Bewertung

Review: #2.06 Die Ursprünge des Bösen

Foto: Joseph Fiennes, American Horror Story - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Joseph Fiennes, American Horror Story
© Frank Ockenfels/FX

All the Best Cowboys Have Daddy Issues. So singt es die Band Senses Fail und so kennen wir es aus unzähligen Filmen, Serien und Romanen. Wer ein vielschichtiger Held sein will, muss ungelöste Probleme mit seinem Vater haben. Das unbesungene, aber auch häufig dargestellte Gegenstück dazu lautet wohl: All the Worst Serial Killers Have Mommy Issues. Gruselige Serienmörder haben grundsätzlich ein sehr gestörtes Verhältnis zu ihren Müttern und können daher keine normalen emotionalen Bindungen aufbauen. So wie Oliver Thredson. Dass er von seiner Mutter verlassen wurde und in staatlicher Obhut aufwachsen musste, ohne jede Liebe und Geborgenheit, hat seiner Psyche einen extremen Knacks versetzt. Seine Besessenheit für die Haut seiner weiblichen Opfer ist Ausdruck seiner krankhaften Sehnsucht nach Berührung. Um nicht wie die anderen Frauen zu enden, hat Lana keine andere Wahl, als auf Olivers Bedürfnisse einzugehen und für ihn die liebende Mutter zu geben. Schaurig.

Hautkontakt

Zachary Quinto, der schon in "Heroes" unter Beweis gestellt hat, dass er die Rolle des gefährlichen Psychopathen hervorragend beherrscht, darf in dieser Episode erstmals so richtig brillieren. Oliver ist nicht der originellste Serienmörder unter der Sonne, aber sein völlig irregeleitetes Bedürfnis nach Mutterliebe und seine instabile Gemütslage in Kombination mit seiner Intelligenz, seinem medizinischen Fachwissen und seinem braven Äußeren machen ihn durchaus zu einem unheimlichen Charakter, der schwer auszurechnen ist. Die Szenen zwischen ihm und Lana sind sehr intensiv und man mag sich gar nicht ausmalen, will aber dennoch unbedingt wissen, was sie noch alles tun muss, um ihn bei Laune zu halten. Zudem steht über allen Szenen mit Oliver die Frage, wer sich 2012, also fast fünf Jahrzehnte später, hinter der Maske von Bloody Face verbirgt. Vielleicht der Sohn von Oliver und Lana, den letztere ganz bestimmt nicht freiwillig empfangen und geboren hat?

Teufel in Engelsgestalt

Briarcliff hat keine Kinderabteilung. Darüber ist man einerseits sehr erleichtert, da man Kinder ganz sicher nicht an diesem Ort und in der Obhut von Dr. Arden sehen möchte, doch andererseits, und das ist ja das paradoxe an einem Ort wie Briarcliff, hätte das Vorhandensein einer solchen Kinderstation vielen Menschen, darunter anderen Kindern, dass Leben gerettet. Das kleine Mädchen namens Jenny, das von seiner verzweifelten Mutter nach Briarcliff gebracht wird, aber dort nicht bleiben kann, ist eine echte Soziopathin. Jenny kann Gefühle wie Liebe und Mitleid gar nicht empfinden und stellt somit eine permanente Gefahr für ihre Umgebung dar. Sie löscht letztlich ihre ganze Familie aus und wird auch weiterhin töten, bis sie jemand aufhält, da ihr einfach die biologischen Mechanismen fehlen, die ein solches Verhalten verhindern.

Wie der Serienmörder mit dem Mutterkomplex ist das Creepy Little Girl, das unheimliche kleine Mädchen, eine altbewährte Horrorfilmzutat, die hier interessanterweise mit dem Motiv der vom Bösen korrumpierten Gottesdienerin verknüpft wird. Die Szene, in der Jenny und die besessene Schwester Mary Eunice miteinander sprechen, ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Zum einen sehen wir zwei Personen - ein Kind und eine Nonne - die eigentlich rein und unschuldig sein und in uns Hoffnung und Vertrauen wecken sollten. Stattdessen jedoch verbreiten sie sehr erfolgreich Angst und Terror. Dies führt unser ursprüngliches Verständnis von Gut und Böse, wie es der logische Verstand vorgibt, ad absurdum. Zum anderen wird herausgestellt, dass für einen Dämon ein Soziopath der unverfälschtere, idealere und stärkere Mensch ist.

Der Monsignore und der Nazi

Der eindeutige Schwachpunkt dieser Folge ist für mich Monsignore Timothy Howard, der im bisherigen Verlauf der Staffel ein ziemliches Schattendasein geführt hat und nun recht plump in den Mittelpunkt gerückt wird. Die Eindrücke, die man von ihm gewinnt, erweisen sich als ziemlich halbherzig und lassen ihn nicht unbedingt zu einem Charakter werden, von dem man sich noch viel erhofft. Timothy wusste von Dr. Ardens Tests an Menschen, doch erst als er plötzlich eines der menschlichen Versuchsobjekte, die bedauernswerte Shelley, vor sich hat, übermannen ihn Zweifel. Aha. Ich finde, die Idee, dass Menschenversuche keine schöne und humane Angelegenheit sind, kommt ihm für einen gottesfürchtigen, einigermaßen intelligenten Mann seltsam spät. Es wäre sicherlich auch nicht unklug gewesen, wenn sich Timothy zwischenzeitlich genauer über Dr. Ardens Arbeit informiert hätte, statt diesem alles, einschließlich Timothys eigener Reputation, auf dem Silbertablett zu servieren. Mittlerweile kann Timothy aus dem Geschäft mit dem früheren Nazi-Arzt, der tatsächlich einst Hans Gruper war, nicht mehr heraus, was sicherlich noch genauer thematisiert wird. Offenbar hat der Monsignore, trotz einer grundsätzlich gottesfürchtigen und menschenfreundlichen Einstellung, verdammt viele Fehler begangen.

Maret Hosemann - myFanbase

Die Serie "American Horror Story" ansehen:


Vorherige Review:
#2.05 Ich bin Anne Frank (2)
Alle ReviewsNächste Review:
#2.07 Engel des Todes

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "American Horror Story" über die Folge #2.06 Die Ursprünge des Bösen diskutieren.