiden vorgefallen ist, um sie so zu entzweien.

If anyone's gonna kill you, it's gonna be me!

Und damit wären wir im Prinzip an dem Punkt angelangt, der an "Vampire Diaries" für mich momentan mit Abstand der spannendste, unterhaltsamste und interessanteste ist: die Beziehung zwischen Stefan und Damon. Ich fand es unheimlich toll, dass in dieser Folge die ganze Bandbreite gezeigt wurde, sowohl in ihrer Zeit vor Katherine, als sie ein Herz und eine Seele sind, als auch in der Gegenwart mit dieser misstrauischen Duldung des anderen, immer darauf gefasst, dass irgendeine Art Angriff kommt. Egal wie zerstört ihre Beziehung auch sein mag, die zwei scheinen trotz allem nicht ohne einander zu können und zumindest Stefan scheint noch viel an Damon zu liegen. Er versucht, Elena das Verhalten seines Bruders verständlich zu machen, auch wenn er es selbst nicht gut heißt und sucht verzweifelt den Menschen in Damon, den wir in den Flashbacks gesehen haben und der scheinbar unter all dem Hass und der Bitterkeit Damons vergraben ist.

"I promised you an eternity of misery" hat er Stefan in #1.01 Liebes Tagebuch erwidert, als dieser ihn darum bittet, ihren ewigen Streit ein einziges Mal ruhen zu lassen und diese Haltung hat sich nach seinem Aufenthalt im Kellerverließ sicher nicht geändert. Aber trotz allem rettet er Stefan, als Logan kurz davor ist, ihn zu erdolchen, und auch wenn er diese Rettung im Nachhinein sofort mit seiner Aussage relativiert, dass er derjenige sein wird, der Stefan tötet, so nehme ich es ihm nicht ganz ab, dass bei dieser Aktion überhaupt kein Funken Bruderliebe dabei war. Auch wenn Damon es bis jetzt gut versteckt, so hat er schon am Ende von #1.03 Monster bei der schlafenden Elena bewiesen, dass Stefan ihn doch besser durchschaut, als Damon zugeben will und dass durchaus noch Menschlichkeit und ehrliche Gefühle in ihm vorhanden sind – vielleicht nicht unbedingt gegenüber einem x-beliebigen High School-Lehrer oder Caroline, aber doch seinem Bruder und dem Ebenbild der Frau, die er geliebt hat.

Die Dynamik zwischen Stefan und Damon kam mir vermutlich durch die Flashbacks in dieser Folge noch viel intensiver vor als in den bisherigen und ich bin gespannt, wann wir endlich mehr von Damons Seite erfahren und wie sich das Verhältnis der beiden nun entwickelt, wenn sie mit den Vampirjägern einen gemeinsamen Feind haben, gegen den sie sich gemeinsam behaupten müssen.

I think I know what can help you. – What's that? – Death!

Die unterhaltsamste Storyline der Folge hatten zweifellos und mit Abstand Damon und Vicki, die die Folge immer wieder aus der ernsten Grundstimmung gerissen und wunderbar aufgelockert haben. Die Chemie zwischen Ian Somerhalder und Kayla Ewell war großartig und auch die beiden Figuren passen einfach perfekt zueinander oder sagen wir besser so, in Vicki hat Damon das perfekte und willige Opfer gefunden, um sich die Zeit im Haus zu vertreiben, bis Stefan ihm seinen Ring wieder bringt. "I'm getting really bored and really impatient and I don't do bored and impatient" – das macht er eindeutig klar, als er Vicki kurzerhand mit seinem Blut dopt, um sie wieder zu Kräften zu bringen, damit er ein Spielzeug hat, das ihn unterhält und gleichzeitig nur auf die Möglichkeit zu warten scheint, sie umzubringen und damit Stefan einen Schlag ins Gesicht zu versetzen, genau wie mit dem Massaker, das er auf dem alten Friedhof veranstaltet hat.

