Bewertung

Review: #2.07 Engel des Todes

Foto: Lizzie Brochere, American Horror Story - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Lizzie Brochere, American Horror Story
© Frank Ockenfels/FX

Wenn man sich bei dieser zweiten Staffel von "American Horror Story" auf irgendetwas verlassen kann, dann darauf, dass Folge um Folge ein immer neuer Maßstab an Absurdität gesetzt wird. Während man am Anfang noch mit Aliens, Satan und den Nazis zu hadern hatte, stehen Zombiemutanten in der Backstube, suizidgefährdete Autofahrer und Todesengel mittlerweile quasi an der Tagesordnung. Natürlich züchten wir Zombies im Wald! Klar wird eine Frau, die ausblutet, nicht ins Krankenhaus gebracht! Völlig normal, dass ein Entführungsopfer bei seiner Flucht direkt dem nächsten Psycho in die Hände fällt! Natürlich ist ein vermeintlicher Serienkiller nicht angekettet, wenn er mit seinem Anwalt spricht!

Und ja, das war Ironie.

"I'm free."

Doch ich möchte ja konstruktiv kritisieren, also kommen wir erst zu dem einzig wirklich guten Aspekt dieser Episode: Die großartige Frances Conroy ist zurück und zeigt sich in einer außerordentlich interessanten Rolle, nämlich dem Engel des Todes. Mit dem Kuss des Todes wird ein weiteres beliebtes Horrorelement abgehandelt, das mit Conroy und einer wirklich wunderbaren visuellen Ästhetik sehr schön umgesetzt wurde, und das sich wie ein roter Faden durch diese sonst so unausgegorene Folge zieht.

So sehen wir verschiedene Leute, deren Leben am seidenen Faden hängt und die sich entweder dem Tod als letzte Möglichkeit der Erlösung hingeben oder mit einem eisernen Überlebenswillen weiterkämpfen. Da haben wir den Insassen Terry, der plötzlich Stimmen hört, die ihn zum Selbstmordversuch treiben und schließlich den ersehnten Todeskuss herbeiführen. Auch Grace hat jegliche Lebenskraft verloren und gibt sich dem Todesengel hin. Lana und Jude hingegen wehren sich vehement gegen den Tod, auch wenn es ihnen nicht nur ein Mal in den Sinn gekommen ist, ihr Leben zu beenden. Und dann ist da noch Mary Eunice, die in ihrem eigenen Körper gefangen ist und den Engel des Todes in einer von Lily Rabe sehr überzeugend gespielten Szene darum anfleht, sie zu erlösen. Diese Bitte wird ihr jedoch nicht gewährt. Dafür aber kann man sich auf das nächste Zusammentreffen zwischen dem Teufel und dem Todesengel freuen, deren Dynamik definitiv funktioniert hat.

"I can either cut your throat or I can strangle you. I don't believe in guns."

Nahezu übermenschlichen Überlebenswillen legt diesmal Lana an den Tag, deren Storyline von einer extremen Grausamkeit geprägt ist, die am Ende dann aber ins Absurde abdriftet. Ganz nach dem Motto "Ein Unglück kommt selten allein" wird Lana ein Härteschlag nach dem anderen verpasst: Erst wird sie gegen ihren Willen in ein Irrenhaus eingewiesen, dann flieht sie mithilfe eines Frauenmörders, dessen Opfer sie wird, und als sie sich dann aus dessen Gefangenschaft befreien kann,... steigt sie zu Ethan Rom aka William Mapother ins Auto! Ernsthaft jetzt?

Und das Beste: Lana landet genau dort wieder, wo das ganze Desaster angefangen hat. Ihre Storyline hat sich damit genau ein Mal im Kreis gedreht. All der Aufwand, all das Grauen, dieser ganze Albtraum, nur um wieder nach Briarcliff zurückgebracht zu werden. Hier muss man sich wirklich fragen: Inwiefern ist es dramaturgisch clever, einen Charakter durch die Hölle gehen zu lassen, nur um ihn wieder an den Ausgangspunkt seiner Geschichte zurückzubringen? Lanas einzige Motivation ist seit sieben Folgen die Flucht, nichts anderes. Trotz all dem, was ihr schon widerfahren ist, kann hier von keiner Entwicklung die Rede sein.

