Bewertung

Review: #8.06 Das Leben der wartenden Toten

Foto: T.J. Thyne, Pej Vahdat & Emily Deschanel, Bones - Copyright: 2012 Fox Broadcasting Co.; Patrick McElhenney/FOX
T.J. Thyne, Pej Vahdat & Emily Deschanel, Bones
© 2012 Fox Broadcasting Co.; Patrick McElhenney/FOX

Der 11. September 2001 ist ein Datum, welches bei den meisten Menschen Angst, Entsetzen und Sprachlosigkeit hervorruft. Denn an diesem Datum wurde in New York einer der schlimmsten Terroranschläge unserer Zeit verübt und die Bilder der Flugzeuge, welche in das World Trade Center flogen, gingen um die Welt und haben einen Großteil der Menschen für einige Zeit in eine Art Schockzustand versetzt. In den USA und vor allem in New York, der Stadt die niemals schläft, herrschte tagelang Ungewissheit und Entsetzen über die unbegreifliche Tat, die vor allem vielen Rettungsleuten, wie Feuerwehrmännern und Polizisten, das Leben kostete. Dieser Tag, der heute in den Köpfen der Menschen immer noch unglaublich präsent ist, in einer Episode einer Fernsehserie zu behandeln, scheint mir sehr schwierig und auch etwas heikel. Doch die Autoren von "Bones" haben es geschafft, den 11. September 2001 in einer hervorragenden, emotionalen Folge zu thematisieren.

"I put this break ten days before he died." – "Dr. Saroyan and Dr. Hodgins fixed time of death on september 21." – "That means this injury accords september 11 of 2001."

Der Fall verbindet geschickt zwei Tragödien, von denen eine, nämlich die der Anschläge vom 11. September 2011, sicherlich etwas im Vordergrund steht. Doch auch die andere, nämlich das Leiden des Tim Murphy, stellvertretend für so viele Soldaten, die aus dem Krieg nach Hause kommen und unter einem posttraumatischem Stresssyndrom leiden und deswegen vollkommen den Halt in der Gesellschaft verlieren, wird in dieser Episode aufgezeigt und regt einem zum Nachdenken an.

So ist Tim Murphy ein liebevoller Ehemann und liebender Vater, der aus dem Krieg als ganz veränderter Mensch zurückkehrt. Ein Mensch, der niemandem mehr vertraut, der nicht mehr bei seiner Familie sein kann, obwohl er sie liebt und schlussendlich als Obdachloser, alleine in einer Parkgarage stirbt. Ein unglaublich tragisches Schicksal, das zeigt, dass für Männer die aus dem Krieg zurückkehren und dort täglich von traumatischen Ereignissen begleitet worden sind, in ihrer Heimat viel zu wenig Hilfeleistungen zur Verfügung stehen. Klar gibt es, wie Sweets richtig betont, Einrichtungen an welche sich Personen mit psychischen Leiden wenden können, doch werden diese Leiden oft unterschätzt und vor allem, werden sie, da sie nicht sichtbar sind, nicht wirklich anerkannt. Für mich war, bezogen auf das Schicksal von Tim Murphy, die beste Szene, diejenige als Booth und Sweets mit der Frau des Opfers sprechen. Ihre Verzweiflung, die noch Jahre nach dem Verschwinden ihres Ehemannes in ihr herrscht, sowie die Frage, weswegen er sie und den damals noch kleinen Sohn verlassen hat, ist unglaublich traurig und sehr tragisch. Denn Tim Murphy und seine Familie sind sicher kein Einzelfall und somit zeigt sich erneut, dass ein Krieg nicht nur Opfer im Kampf fordert, sondern viele mehr.

Die zweite Tragödie, welche in dieser Episode thematisiert wird, ist viel offensichtlicher und natürlich auch viel bekannter. Der 11. September 2001 ist ein Datum, dass wohl den meisten Menschen auf ewig in Erinnerung bleibt, denn an diesem Tag wurde ein Anschlag auf das World Trade Center in New York sowie auf das Pentagon in Washington verübt. "Bones" beschäftigt sich in dieser Folge mit dem Anschlag, der sicherlich weniger Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit genossen hatte, nämlich mit dem Flugzeug, welches in das Pentagon in Washington geflogen ist. Doch eigentlich spielt es gar keine Rolle, welcher Ort der Tat genauer betrachtet wird, denn alleine das Datum und die Erinnerungen an diesen Tag lassen in jedem der Charaktere Emotionen aufkommen, die sicherlich nicht vergessen waren doch die nun länger unter Verschluss gehalten wurden.

