Review: #2.13 Der Wahnsinn hat ein Ende
Es ist wirklich paradox: Nach 12 Episoden, die im Großen und Ganzen ziemlich weit hinter den Erwartungen zurückblieben, äußerst durchwachsene TV-Unterhaltung boten und nicht selten von Effekthascherei, Drehbuchschwächen und unbedachter Charakterzeichnung geprägt waren, ist es ausgerechnet das Finale, das diese Staffel trotz aller vergangener Unzulänglichkeiten wieder auf ein besseres Niveau hebt. "American Horror Story" ist bekanntermaßen eine Serie, die zwischen den Extrempolen "Was zum Henker schaue ich da grad an?" und "Das ist echt gewagtes Fernsehen!" hin- und herpendelt, eine Guilty-Pleasure-Serie mit Mumm und Cleverness. Dass die Show aber auch wirklich mitreißendes Drama kreieren kann, beweist #2.13 Madness Ends, dessen erzählerischer Kern an die Hochzeiten aus Staffel 1 zurückerinnert: Es geht darum, die Tiefen der menschlichen Psyche zu erforschen, die Grenzen, die ein Mensch zu überschreiten bereit ist, und die horrenden Taten, die dies manchmal erfordert.
"Oh, Johnny. How can I not recognize my baby boy?"
Mit diesem Finale entpuppt sich Lana endgültig als tragische Protagonistin der zweiten Staffel, die als Einzige all den Horror und das Grauen überlebt, dafür aber so manch schrecklichen Preis bezahlen muss. Rückblickend ist Lana definitiv der Charakter mit der überzeugendsten und interessantesten Entwicklung, der aber nie in die eindimensionale Schablone des Opfers oder Täters gesteckt wird, sondern im Verlauf vom einen zum anderen wird, ja werden muss, um zu überleben. Nach Briarcliff, Thredson und der Geburt des ungewollten Kindes entsteigt Lana wie ein Phönix aus der Asche und sorgt mit aller Macht dafür, dass Briarcliff geschlossen wird. Das aber keinesfalls aus purer Selbstlosigkeit, sondern vielmehr aufgrund ihrer eisernen Ambitionen als Reporterin. So bringt man ihr als Zuschauer eine Mischung aus Mitleid und Abscheu entgegen, gleichzeitig aber auch Verständnis und Bewunderung.
Die Ambivalenz des Charakters ist nicht zuletzt der wirklich tollen Leistung von Sarah Paulson zu verdanken, die Lana ungemein gut darzustellen weiß und auch in dieser Folge als über 60-jährige einen überzeugenden Eindruck macht, auch wenn das Make-Up es natürlich nicht schafft, die 38-jährige Schauspielerin mal eben um zwei Jahrzehnte älter aussehen zu lassen. Trotzdem funktioniert Lana als alte Dame wunderbar, ihre adrette, elegante und doch so bestimmte Art, der absolute Wille, zu wissen, was sie will, sei es die Position des Scheinwerfers oder ein Glas Mineralwasser. Dass Lana in diesem Interview mit einigen Wahrheiten herausrückt und auch ihre eigene Sensations- und Erfolgsgier eingesteht, zeigt, dass sie durchaus weiß, was richtig und was falsch ist, doch dass sie manche Dinge einfach tun musste, um als Gewinnerin vom Platz zu gehen.
Und das ist auch in der finalen Szene der Fall, einem der besten und spannendsten Momente dieser Staffel, in dem Lana auf ihren verlorenen Sohn Johnny trifft und sich somit der Kreis schließt. Diese unvermeidliche Konfrontation bringt das zentrale Thema dieser Staffel perfekt auf den Punkt: "If you look in the face of evil, evil's gonna look right back at you." Das Böse frisst einen irgendwann auf, wenn man ihm nur lange genug ausgesetzt ist. Und so erschießt Lana, nachdem sie Johnny einen flüchtigen Moment lang tatsächlich aufrichtige Muttergefühle entgegenzubringen scheint, ihren eigenen Sohn. Lana wird vom Opfer zum Täter, und Johnny vom Täter zum Opfer. Eine fast schon poetische Ironie und ein absoluter Gänsehautmoment, der die Staffel zu einem gelungenen Ende bringt und Lanas Lebensgeschichte und Entwicklung konsequent abschließt.
