Review: #6.07 Kapitel 7
Der große "MURDER"-Schriftzug, der an der Wand im Erdgeschoss der Shaker Mansion prangt, hängt wie ein Damoklesschwert, wie das Zeichen einer bösen Vorahnung über allem. Bereits in der vergangenen Folge erfuhren wir, dass nur eine Person die Ereignisse in "Return to Roanoke: Three Days in Hell" überleben wird und Rory (RIP) machte bereits den Anfang einer voraussichtlich langen Liste an Todesopfern. Der Bodycount steigt diesmal exponentiell – allerdings nicht proportional zum Unterhaltungswert. Der zweite Tag in der Hölle von Roanoke ist nicht so spannend wie der erste, doch trotzdem ist #6.07 Chapter Seven eine solide und fast durchgehend spannende Episode, die nur in den Szenen mit Agnes Mary und den Polks Langeweile aufkommen lässt.
"This is gonna be so good. This is why I have 75 cameras in the house recording everything."
Richtig schade ist es um das erste Todesopfer der Episode: Sidney James (RIP). Dass dieser bereits nach einer Folge wieder den Löffel abgeben muss, ist bedauerlich, denn, wie Dominic Banks es so schön formuliert, "You know what I love about reality TV the most? The bad guy." Sidney ist so richtig herrlich ätzend und überheblich, ein astreines Arschloch, das auf Kosten anderer möglichst skandalträchtiges Videomaterial für gute Einschaltquoten haben will. Wir, in der Position des Zuschauers, sind in der logischen Schlussfolgerung aber natürlich auch nicht viel besser, denn wir sind diejenigen, die vor dem Fernseher sitzen, die Skandale feiern, es uns ansehen, wie andere Leute sich gegenseitig ihre Leben kaputtmachen. Der (mehr oder weniger unterschwellige) Subtext ist hier durchaus interessant und Sidney als Überschreiter sämtlicher moralischer Grauzonen war ein reizvoller Charakter.
Unwissend, dass ihr Produzent bereits von Agnes Mary abgeschlachtet worden ist, versuchen die Hausbewohner derweil, Rorys Verschwinden aufzuklären. Während es für Matt bereits glasklar ist, dass Rory umgebracht wurde, versuchen die Schauspieler, die mysteriösen Vorkommnisse irgendwie wegzurationalisieren (wie damals Matt und Shelby) und sorgen dabei für teilweise höchst amüsante Kommentare (Dominic: "I've done my share of slasher films. That don't smell like corn syrup." – oder Audrey: "Oh, my God. Brad Pitt!"). Doch als Shelby von Agnes Mary angegriffen und beinahe getötet wird, wird ihnen langsam klar, dass ihre Situation prekär ist.
"I came back for her!"
Shelby ist sowohl eine unsympathische als auch bemitleidenswerte Figur. Unsympathisch deshalb, weil es wirklich verdammt fies ist, den eigenen Ehemann mit dessen TV-Darsteller zu betrügen. Bemitleidenswert deshalb, weil sie es wirklich zu bereuen scheint und Matt zurückhaben will. Ähnlich zwiespältig verhält es sich mit Matt, der Shelby in einem Moment der Aufrichtigkeit gesteht, dass er sie einst liebte, doch die Ereignisse ihn kaputt gemacht haben. Er kann Shelby nicht mehr lieben. Die Anspannung zwischen Shelby, Matt und Dominic ist spürbar und das Ehedrama der Millers ist vor allem deshalb überzeugend, weil wir rückblickend doch einige Einblicke in ihr Eheleben bekommen haben, sowohl auf der Metaebene von "My Roanoke Nightmare" als auch auf der Erzählebene der Interviewsitzungen, die jetzt umso wichtiger sind, um die große Eskalation begreifbar und plausibel zu machen.
Denn wer hätte gedacht, dass es Shelby sein würde, die ihrem Ehemann mit einer Brechstange den Kopf einschlagen würde? Shelby ergeht sich in vollkommener Rage, als sie Matt mit Lady Gaga aka Scáthach entdeckt und bringt ihn gewaltsam um. Wo Lily Rabe zuvor noch etwas übertrieben agierte, als Agnes Mary Shelby umzubringen drohte, ist sie hier nun sehr überzeugend, einmal als wütende Mörderin, später als schluchzende und völlig verzweifelte Frau, die gerade ihren Mann umgebracht hat. In dieser Szene wird auch deutlich, wie abscheulich Dominic wirklich ist, der nicht nur der Unheilstifter ist, sondern in dem Moment, in dem Shelby vollkommen am Boden ist, merkbar schauspielert und sich selbst vor Sidneys 75 laufenden Kameras als möglichst unschuldig und gut darstellen will.