So kommt es, dass der Zuschauer im Laufe der Folge bei fast allen Charakteren einen kleinen Einblick in die Gefühle bekommt, die dieser tragische Tag hinterlassen hat. Booth muss wissen, was Tim Murphy an diesem Tag beim Pentagon gemacht hat und wie er im Zusammenhang mit den Anschlägen steht. Denn wie Booth zu seinem Freund Ben sagt, war der 11. September 2001 der Grund, weswegen sie später in Afghanistan einmarschiert sind und Tim Murphy war einer von ihnen, er war Soldat der Vereinigten Staaten. Brennan zeigt ihre Gefühle erst am Schluss, als sie Booth erzählt, dass sie an diesem Tag in New York war und ihre Arbeit gemacht hat, ohne groß Gefühle zu zeigen. Auch Cam war an diesem schrecklichen Tag in New York und musste als Gerichtsmedizinern Opfer identifizieren und mit Angehörigen sprechen. Dass dies nicht spurlos an ihr vorübergegangen ist, zeigen die Tränen in ihren Augen, als sie Hodgins und Angela davon erzählt. Hodgins, welcher wie wir wissen auch ein kritischer Bürger Amerikas ist, macht allen mit einer eindrucksvollen kleinen Rede klar, dass die Amerikaner zwar keine Engel sind, es aber sicher niemand verdient hat so zu sterben. Und die Assistenten von Brennan zeigen ihre Gefühle in mehr als einer Situation, indem der 11. September in diesem Handlungsstrang ganz oft wieder zum Hauptthema wird. Einzig Angela und Sweets Gefühlswelt ist für mich etwas zu verschlossen geblieben, hat aber in dieser grandiosen Folge absolut nicht störend gewirkt.

Der Fall wird zum Schluss meiner Ansicht nach hervorragend abgeschlossen. Tim Murphy ist nicht als Opfer eines Gewaltverbrechens gestorben, er war ein indirektes Opfer der Anschläge, denn durch das Flugzeug wurde er verletzt. Getötet hat ihn jedoch eine Heldentat. Er hat drei Menschen das Leben gerettet und dafür sein eigenes gelassen. Dafür erhält er zum Schluss eine Auszeichnung, die er wohl schon durch seinen Einsatz im Desert Storm verdient hätte und Booth, der in solchen Dingen nie aufgibt, wird sicher dafür sorgen, dass Tims Wunsch in Erfüllung geht und seine verstorbenen Kollegen Walken, Moore und Park auch eine Auszeichnung erhalten. Schade nur, dass solche Anerkennungen oftmals zu spät verliehen werden.

"I have the interms coming in today to work on a projekt..." – "Right, so you’re the coach?" – "Of course!"

Egal wie tragisch, dunkel oder schwer die Episode einer Fernsehserie ist, etwas Auflockerung tut trotzdem immer gut. Auch dies wurde in dieser Folge unglaublich gut gehandhabt. Von dem Zeitpunkt an, an welchem klar wurde, dass der Fall etwas mit dem 11. September 2001 zu tun hat, ist die Folge ernst, traurig und nachdenklich geblieben. Doch das hinderte die Autoren von "Bones" nicht, sich vor dieser Entdeckung ein paar Scherze zu erlauben und so den Zuschauer doch einige Male zum Schmunzeln zu bringen.

Verantwortlich für dieses Schmunzeln war einzig und alleine Brennan, die nachdem sie ein Buch des Baksetballtrainers Phil Jackson gelesen hat, sich dessen Theorien bedient und ihr Team, nämlich ihre Assistenten, coachen und so zu einer besseren Teamarbeit bringen will. Eigentlich gar keine schlechte Idee, würde Brennan, ganz ihrem Charakter entsprechend, die Ratschläge des Sporttrainers manchmal etwas zu genau verfolgen. So konnte ich mein Lachen nicht mehr zurückhalten, als sie jedem ihrer Assistenten einen Klaps auf dem Hintern gibt um sie so zur Arbeit anzuspornen und genauso witzig war ihre Rede zuvor, als die Assistenten nicht wirklich begreifen können, weswegen nun gerade sie diese vielen Leichen identifizieren müssen. Für mich alles kleine Szenen, die dieser sehr emotionalen, mit schwerer Kost gefüllten Folge zu Anfang ein wenig Leichte verschafft haben.

