Bewertung

Review: #3.03 Kopflosigkeit

Vielleicht sollten sich all die klischeebeladenen, soapigen und vorhersehbaren Dramaserien, mit denen man so gequält wird, die dritte Episode von "Breaking Bad" mal als Anschauungsmaterial nehmen. Denn das war wirklich Drama, und zwar von der guten Sorte. Während im Hintergrund die Vorbereitungen laufen für eine Storyline, die sowohl Walter als auch Jesse wieder in Richtung Drogengeschäft drängen werden, steht nun vor allem die Beziehung zwischen Walter und Skyler im Vordergrund.

"Welcome home."

Schade, dass Walter die Pizza vom Garagendach geholt hat. Wie schön es doch gewesen wäre, die Pizza dort oben langsam verrotten zu lassen und vielleicht sogar hier und da noch sinnvoll einzubauen. Denn wenn man es einem kreativen Team zutrauen kann, selbst sowas wie eine Pizza ansprechend zu inszenieren und ihr auch noch eine Portion Metaphorik zu verpassen, dann wäre das sicherlich das von "Breaking Bad" gewesen.

Viel wichtiger jedoch ist der Moment, der sich daraus entwickelt, dass Walter nach der Pizzaaufräumaktion zurück ins Haus geht und dort einfach mal bleibt, obwohl Skyler ihn längst rausgeschmissen hat. Denn jetzt folgt eine Szene, die eine unheimliche Faszination ausstrahlt, da sie die Sympathien des Zuschauers herausfordert. Skyler will natürlich, dass Walter verschwindet und schreckt auch nicht davor zurück, die Polizei zu holen. Das Kunststück, das nun gelingt, ist dass Skyler teilweise sogar als besonders erbarmungslos und hart gesehen wird, obwohl ihr Verhalten mehr als verständlich und "richtig" ist und sie sogar darauf verzichtet, ihren Mann vor ihrem Sohn anzuschwärzen. Dennoch ist Walter, wenn auch nur für sehr wenige Sekunden, derjenige, für den man Sympathien empfindet, da dem armen Mann von seiner Ehefrau verwehrt wird, am Familienleben teilzunehmen (und im Klo zu urinieren). Fies, nicht? Diese verquere Logik überkommt aber nicht nur den Zuschauer, sondern auch Walter, Jr., der seiner Mutter die alleinige Schuld am Auseinanderbrechen der Familie gibt. Er jedoch kennt die Hintergründe nicht, der Zuschauer schon. Aber nein, nun soll Walter plötzlich derjenige sein, für den man Mitleid empfindet, obwohl sein Handeln auch jetzt noch höchst verwerflich ist. Er wirft seine Ehefrau dem eigenen Sohn zum Fraß vor und versucht nur sehr halbherzig, ihm zu erklären, dass sie nicht die Schuldige ist, während er die gemeinsame Tochter im Arm hält und dem Familienleben nachgeht, als wäre nie etwas geschehen. Und trotzdem funktioniert es irgendwie.

Währenddessen wird im Hintergrund mit Hochdruck daran gearbeitet, dass "Breaking Bad" wieder mehr als "nur" ein Familien- und Beziehungsdrama ist, denn die Cousins brauchen natürlich noch ihren (möglichst cineastisch wirkenden) Auftritt. Diesmal werden sogar einige Verbindungen hergestellt, um die Cousins besser in das Gesamtgeschehen einzugliedern (Cousins und Gus, Cousins und Tortuga, Cousins und Tuco). Dazu trägt unter anderem auch die Eröffnungsszene mit Tortuga bei, dem DEA-Informanten, dessen Kopf in #2.07 Negro Y Azul einen äußerst unschönen aber spektakulären Auftritt hatte. Wie sich herausstellt, hatten die Cousins bereits dort ihre Hände bzw. Macheten im Spiel. Und dann sind sie natürlich wie bereits mehrfach erwartet Tucos Cousins und sinnen gemeinsam mit Tio auf Rache. Dazu gesellt sich der Boss von Tortuga und Gus, Juan Bolsa bzw. "El Jefe", der Gus dazu auffordert, nicht im Weg zu stehen bei dem Racheplan an Walter. Man darf also gespannt sein, wie lange Gus Walter noch schützen kann vor zwei (immer noch nicht redenden) Verrückten, einem Alten, der sich über eine Klingel verständigt und einem undurchsichtigen Boss. Lange wird es nicht mehr dauern, und dann wird es richtig ungemütlich für Walter.

"DEA, don't move!"

