Bewertung

Review: #4.07 Kräftemessen

Foto: Evan Peters, American Horror Story: Freak Show - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Evan Peters, American Horror Story: Freak Show
© Frank Ockenfels/FX

"American Horror Story" reduziert sich mit dieser Episode endgültig selbst auf die zwei Worte seines Staffel-4-Zusatztitels: Es ist eine Show mit Freaks. Nicht mehr und nicht weniger. Seltener war eine Folge der Serie so uninspiriert und spannungsarm und noch dazu so dermaßen ungruselig, dass man das zentrale Wort des Serientitels – Horror – eigentlich einklammern, wenn nicht gar wegradieren müsste. Wo selbst noch die mäßigen Staffeln 2 und 3 zumindest das Horrorelement nie aus den Augen verloren und pro Folge wenigstens einen guten Schocker hervorbrachten, ist Staffel 4 mittlerweile an dem Punkt angekommen, an dem das Wort "Horror" einem allerhöchstens in Zusammenhang mit dem horrenden Storytelling in den Sinn kommt.

"So tell me, what do you girls want in exchange for that charming tale about my kindness?"

Denn Ryan Murphy und Brad Falchuk scheinen jegliche Grundsätze guten Erzählens völlig vergessen zu haben. Dinge wie eine Spannungskurve oder nachvollziehbare Charaktermotivation sucht man in #4.07 Test of Strength vergeblich. Stattdessen wird einem diesmal mehr denn je bewusst, dass die Serie seit sieben Folgen eigentlich mehr oder weniger den Status Quo erhält. Klar, es passieren Dinge, irgendetwas kommt heraus, es gibt eine kleine Auseinandersetzung. Doch schwupps, in der nächsten Folge – oder gar bereits in der nächsten Szene – scheint wieder alles vergessen. Taten haben keine Konsequenzen, es ist wie ein endloses Hin und Her von Dialogen und versuchten "Überraschungsmomenten", das am Ende aber in einem Vakuum verpufft.

Das beste Beispiel für einen solch zirkulären Erzählverlauf ist Elsas Storyline. Der Grundriss: Elsa will Ruhm und spinnt Intrigen, um mögliche Konkurrenz auszuschalten. Das war's im Grunde. Diese Grundstruktur haben wir bereits in mehrfacher Ausführung gesehen: In #4.06 schaltete sie Paul aus, der ihre Stellung im Zirkus bedrohte; in #4.05 schaltete sie Bette und Dot aus, die ihre Zusammenarbeit mit "Hollywoodscout" Stanley bedrohten; in #4.02 bis #4.04 drehte sich ebenfalls alles darum, die Tattler-Zwillinge oder zwischenzeitlich Dell auszuschalten. Man kann für dieses repetitive Geplänkel aber weder Interesse noch Geduld aufbringen, vor allem, wenn man bedenkt, wie unglaublich gestellt dieser ganze "Konflikt" eigentlich ist: Von dem, was wir bisher von den Karnevalsmitgliedern und deren Künsten gesehen haben, ist eigentlich völlig klar, dass selbst eine wahnhafte Frau wie Elsa wissen müsste, dass sie nicht den Hauch einer Chance auf Hollywood hat. Zudem sind Stanleys Methoden so offensichtlich fadenscheinig, dass Elsa dessen Hinterlist eigentlich schon lange hätte durchschauen müssen. Dieses ganze hanebüchene Konstrukt droht immer mehr in sich zusammenzufallen, da die Story keine solide Basis hat.

"Who's the strong man now?"

Dass Stanley einzig und allein als Impulsgeber dient, der die Charaktere in bestimmte Richtungen lenken soll, ist seit Anfang an klar. Diesmal manipuliert er auch Dell, was angesichts der Tatsache, dass er ihm eine Waffe ins Gesicht hält und ihn mit einem Geheimnis erpresst, aber weitaus glaubhafter erscheint als seine Versprechen gegenüber Elsa. Dell soll Stanley seinen Freak bringen, sonst erzählt er allen von dessen homosexuellen Eskapaden. Natürlich versucht Dell gleich einmal, die stärkste, größte, riesigste und hünenhafteste Person der ganzen Zirkusfamilie auszuschalten, nämlich Amazon Eve. Allein das gibt schon einen Minuspunkt für reinste Idiotie. Nach dem Übergriff auf Eve schwört Ethel in einer tränenreichen Ansprache (toll: Kathy Bates), Dell zu eliminieren, sollte er nicht den Karneval verlassen. Hier schaltet sich schließlich unserer All-American Darling Jimmy ein, der Dell ins Gewissen reden will.

Denn, apropos: Jimmy wusste natürlich schon von Anfang an, dass Dell sein Vater ist. Er betrinkt sich also kurzerhand mit ihm und erkennt ihn innerhalb von einer durchzechten Nacht als seinen lange gesuchten Vater an. Vergessen ist der Angriff auf Eve, vergessen sind Dells ständige Ausraster, vergessen ist die Tatsache, dass der gescheiterte Versuch, Dell an die Polizei auszuliefern in dem von Jimmy so oft lamentierten Tod von Mr. Meep endete (Dell hatte Meep die Polizeimarke untergejubelt). Auch wenn Michael Chiklis und Evan Peters hier toll aufspielen, so tröstet das doch nicht über die Tatsache hinweg, dass die Motivationen und Intentionen der Charaktere oft sowohl sprunghaft als auch nicht nachvollziehbar sind. Und dass trotz Dells Übergriff auf Eve niemand beim Karneval darauf kommt, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und jemand Hilfloses wie Ma Petite alleine und bei offener Zelttür schläft, ist sowieso haarsträubend. RIP Ma Petite.

Ach ja, und RIP Dr. Bonham. Es wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben, wie er mit gebrochenen Fingern eine Pistole bedienen und sich selbst erschießen konnte.

"Where's the mirror? I wanna see the look on her face."

Der einzige wirkliche Horrormoment, der aber vielmehr das Resultat eines perfiden, eigentlich nur nebenher laufenden Vater-Tochter-Konflikts ist und nicht einer klassischen Horrortrope, ist die fürchterliche Entstellung von Penny. Paul, der zum Glück nicht an seinen Verletzungen der letzten Folge verstorben ist, wird von Penny gesund gepflegt und sie muss für ihre Liebe zu ihm einen schrecklichen Preis bezahlen. Hier schockt "American Horror Story" mal wieder mit einer grausamen Idee, deren Ausführung geradezu physische Schmerzen beim Zuschauer hervorruft. Doch da Penny kein Charakter ist, von dem wir bislang viel zu sehen bekommen haben, bleibt die emotionale Resonanz trotz der Brutalität doch aus.

Womit wir wieder beim Grundproblem der Staffel angelangt sind: Sie schafft es einfach nicht, den Zuschauer so richtig in ihren Bann zu ziehen. Kaum einer der Charaktere hat das Potential, Mitgefühl oder wirkliches Interesse zu erzeugen (Ethel, Jimmy und Dandy allerhöchstens), der Erzählverlauf dreht sich im Kreis und das Maß an Spannung bleibt auf dem Nullniveau. "American Horror Story: Freak Show" ist momentan nicht viel mehr als ein seichtes Drama rund um ein paar Freaks, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, eine Show aufzuführen (dieses Mal: Jimmy Darling als Kurt Cobain). Und das ist eindeutig zu wenig, wenn man bedenkt, dass über die Hälfte der Staffel bereits rum ist.

Maria Gruber - myFanbase

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