"9/11 was a drama to us all, not like this guy or the people how died that day, but it’s still changed us..." "...I was in High School..."

Die Autoren von "Bones" geben diesem speziellen Tag, dem 11. September 2001, die Ehre, indem sie den Fall, der damit zusammenhängt, nicht einfach durch einen Assistenten untersuchen lassen, sondern gleich alle fünf aufbietet. Es ist das erste Mal in acht Staffeln "Bones", dass alle männlichen Assistenten von Brennan zusammenarbeiten müssen und klar sind da Konflikte vorprogrammiert, denn alle fünf haben durchaus andere Charaktereigenschaften. Mich hat jedoch erstaunt, welche der Assistenten mich in dieser Episode beeindrucken konnten, denn vor allem von einem hätte ich dies nicht erwartet, nämlich von Arastoo Vaziri und genau er war es, der wohl einer der emotionalsten Momente der ganzen Folge herbeigeführt hat.

Arastoo Vaziri ist Moslem und diese Glaubensgruppe, beziehungsweise Radikale dieser Glaubensgruppe, waren es, welche die Anschläge auf die USA am 11. September 2001 zu verantworten haben. So stellt sich, vielleicht nicht ganz ungerechtfertigt, Finn Abernathy die Frage, ob die Untersuchungen an der Leiche für Arastoo ein Problem darstellen und wie Finn nun eben ist, denkt er sich diese Frage nicht nur, sondern stellt sie auch, worauf Arastoo den Moment schafft, der meine Gefühle richtig aufgewühlt und mir Arastoo wieder ein stückweise näher gebracht hat. Er macht nämlich Finn und auch den anderen in einer eindrucksvollen, sehr emotionalen Rede klar, dass die Terroristen nicht nur die Anschläge verübt haben, sondern auch seinen Glauben verletzt haben, so sehr verletzt, dass er an diesem Tag an gar nichts mehr glauben konnte. Hier wird eindrucksvoll klar, dass man für diese Tat nicht die Verantwortung bei den Moslems suchen darf, denn der größte Teil dieser Glaubensgruppe fühlte sich, durch diese Anschläge, genauso verletzt und verraten wie wir alle.

Doch Arastoo hat mich nicht nur in seiner Gefühlsäußerung gegenüber Finn überrascht und beeindruckt, nein auch sein Wille, die Überreste des obdachlosen Mannes zu identifizieren, fand ich sehr mutig, vor allem da die anderen Assistenten ihn deswegen etwas belächelt haben. Witzig war auch, dass er genau wusste, mit was er Hodgins ködern konnte, damit dieser Tests an den Überresten durchführt, nämlich mit dem Verdacht, dass das Opfer ein Teile einer Verschwörung sein könnte.

Auch Finn Abernathy hat mir wieder einmal sehr gut gefallen. Er ist, wie er von den anderen auch mehrmals genannt wird, das Kind unter den Assistenten, verhält sich jedoch immer wieder sehr erwachsen. So ist auch seine Reaktion auf Arastoos Gefühlsausbruch. Finn verhält sich nicht irgendwie kindisch und macht einfach mit seiner Arbeit weiter, im Gegensatz er erweist Arastoo Respekt und dankt ihm für die aufklärenden und ehrlichen Worte und auch als jeder seine Tätigkeit während des Anschlages beschreibt, verheimlicht er nicht, dass er und seine Mutter von seinem Stiefvater misshandelt worden sind. Auch das für mich ein Zeichen, dass Finn zwar vom Alter her noch ein Kind ist, mit seiner Einstellung, seinem Charakter und seinen Gedankengängen kann er jedoch manchem Erwachsenen die Stirn bieten.

Was mich bei der Zusammenarbeit der Assistenten jedoch am meisten überrascht hat, war das Fisher irgendwie die Führung im Team übernommen und es sogar geschafft hat, dass sich schlussendlich jeder als Zugehöriger des Teams fühlte. Ehrlich gesagt hätte ich diese Rolle eher Clark oder Wendell zugetraut, doch Fisher hat sie mit Bravour gemeistert. So war er zuerst weniger begeistert, dass jetzt alle zusammen nur noch an Arastoos Fall arbeiten, doch nachdem sie entdeckten, was mit dem Opfer in Zusammenhang steht, war er sofort mit Leib und Seele dabei und er schafft es schließlich die Distanz der Assistenten untereinander zu überwinden, indem er jeden dazu bringt, zu erzählen, was genau er gemacht hat, als die Nachricht des Terroranschlages eingetroffen ist. Auch dies führt zu einem unglaublich bewegenden Moment, denn jede Geschichte eines jeden Assistenten ist, egal wie alltäglich, ergreifend. Eben weil sie im Zusammenhang mit diesem schrecklichen Ereignis steht.