Hank, bisher oft eher durch seine wüste Art von Humor aufgefallen, erhält die Möglichkeit, wieder in El Paso zu arbeiten. Wir erinnern uns, dort glänzte Hank nicht nur durch seine nicht vorhandenen Spanischkenntnisse, dort ist vor allem das Tortuga-Unglück geschehen, das vor den Augen Hanks mehrere DEA-Ermittler verstümmelte und bei ihm einen derart tiefen Eindruck hinterließ, dass er auch Wochen später noch an Panikattacken litt. Wie sich herausstellt, sind die Panikattacken nun aufgrund der "frohen" Kunde zurück. Jemand wie Hank nimmt das selbstverständlich nicht zur Gelegenheit, um sich einer Therapie zu unterziehen und über seine Gefühle und Ängste zu reden, sondern versucht sich selbst zu beweisen, dass ihm das nicht nur nichts anhaben kann, sondern er auch immer noch knallhart ist. Was bietet sich da mehr an, als es mit zwei verdächtigen Typen (einer davon ist übrigens der berühmte UFC-Kämpfer Keith Jardine, der im realen Leben Hank in den Boden gestampft hätte) in einer Bar aufzunehmen und dafür extra die Waffe im Auto zu lassen? Seinem Partner Gomez fällt auf, dass da was gehörig im Argen liegt bei Hank, aber wird er ihm auf die Schliche kommen bzw. wird es ihn in einem Beruf, in dem es darum geht, keine Schwäche zu zeigen, überhaupt interessieren oder ihm eine halbherzige und/oder gelogene Erklärung genügen? So oder so war die Episode für den Charakter Hank wahrlich Gold wert, da er mal wieder als etwas anderes gesehen werden konnte als der witzige Kumpel von Walter.

Und dann wäre da natürlich noch Jesse, der immer noch spürbar unter Janes Tod leidet und immer wieder ihre Handynummer wählt, um auf der Mailbox ihre Stimme zu hören – bis die Nummer nicht mehr verfügbar ist. Saul versucht Jesse aus dessen Lethargie zu befreien, dies aber selbstverständlich nicht ohne Hintergedanken. Sein Plan: Jesse soll Walter dazu bringen, wieder Meth zu kochen. Jesse selber muss sich gar nicht unbedingt die Finger schmutzig machen. Kurze Zeit später jedoch befindet er sich im zum Drogenlabor umfunktionierten RV und scheint bereit, selbst zu kochen. Man darf gespannt sein, wie tief sich Jesse wieder auf das Drogengeschäft einlässt. Die folgenden Episoden werden diesbezüglich sicherlich Auskunft geben. Auch wenn Jesse auch diesmal ein wenig zu kurz kommt, so ist das aber vor allem deswegen, um glaubhaft zu vermitteln, wie er von einem derartigen Schicksalsschlag wie dem Tod seiner Geliebten wieder auf die Füße kommt. So gern man Jesse und Walter wieder möglichst schnell zusammen sähe, so ist es schlichtweg realistischer.

"I fucked Ted."

Was jetzt noch fehlt, sind zwei große "Breaking Bad" Momente, zum einen Walters Rede in Richtung Skyler, die er fälschlicherweise als Aussprache ansieht, und Skylers Reaktion darauf. Zunächst einmal versucht Walter, Skyler das von ihm verdiente Geld zu überreichen, denn, so seine Logik, wenn sie es nicht annähme und damit für sich und die Kinder sorgen würde, wäre alles umsonst gewesen. Das Interessante an Walters Rede ist nicht, dass sie sonderlich herzerweichend gewesen wäre oder ähnliches, sondern dass sie aus Walters Sicht vollkommen ehrlich ist. Er denkt tatsächlich, dass er damit Skyler vielleicht umstimmen könnte und ist auch davon überzeugt, dass er das alles nur für seine Familie getan hat. Er hat sich da ganz offensichtlich seine ganz persönliche Wahrheit zusammengebastelt, um damit leben zu können; seine Familie über alles und sein Meth-Kochen als alleiniges Mittel zum Zweck. Der Zuschauer weiß seit geraumer Zeit, dass das nicht die Wahrheit ist, da sich Walters ursprüngliche Motivation längst verselbständigt hat. Die Figur Skyler aber ist eher Außenstehende, die Walters Treiben bisher nicht so erleben konnte, dem Zuschauer deswegen aber wie bereits oben erwähnt teilweise regelrecht herzlos und hart vorkommt, und eben jenen aber gleichzeitig auch immer wieder auf die Füße holt, um ihm zu zeigen, wie verzerrt das Bild ist, das er von Walter manchmal hat. Deswegen ist diese Szene insbesondere im Bezug auf die Dynamik zwischen Walter und Skyler und dem Verschieben von Sympathien so wunderbar bezeichnend.

Dazu kommt, dass dieser tolle Moment fast unmittelbar zum nächsten führt: Skyler tut Walter genau dort weh, wo es ihn am meisten trifft, schläft (wohl) mit Ted und zerstört damit Walters Illusion der perfekten Familie, als sie ihm dies verständlicherweise mitteilt, wo Walter doch derart in seiner Traumwelt gefangen ist und offensichtlich selbst der Meinung ist, dass ein paar Geständnisse alles wieder gut machen. Jetzt ist es also Skyler, die den glücklichen Elternteil spielen darf, obwohl sie etwas Schlimmes getan hat. Sehr kraftvoller "Hell yeah!"-Moment.

Fazit

Mit den ersten drei Episoden hat "Breaking Bad" vor allem bewiesen, dass es durchaus in der Lage ist, insgesamt langsamer (vor allem im Bezug auf Meth und Co.), aber dennoch emotional dichter zu erzählen, und das Ergebnis ist immer noch unheimlich gut. Schon bald werden die Schrauben angezogen - und es wird die Hölle los sein.

Andreas K. - myFanbase

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