Bewertung

Review: #2.01 Vorsichtsmaßnahmen

Foto: Copyright: 2008 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
© 2008 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.

Nachdem der Autorenstreik dazu führte, dass die erste Staffel von "Breaking Bad" lediglich sieben anstatt der neun anvisierten Episoden umfasste, war im Grunde abzusehen, dass das Geschehen des Auftakts zur zweiten Staffel nur sehr kurze Zeit nach dem Ende der ersten anzusiedeln ist. Im Fall von #2.01 Vorsichtsmaßnahmen (übrigens unter Regie von Bryan Cranston) ist es sogar so, dass die Schlussszene – Walter und Jesse bei dem Drogendeal mit Tuco auf dem Autoschrottplatz – wiederholt wird und die weitere Handlung unmittelbar daran anschließt. Dadurch erspart man sich nicht nur einen ellenlangen Rückblick auf die vorangegangene Staffel, sondern schafft es auch, den Zuschauer sofort wieder voll zu integrieren. Aber nicht nur deshalb ist das eine der besten Auftaktepisoden der vergangenen Jahre.

Doch zunächst geht es weniger um den Wahnsinn von Tuco, sondern um etwas völlig anderes, das man zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht greifen kann und wo sich erst noch herausstellen muss, welche Bedeutung es haben wird. Die schwarz-weiße Anfangsmontage, bei der zunächst diverse Objekte in einer Nahaufnahme gezeigt werden und man erst das lose Auge und dann den Rest des in einem Swimming Pool schwimmenden, pinken Teddybären sieht (als Einziger eingefärbt), ist vor allem auch aus optischer Sicht eine einzige Wucht. Zudem ist die eine Hälfte des Teddys verbrannt, was natürlich zu einer Vielzahl von Spekulationen verleitet. Man darf gespannt sein, inwieweit diese Szene nochmal aufgegriffen und weiter geführt wird und welche Signifikanz diese für die weiteren Episoden oder gar die gesamte Staffel hat.

"Just remember who you're working for."

Aber, wie bereits angedeutet, beginnt die eigentliche Handlung der zweiten Staffel mit der Szene, mit der die erste endete. Und so sieht man zum zweiten Mal, wie Tuco einen seiner Männer, No-Doze, allein deshalb zu Tode prügelt, weil dieser es gewagt hat, den Mund während seines Deals mit Walter und Jesse aufzumachen. Entsprechend geschockt sind die beiden, nachdem sie zu erahnen beginnen, mit wem sie da eigentlich gerade einen Deal abgeschlossen haben und vor allem, mit wem sie sich bereits auf weitere Deals geeinigt haben. Das wunderbar passende "Who's Gonna Save My Soul" von Gnarls Barkley setzte an diesem Punkt beim Staffelfinale noch ein, hier wird auf eine musikalische Untermalung weitestgehend verzichtet, besteht sie doch nur aus einem unaufdringlichen und kurzen Instrumentalstück. Schließlich geht die Handlung weiter: Walter rechnet im Auto Jesses nach, wie viel Geld er braucht, um das finanzielle Auskommen seiner Familie zu sichern. Eine Collegeausbildung für Walter, Jr., die Hypothek, die auf dem Haus ist, abbezahlen, Kleidung und Lebensmittel für mindestens die nächsten zehn Jahre usw. Letzten Endes kommt Walter auf einen Betrag von 737.000 $ - eine Summe, die auf den ersten Blick immens hoch klingt, im Grunde aber nach "nur" elf Deals drin wäre. Das also, damit die Dimension des Geldes offensichtlich wird, das man mit Meth verdienen kann. Außerdem sind elf Deals durchaus überschaubar, ein Ende ist also auch für den Zuschauer in Sicht. Viel wichtiger jedoch ist, dass Tuco nach dem Deal nochmal zurückkommt, weil No-Doze offensichtlich doch noch nicht tot ist und Walter ihn retten soll, denn schließlich sei er ja schlau und müsse wissen, was er da zu tun habe. No-Doze stirbt dennoch, direkt vor den Augen Walters und Jesses, an denen das selbstverständlich nicht spurlos vorbei geht. Tuco ist undurchschaubar, äußerst gewalttätig und ungeheuer mächtig, und das lässt er die beiden auch spüren, wodurch eine ungemein bedrohliche Atmosphäre erzeugt wird, denn schließlich weiß niemand, wozu Tuco als nächstes fähig ist.