Allerdings erfahren wir dadurch, wie man im "Vampire Diaries"-Universum zum Vampir wird: man muss Vampirblut trinken und sterben, solange es noch nicht vom Körper abgebaut ist. Ab diesem Punkt setzt die Verwandlung ein, was man (herrlich gespielt von Kayla Ewell) an Vicki sehen konnte, die vermutlich das Gefühl hatte, auf dem schlimmsten Drogentrip ihres Lebens zu sein. Großartig, wie auch Jeremy und Matt als erstes danach fragen, ob sie high ist bzw. was sie zu sich genommen hat, mir gefällt diese Parallele zwischen Süchtigen und Vampiren extrem gut! Doch Vickis Verwandlung wird erst dann abgeschlossen, wenn sie selbst das Blut eines Menschen trinkt und genau davor will Stefan sie bewahren, um die Tat seines Bruders wieder gut zu machen und Vicki vor seinem eigenen Schicksal zu schützen. Die Szene zwischen den beiden am Schluss war unglaublich intensiv und es war natürlich hochdramatisch, das genau in dem Moment, als Stefan Vicki soweit beruhigt und überzeugt hat, dass sie mit ihm kommt, Logan auftaucht und sich die Ereignisse überschlagen. Dadurch, dass Damon Logan schon gebissen und getötet hat, hat Vicki die Möglichkeit, Menschenblut zu trinken und sich vollständig zu verwandeln, ohne tatsächlich einen Menschen umgebracht zu haben. Ich fand es genial, wie selbst in dieser Szene, die durch Stefan und Damon so ernst und emotional war, noch die Selbstironie der Serie durchkam, als Vicki blutverschmiert von Logan aufsieht und sich mit einem zerknirschten "Sorry" bei Stefan entschuldigt, nachdem sie ihm kurz davor noch versprochen hat, dem Verlangen nach Blut nicht nachzugeben. Trotz allem verspricht Stefan Elena am Schluss, dass er sich um Vicki kümmern und sie dazu bringen wird, sich ebenfalls von Tierblut zu ernähren – bleibt allerdings abzuwarten, ob ihm da nicht Damon in die Quere kommt und Vicki von seinen Lebensgewohnheiten überzeugen will...

You ever staked a vampire before? – Have you?

Ein wichtiger Teil dieser Folge waren zweifellos auch die Vampirjäger rund um Bürgermeister Lockwood und Sheriff Forbes die nach kurzer Vorbereitungsphase dem "Monster" den Garaus machen wollen. Dadurch erfahren wir, was es mit der mysteriösen Gilbert-Uhr auf sich hat, die schon vor Logans Interesse daran Aufmerksamkeit erregt hat, als Jeremy sie extra versteckt, damit Elena sie nicht für die Ausstellung verleiht. Auch wenn er es nur getan hat, um sein Erbe und damit etwas, das für ihn wegen der Erinnerung an seinen Vater wichtig ist, zu behalten, ohne zu wissen, was für eine tiefere Bedeutung hinter der Uhr steckt, so wurde dadurch schon die hervorgehobene Stellung der Uhr verdeutlicht. Jetzt wissen wir, wieso die Uhr für die Vampirjäger so interessant ist, dass Logan dafür Jenna ausnutzt und einen Diebstahl begeht: mit einem speziellen Ziffernblatt, das im Rathaus aufbewahrt wurde, wird aus der Taschenuhr ein Kompass, mit dem man Vampire aufspüren kann. Außerdem wird Logan, der sich mit dem Kompass auf den Weg macht, mit einer Pistole voller Holzpatronen ausgestattet, die die Vampire zwar nicht töten, aber doch so sehr schwächen, dass die Jäger ihnen einen Holzpflock ins Herz jagen können.

Ganz offensichtlich ist die Vampirjagd in Mystic Falls keine erstmalige Angelegenheit und das bestätigt ja auch Stefan in seinen Erzählungen gegenüber Elena, als er meint "There was a time when this town was very much aware of vampires and it didn't end well for anybody". Die Frage ist jetzt, wie sich diese Jägertruppe genau zusammen setzt: sind es die alteingesessenen Familien von Mystic Falls, die über Generationen die nötigen Informationen über Vampire und die Jagd auf sie weitergegeben haben? Oder ist es immer der Bürgermeister, der von einer Art Versammlung aufgeklärt wird und dort seine Verbündeten hat? Auch hier sind noch viele Fragen offen, obwohl es so viele Informationen gab und ich frage mich, was der Tod von Logan für Auswirkungen hat: ziehen sich die Vampirjäger erst wieder zurück und bereiten einen durchdachteren Angriff vor oder riskieren sie es, noch mehr aus ihren eigenen Reihen zu opfern, um die Vampire (oder besser gesagt den Vampir, denn die Jäger wissen ja noch nicht, dass es mittlerweile sogar schon drei sind) zu finden und zu töten?

Fazit

Obwohl man als Zuschauer Informationen ohne Ende bekommt, war die Folge keineswegs trocken, langweilig oder überfordernd, sondern extrem unterhaltsam. Das lag einerseits daran, dass sie wunderbar konzipiert war und man auf so unterschiedliche Art und Weise alles Mögliche über Katherine im Besonderen und Vampire im Allgemeinen erfahren hat, und andererseits habe ich den Eindruck, dass mit dieser Folge so etwas wie eine Art gemeinsames Grundwissen bei den Zuschauern geschaffen wurde, damit die Serie nun richtig loslegen kann. Denn obwohl bis jetzt schon ein enormes Tempo vorgelegt wurde, glaube ich, dass die bisherigen Folgen storytechnisch gerade mal die Spitze des Eisbergs sind. Trotz der vielen Informationen sind nach dieser Episode noch so viele (neue) Fragen offen und es wird extrem spannend werden, noch mehr in das Mysterium Mystic Falls einzudringen.

Lena Stadelmann - myFanbase

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