Review: #2.05 Ich bin Anne Frank (2)
Eines der unzähligen Themen, das in der zweiten Staffel von "American Horror Story" bisher angeschnitten wurde, ist das der Frauenfeindlichkeit und der einem oftmals gar nicht so wirklich bewussten Diskriminierung von Frauen in allen möglichen Domänen des Alltagslebens. Da hatten wir Shelley, deren Sexualverhalten nicht geduldet wird, weil sie eine Frau ist, oder Grace, die unter häuslicher Gewalt litt und somit selbst zur Täterin wurde, oder auch Schwester Jude, die vom Monsignore nie als Gleichberechtigte behandelt wird. In dieser Episode geht es den Frauen der Serie nun richtig an den Kragen, sei es psychisch (Charlotte, Lana), körperlich (Grace, Lana) oder beruflich (Schwester Jude). Damit hat die Serie zumindest mal für eine Folge eine Art übergeordnetes Thema und siehe da – schon geht es aufwärts. Doch weiterhin bleibt die Frage, welche Richtung die Staffel denn einschlagen will und wohin das alles führen soll.
"I've never been happier."
Nachdem die Storyline rund um die angebliche Anne Frank in der letzten Folge eher Anlass zur Skepsis war, so konnte man diesmal überraschenderweise das Ruder herumreißen und eine zufriedenstellende Auflösung der ganzen Sache bieten. Die mysteriöse Frau heißt nicht Anne, sondern Charlotte Brown, die wohl durch die Auswirkungen einer postnatalen Depression eine Obsession für Anne Frank entwickelte. Charlottes Hintergrundgeschichte in Filmeinlagen zu präsentieren, die ganz an die Anfänge des Mediums erinnern, ist eine tolle Idee und ermöglicht es einerseits, eine Art Hommage an die 50er und 60er Jahre zu präsentieren, und andererseits einen enormen Gruseleffekt aus den schnellen Schnitten und abrupten Szenenwechseln zu erzielen. Überhaupt ist Alfonso Gomez-Rejons Inszenierung, obwohl sie manchmal recht dick aufgetragen ist, sehr effektiv und bedient sich stilsicher sämtlicher Regietricks aus dem Horrorfach. Das beginnt bei der ersten Szene mit Jessica Lange, in der Gomez-Rejon geschickt mit dem Spiegel arbeitet, über das tolle Spiel von Licht und Schatten bei dem Gespräch zwischen Kit und Grace, bis hin zum Ende in Thredsons Keller des Grauens.
Charlottes Geschichte nimmt schließlich ein grausames Ende: Dr. Arden überredet Charlottes verzweifelten Mann dazu, an ihr eine Lobotomie durchführen zu lassen und damit prinzipiell ihr gesamtes Wesen auszulöschen. Die Charlotte, die nach Hause zurückkehrt, ist die perfekte Hausfrau und Mutter, perfekt geschminkt, perfekt gekleidet, absolut unterwürfig. Das bürgerliche Leben voller gespielter Glücklichkeit wird hier fabelhaft als Horrorszenario und gesellschaftlicher Albtraum dargestellt, der die absolute Ergebenheit der Ehefrau voraussetzt, und nahezu einer Gehirnwäsche gleicht.
"Men are never gonna accept a woman taking charge. Especially not a woman as strong as you are. In my opinion, you never really had a chance."
Derweil geht die Jessica-Lange-Show weiter: Die zweifache Oscarpreisträgerin darf dieses Mal nicht nur von einem toten Eichhörnchen erzählen, sondern auch gleich mal die Femme Fatale geben. Nachdem ihr mit Charlotte ein großer Faux-Pas unterlaufen ist, droht nicht nur Arden, sie beim Monsignore bloßzustellen, sie beginnt auch an ihrer eigenen Kompetenz zu zweifeln. Sehr spannend ist das erneute Aufeinandertreffen von Jude und Arden, bei dem der gegenseitige Hass förmlich greifbar wird und Ardens Arroganz und Gefühlslosigkeit wieder neue Ausmaße annehmen. Er geht schließlich als Gewinner vom Feld und treibt Jude mit seiner Drohung aus Briarcliff hinaus. Judes Zusammenbruch in Anwesenheit des Wachmanns sowie dessen Kommentar, dass eine Frau von Männern niemals als Vorgesetzte akzeptiert werden würde, unterstreichen nochmals die übergreifende Thematik und machen deutlich, dass Jude in der Tat – trotz ihrer vielen Makel – eine starke Frau ist.
Das Ende ihrer Herrschaft in Briarcliff bedeutet eigenartigerweise auch das Ende ihres Daseins als Nonne. Auch wenn man versteht, dass Jude nun ohne Lebensaufgabe dasteht, so ist der Wandel von der Klosterschwester zur verführerischen Dame doch etwas abrupt und fragwürdig. Und die größte Frage, die sich stellt: Wie verfährt man nun weiter mit Jude? Wird der Schauplatz des Geschehens nun aus Briarcliff hinausverlagert, nun da auch Kit und Lana sich außerhalb der Anstalt befinden?
"Mint?"
Der mit Abstand beste Teil der Episode ist schließlich das letzte Viertel. Spätestens als Dr. Thredson Kit davon überzeugt, ein Geständnis zu Almas Mord abzulegen, dürften beim Zuschauer die Alarmglocken geschrillt haben und dennoch – Zachary Quintos differenziertes Spiel unterdrückt den eigenen Verdacht wirklich sehr lange und lässt einen immer wieder daran zweifeln, ob er wirklich Sylar, ähhh, Bloody Face ist. Die gemeinsamen Szenen von Quinto und Sarah Paulson sind Spannung pur und gerade durch den falschen Schein der Sicherheit absolut unheimlich. Lana entflieht dem Fegefeuer Briarcliffs, nur um in der Hölle von Thredsons Keller zu landen und obwohl die Überraschung, dass Thredson Bloody Face ist, zum Zeitpunkt der Enthüllung nicht mehr wirklich groß ist, so ist die Horrorwirkung keinesfalls geschwächt. Lana ist Thredson nun völlig ausgeliefert und wie ich die Serie einschätze, hat das Grauen gerade erst begonnen.
Was soll man von dieser Folge nun also halten? Während die Entwicklungen rund um Schwester Jude, Kit und Grace eher mäßig interessant waren (nicht zu vergessen: die lächerlichen Aliens), so kann vor allem die Story rund um Charlotte sowie Thredson und Lana überzeugen. Nach der haarsträubenden Episode letzte Woche schafft es #2.05 I Am Anne Frank (2) tatsächlich gerade noch, den Hals aus der Schlinge zu ziehen. Man sieht, dass es der Serie gut tut, eine Art thematische Orientierung zu haben, wie es in dieser Episode das Frauenbild ist. Klar ist: Die Staffel muss jetzt bald eine Richtung einschlagen und sich entscheiden, was sie mit ihren Teufeln, Shelley-Monstern, Bloody Faces, Aliens und Nazis anstellen will. Denn dann könnte sie endlich auch mal eine Punktzahl im oberen Drittel erzielen.
Maria Gruber - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: I Am Anne Frank (2)Erstausstrahlung (US): 14.11.2012
Erstausstrahlung (DE): 17.10.2013
Regie: Alfonso Gomez-Rejon
Drehbuch: Brad Falchuk
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