"I know you're scared and you're angry and you're frustrated. And I know none of this is fair. But you cannot take it out on me."

Was folgt, ist ein extrem kraftvoller Moment zwischen Walter und Skyler. Walter kommt nach Hause, schaltet den Fernseher an und bleibt mitten im Raum stehen ohne sein Umfeld zu beachten, ohne es überhaupt beachten zu können. Er ist viel zu mitgenommen von dem, was er mitbekommen hat auf dem Schrottplatz und was ihm noch blüht. Als sich Skyler schließlich bemerkbar macht, sucht Walter erst ihre Nähe, weint kurz und wird schnell von einem sexuellen Verlangen überwältigt, das ihn dazu verleitet, dass er sich Skyler – im Morgenmantel und mit Gesichtsmaske – praktisch aufdrängt, bis diese ihm schließlich deutlich zeigt, dass sie keine Lust darauf hat, zumindest nicht jetzt, wo auch noch Walter, Jr. jeden Moment nach Hause kommt. Von sich selbst angewidert, flüchtet Walter nach draußen und wird dort von Skyler zur Rede gestellt, die ihm deutlich macht, dass er all seine Ängste und Frustrationen aufgrund seiner Krebserkrankung nicht an ihr auslassen soll. Selbstverständlich ahnt sie nicht, dass Walter seine Begegnung mit Tuco sehr viel mehr mitnimmt. Es gibt nur wenige Serien, die sich ein derart ehrliches und teilweise auch einfach nur schonungsloses Portrait einer Beziehung leisten. Kein unnötiges Over-The-Top-Drama, einfach nur zwei Menschen, die sich zunehmend voneinander entfernen.

"What's that? Conjecture? Are you basing that on that he's got a normal healthy brain or something? Did you not see him beat a dude to death for, like, nothing?"

Walter und vor allem Jesse wissen, dass Tuco absolut unberechenbar ist und es im Grunde nur eine Frage der Zeit ist, bis auch sie ihm zum Opfer fallen. Nächtliche Anrufe und Fahrten von Tucos Cadillac durch Jesses Nachbarschaft führen auch nicht gerade dazu, dass er sich beruhigt. Deshalb hat er sich auch eine Waffe besorgt. Wie so oft kommt jedoch Walter die Rolle der Stimme der Vernunft zu, denn Jesse hat, abgesehen davon, dass er nicht mal die Trommel der Pistole öffnen kann, im Grunde gar keinen Plan außer, dass er Tuco eben irgendwie erschießen will. Weder auf weitere Anwesende noch auf die Anzahl der nötigen Schüsse oder einige Unvorhersehbarkeiten, die sein Vorhaben erschweren könnten, hat er sich eingestellt. Als jedoch der schwarze Cadillac von Tuco auch vor Walters Haus auftaucht, entwickelt dieser nach einer schaflosen Nacht einen Plan, wie man Tuco aus dem Weg räumen konnte, der deutlich sicherer ist als der von Jesse. Aus einer bestimmten Bohnenart kann Rizin hergestellt werden, ein hochwirksames Gift, das bei Autopsien nur schwer nachzuweisen ist.

"We gotta support the shit out of her."

Währenddessen sorgen vor allem Marie und Hank immer wieder für die bitter nötige Auflockerung der sonst so belasteten Stimmung der Episode. Marie versucht mit unfreiwillig komischen Anrufen auf Skylers Anrufbeantworter, die Wogen zwischen ihr und ihrer Schwester wieder zu glätten, nachdem Skyler herausgefunden hat, dass das Diadem aus Weißgold, das sie von Marie im Zuge der Geschenkparty für Skylers Baby bekommen hat, von Marie gestohlen wurde. Wie der Zuschauer erfährt, ist Marie, nachdem das nicht ihr erster Diebstahl war, mittlerweile in Therapie, nimmt es aber nicht allzu genau mit dem terminlichen Einhalten der Sitzungen. Was im Grunde kaum Grund für Lacher sein sollte, führt aufgrund Maries und Hanks Eigenarten zu so manchem durchaus witzigen Moment. Nachdem Hank merkt, wie sehr seine Frau darunter leidet, dass ihre Schwester ihr den Fehltritt nicht verzeihen kann, versucht er, Skyler davon zu überzeugen, zumindest die Anrufe Maries nicht mehr zu ignorieren und sie eventuell auch mal zurück zu rufen. Skylers Reaktion ist nicht nur mehr als verständlich, sondern bietet zudem wohl eine der stärksten Szenen von Skyler/Anna Gunn. Denn Skyler, sichtlich aufgebracht, dass sich einmal wieder alles um Marie dreht, hat einen krebskranken Mann, der immer wieder verschwindet, ohne zu sagen wohin, einen Sohn, der es seinem Vater oft gleich macht (wenn auch aus völlig anderen Gründen), ein Baby auf dem Weg und auch sonst allerlei Probleme. Nicht nur, dass Skyler nun endlich aus sich herauskommt, in dem Fall ist es eine der wenigen Male, wo man ihre Motivation sogar durchaus nachvollziehen kann.