Genauso wie Lana kehrt auch Kit zu Briarcliff zurück, was allerdings noch weniger vertretbar ist, da er a) eigentlich gar nicht die Gelegenheit hätte haben dürfen, einfach mal seinen Anwalt zu erschlagen und b) tatsächlich freiwillig zurückkommt. Ähm Kit, du erinnerst dich schon an die ganzen Mutanten im Wald? An Nazi-Doktor Arden? An die Tatsache, dass man niemals in eine Situation kommen sollte, in der eine andere Person sich heldenhaft vor dich werfen muss, um dein Leben zu retten? RIP Grace. Ihr klischeehafter Tod ist letztlich kein besonders gelungener Abgang, da er mit einem völlig deplatzierten Pathos behaftet ist und keine wirkliche emotionale Resonanz auslöst. Denn mal ehrlich: Wird sie irgendjemand vermissen? Was genau hat Grace im Gesamtgefüge der zweiten Staffel eigentlich bewirkt oder gemacht? Grace ist das beste Beispiel dafür, was mit quasi allen Protagonisten dieser Staffel zur Zeit passiert: Sie ist ein Charakter, der insgesamt weit hinter dem Potential blieb, das er eigentlich gehabt hätte.

"Never trust a drunk."

Mitten in der Episode springen wir dann auch wieder zu Judes aktueller Misere. Der tote Goodman liegt im Motel, neben dem Telefon steht natürlich eine Flasche Whiskey, mit freundlichen Grüßen von Mary Eunice. Mary Eunice offenbart ihre diabolischen Machenschaften diesmal nicht nur Arden, sondern auch ihrer früheren Mutter Oberin, die fassungslos ist angesichts der Tatsache, dass Goodman angeblich den Tod der kleinen Missy recherchiert haben soll. Und so verliert sich Jude immer weiter in einer Spirale des Alkohols und ruft, an ihrem tiefsten Punkt angekommen, den Todesengel an. Das ist dann auch das Highlight der Folge: Die Reunion zwischen Jessica Lange und Frances Conroy, die schon in Staffel 1 so gut miteinander harmoniert haben, ist toll geschrieben, inszeniert und gespielt. Jude musste in ihrem Leben schon gewaltig viel einstecken und der Todesengel ist daher keinesfalls ein Unbekannter für sie, vielmehr ein Freund – und genau das transportieren die beiden Schauspielerinnen wunderbar.

Doch dann der relativ unnötige Twist (der fast so unnötig ist, wie der absolut sinnfreie Rückblick ins Jahr 1949): Missy ist gesund und munter und bei dem Unfall keinesfalls gestorben. Jude hat sich also jahrelang für etwas die Schuld gegeben, was sie nie begangen hat. Wo will man nun mit ihr hin? Wird diese Entdeckung ihr neuen Lebensmut geben? Wird sie all ihre Kräfte zusammennehmen und zurück nach Briarcliff gehen, um dort die Dinge wieder richtig zu stellen? Oder erwartet uns eine Rachestory mit Missys Vater Hank, der Jude mit dem bedrohlichen Gesichtsausdruck einer leisen Ahnung angestarrt hat, dass sie für die Unfall verantwortlich gewesen sein könnte?

"Are you ready for me?"

Mit genau einer einzigen Sache, die wirklich überzeugend war – der Engel des Todes – kann #2.07 Dark Cousin letztlich leider nicht als eine gute Episode eingestuft werden. Die Stories vermitteln weiterhin das Gefühl der Orientierungslosigkeit und des Auf-der-Stelle-tretens, gerade was die Charakterentwicklung anbelangt. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich immer mehr Ungereimtheiten auftun und viele Twists einfach so gezwungen erscheinen, dass sie schlichtweg absurd sind. In "American Horror Story" ist mittlerweile nicht Briarcliff die Irrenanstalt – die ganze Welt ist eine Irrenanstalt. Doch der Irrsinn hat die Grenze zur Lächerlichkeit leider meilenweit überschritten und strapaziert somit immer mehr die Geduld und Toleranzbereitschaft des Publikums.

Maria Gruber - myFanbase

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