"I didn't do it for her. I didn't even really do it for me. I did it for the kids. I needed to be there for them. And the only way I could leave Briarcliff behind once and for all was to find some way to forgive. Someone to forgive."
Ein weitaus unspektakuläreres Ende ereilt Kit und Jude, die dafür aber ein unerwartetes Happy-End bekommen. Kit wird wohl als der Mann mit dem großen Herz in Erinnerung bleiben, der sogar dazu bereit ist, seiner Peinigerin Jude zu vergeben und sie aus der Hölle Briarcliffs zu befreien. Die kurzen Einblicke in das gemeinsame Leben von Kit, Jude und den zwei Kindern sind voller Wärme und Freude, etwas, das diese Staffel in Briarcliff wirklich erstickt wurde, und daher umso willkommener ist. Das übernatürliche Element bleibt aber immer in Julia und Thomas präsent, den zwei Alienkindern, die es letztlich durch irgendein ungeklärtes Wunder im Wald schaffen, die schizophren gewordene Jude zu heilen und die lebensfrohe Judy Martin in ihr zurückzubringen. Auch wenn es nur wenige Monate sind, die Jude nach ihrer Entlassung aus Briarcliff erleben darf, so sind dies zumindest Monate in Frieden und Glück. Das letzte Wiedersehen mit dem Todesengel wird daher zu einem unglaublich eindrucksvollen und nahezu epischen Moment, der auch diesem Charakter einen gebührenden Abschluss gewährt.
Kit hingegen lebt noch einige Jahre weiter, heiratet neu, und zieht seine Kinder groß. Dass er Jude helfen konnte, scheint ihm selbst dabei geholfen zu haben, mit Briarcliff abzuschließen und ein erfülltes Leben zu führen. Was er nun bei den Aliens macht, werden wir wohl nie erfahren. Fakt ist jedenfalls: Die Alienstory ist und bleibt ein großes Manko dieser Staffel, da sie einerseits groß aufgebauscht wurde, andererseits dann aber nur wie ein dramaturgischer Kunstgriff wirkte, um möglichst mysteriös und schockierend zu sein – dabei kam allerdings nicht viel bei raus. Genausowenig wie bei den Zombies, Nazis und sonstigen Kreaturen dieser Staffel. Apropos Zombies: Auch Kardinal Timothy hat sein verdientes Ende bekommen, nachdem er dem öffentlichen Druck, der wegen seiner Komplizenschaft mit Arden auf ihn ausgeübt wird, nicht mehr standhalten kann. Seine ausgeblutete Leiche in der Badewanne ist mal wieder ein Bild voller brutaler Ästhetik, von denen die Serie in dieser Season so manch gute parat hatte.
"It's not your fault, baby. It's mine."
Was war das nun also für eine Season? Es war eine Season voller kreativer Risiken, die sich leider nicht immer ausgezahlt haben, voller guter Ideen, deren Potential nicht vollends ausgenutzt werden konnte, voller Storytwists und Schockmomente, die oft herbeigezwungen wirkten. Es war aber auch eine Season voller fantastischer Schauspielleistungen (ein Applaus für Jessica Lange, Sarah Paulson, Lily Rabe, Zachary Quinto und Dylan McDermott), voller Kreativität und Ästhetik (Regisseur Alfonso Gomez-Rejon, der auch bei diesem Finale wieder grandiose Arbeit geleistet hat, steigt in Staffel 3 als Produzent ein), voller Momente grausamen Horrors. Die einen werden diese zweite Staffel von "American Horror Story" lieben, die anderen hassen, andere wiederum stehen irgendwo zwischen diesen Polen und dazu zähle ich mich. #2.13 Madness Ends ist ein anständiger Schlussakt für das "Asylum"-Kapitel, ein ordentliches Finale für eine mittelprächtige Staffel, und letztendlich die beste Episode von Season 2.
Maria Gruber - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Madness EndsErstausstrahlung (US): 23.01.2013
Erstausstrahlung (DE): 12.12.2013
Regie: Alfonso Gomez-Rejon
Drehbuch: Tim Minear
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