"How many times do we have to tell you this is real?! Do you believe us now? Or do you want to deny what you've seen with your own eyes?"
Der dritte Schauplatz sind die Wälder, die die Shaker Mansion umgeben, und in die sich Lee, Monet und Audrey wagen, um Hilfe für Shelby zu holen. Das ungewöhnliche Trio sorgt für so manchen Lacher, die vor allem aus deren Unterschiedlichkeit resultieren (mein Favorit: Audrey: "I think he's dead." – Lee: "You think?" – Audrey: "Oh, leave me alone! I'm not American! I'm not used to all this carnage!"). Richtig fies ist der Moment, in dem Audrey ein Handyvideo für Rory dreht, nur um dann feststellen zu müssen, dass die Leiche ihres Mannes direkt über ihr im Baumwipfel hängt und sein Blut ihr aufs Gesicht tropft… makaber!
Leider versumpft die Storyline dann, als die Polks auftauchen und die drei Frauen gefangen nehmen. Schon in #6.05 Chapter Five waren die Polks ein großes Manko und das ändert sich auch hier nicht. Dass die drei in den Händen von Kannibalen landen (habt ihr Finn Wittrock und Chaz Bono erkannt?), ist nur eine schlechte Ausrede für sinnlose Gewaltdarstellung und möglichst eklige Szenen. Ansonsten ist das alles unglaublich langweilig und sinnfrei.
Langweilig und sinnfrei sind auch Agnes Marys Monologe im Kellergewölbe. Ja, wir haben verstanden, dass Agnes Mary vollkommen verrückt ist, dazu braucht es keine minutenlangen, verwirrten Selbstgespräche mit schlechtem Akzent. Dass Agnes Mary schließlich von ihrem Idol, der echten Mama Butcher, abgeschlachtet wird, kann man daher nur als poetische Gerechtigkeit bezeichnen.
"I just wanted to be on TV."
Drei tote Hauptcharaktere läuten das letzte Drittel der Staffel ein – das ist selbst für "American Horror Story" ein relativ hoher Bodycount. Doch die Entscheidung ist gut: Eine geringere Anzahl an Charakteren bedeutet immer mehr Zeit für die einzelnen Charaktere, zudem ist man als Zuschauer nun absolut überzeugt, dass die Serie es ernst meint. Leute werden sterben. Nur einer wird überleben. Doch am Ende ist der wahre Horror von Roanoke nicht das Übernatürliche, sondern die Menschen selbst. Agnes Mary tötet Sidney, weil dieser sie nicht ernst nahm. Shelby tötet Matt, weil er sie nicht mehr liebte. Und Agnes Mary stirbt, weil es aus ihrer Verrücktheit keinen Ausweg mehr gibt.
#6.07 Chapter Seven ist eine ordentliche Episode dieser Staffel, die aus dem Twist der Vorgängerfolge gut Kapital schlägt. Was die Serie nun tunlichst vermeiden sollte, ist eine zu repetitive Erzählstruktur, was sich bereits mit der Polk-Storyline und der Bedrohung des Hauses durch Mama Butcher andeutet. Natürlich sind die Parallelen zwischen "My Roanoke Nightmare" und "Return to Roanoke: Three Days in Hell" gewollt, doch Parallelen dürfen nicht zu langweiligem Abklatsch werden. Wir wollen Überraschungen und Twists, wie Sidneys oder Matts Abgang, keine sinnlosen Gewaltdarstellungen um der Gewalt willen. Dann kann dieses letzte Staffeldrittel womöglich noch einiges aus der ersten Staffelhälfte wettmachen.
Maria Gruber - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Chapter SevenErstausstrahlung (US): 26.10.2016
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Erstausstrahlung (Pay-TV): 15.12.2016
Regie: Crystal Liu
Drehbuch: Elodie Keene
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