"Hey, you wanna see something freaky?"

Was Walter nicht ahnt ist, dass sein Schwager Hank ihm auf den Fersen ist, denn Hank und sein Kollege Gomez sehen sich die Bänder der Überwachungskamera an, die Walters und Jesses Diebstahl des Methylamins der vergangenen Episode zeigen. Bekanntlich waren beide vermummt, Hank jedoch trifft zumindest die richtige Schlussfolgerung, dass die Einbrecher Kenntnisse im Bereich der Chemie haben müssen, auch wegen des Thermits, das die beiden benutzt haben, um sich Zugriff zu dem Lager zu verschaffen. Walter jedoch ist weit davon entfernt, wirklich verdächtig auf Hank zu wirken, weswegen Hank ihn sogar anruft, als er gerade einen Tatort untersucht, um sich für sein Verhalten Skyler gegenüber zu entschuldigen. Auch hier wird wieder Hanks Gemüt deutlich, denn was macht man wohl, wenn man zwei Leichen (in dem Fall No-Doze und Gonzo) sieht? Richtig, man lacht, gibt ihnen Spitznamen ("Stumpy"), lässt sich mit ihnen fotografieren und macht schon mal mit seinem Handy extra ein Foto, das man einem Freund weiterschickt. Aber so ist er eben, und genau deswegen ist er auch so dermaßen lustig. Das Foto von Gonzo und No-Doze, das er an Hank weiterleitet, erfüllt jedoch einen viel wichtigeren Zweck; denn Walter schließt aus dem Tod Gonzos, also auch dem zweiten Mann aus dem Gefolge Tucos, dass Tuco im Begriff ist, vor seiner eigenen Haustür zu kehren und Zeugen zu töten. Es wäre nur folgerichtig, dass er sich nun an Walter und Jesse wenden würde. Ironisch, dass, wie Hank herausfindet, Gonzo nicht von Tuco getötet wurde, sondern von einem Auto zerquetscht wurde, als er versuchte, die Leiche von No-Doze zu bewegen. Es folgt einer der fiesesten Cliffhanger bei "Breaking Bad": Walter schnappt sich Jesses Waffe, rast nach Hause aus Angst davor, dass seiner Familie etwas zugestoßen sein könnte, sieht Jesses Auto in der Auffahrt und wird schließlich von dem dort auf dem Rücksitz wartenden Tuco mit Waffengewalt gezwungen, einzusteigen. Tuco entführt Walter und Jesse? Nachdem klar wurde, dass er für Gonzos Tod nicht verantwortlich ist und der Zuschauer denkt, dass er entsprechend vielleicht weiter Deals mit den beiden machen will und gar nicht darauf aus ist, Zeugen aus dem Weg zu räumen? Das ist nicht nur im Bezug auf das Erzähltempo völlig überraschend, sondern schlichtweg genial.

Fazit

Eine vor allem optisch großartige Anfangsmontage, mit der man jedoch noch nicht viel anfangen kann, eine Skyler, die endlich mal einen sympathischen Eindruck macht, Hank und Marie, die für einige Lacher sorgen und vor allem eine Storyline um Walter, Jesse und Tuco, die sinnvoll weitergeführt und mal so eben auf einen dramatischen Höhepunkt geführt wurde, den niemand geahnt hat: "Breaking Bad" ist zurück. Und, insofern man das allein aufgrund der Auftaktfolge beurteilen kann, gibt es keinen einzigen Grund zur Annahme, die zweite Staffel könnte vielleicht nicht das Niveau der ersten halten. Im Gegenteil.

Andreas K - myFanbase

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