Bei dieser Szene hat auch Wendell seinen meiner Meinung einzigen guten Moment. Denn mit seiner Geschichte wird klar, weswegen er zuvor etwas ruppig und aggressiv war und seine Erinnerung an diesen Tag ist wohl umso schmerzhafter, da er an diesem Tag jemanden verloren hat, der im nahestand. Und auch wenn er, im Gegensatz zu den anderen, seine Tätigkeit an dem Tag sehr kalt und emotionslos erzählt, so sagt sein Gesichtsausdruck, dass ihn die Erinnerung daran immer noch unglaublich schmerzt und diese Kombination hat auch mich zu Tränen gerührt. Wer mir bei den Assistenten etwas zu kurz gekommen ist, war Clark Edison. Bei ihm kann ich keine Szene nennen, die mich sonderlich berührt oder begeistert hätte. Doch finde ich dies absolut nicht schlimm oder werte deswegen die Folge ab, denn auch er steht für einen Großteil der Menschen, nämlich für die, die an diesem Tag nichts besonderes gemacht haben und keine besonders schmerzhafte Erinnerungen daran haben, was jedoch nicht heißt, dass die Tat damals diese Menschen nicht getroffen hat und sie mit keinem schockartigen und unbegreiflichen Gefühl zurückließ.

"And now I think of those people and I think of you. Anyone of them it could be you."

Brennan und Booth, als Paar, standen bei dieser Folge nicht im Mittelpunkt und dies war meiner Meinung auch gut so. Doch gab es deswegen doch die kleinen Momente, die zeigen wie weit sich die Beziehung der beiden in den letzten Jahren entwickelt hat. Ein Moment ist derjenige am Ende der Episode, in welchem vor allem Brennan, welche am Anfang, indem sie die Ratschläge von Phil Jackson haargenau umsetzt, ihre rationale Seite gezeigt hat, ihre emotionale Seite zum Vorschein kommen lässt. Und wenn Brennan ihre gefühlvolle Seite zeigt, hat dies meistens irgendetwas mit Booth zu tun, so auch dieses Mal. Sie kann zum ersten Mal seit den Anschlägen, seit sie in New York geholfen hat menschliche Überreste zu untersuchen, weinen. Weinen um die Menschen, die damals ums Leben gekommen sind, weinen wegen dieser schrecklichen Tat und weinen weil sie Booth hätte verlieren können, bevor sie überhaupt zusammengekommen, Freunde, Partner und zum Schluss Liebende geworden sind. Doch die schönsten und gefühlvollsten Worte von Brennan sind sicherlich die, als sie Booth gesteht, dass sie erst jetzt weinen und darüber sprechen kann, da es bis jetzt niemanden in ihrem Leben gab, mit dem sie dies hätte teilen können. Für mich drückt sich in diesen Worten vor allem auch aus, dass es bis jetzt niemand in ihrem Leben gab, bei dem sie schwach und verletzlich sein konnte und an dessen Schulter sie sich auch einmal anlehnen kann. Doch nun hat sie Booth und indem er sie in seine Arme schließt, zeigt er ihr ohne Worte, dass sie in jeder Situation auf ihn zählen kann.

Fazit

Eine Episode, die ein unglaublich schwieriges Thema behandelt, dies aber so gefühlvoll und hervorragend tut, dass bei mir nicht ein kleiner negativer Eindruck zurückbleibt. Ich denke jeder der Darsteller hat in dieser Folge ein kleiner Teil seiner eigenen Emotionen, die dieser Tag hinterlassen hat, verarbeitet und genau diese persönlichen Gefühle, die Momente, in denen sich der Zuschauer an seine Tätigkeit beim Zeitpunkt des Anschlages erinnert, machen die Folge zu einer der besten in acht Staffeln "Bones".

Maria Schoch - myFanbase

Die Serie "Bones - Die Knochenjägerin" ansehen:


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