Bewertung

Review: #6.07 Kriegsversehrt

Foto: Jon Seda & Jesse Lee Soffer, Chicago P.D. - Copyright: 2018 NBCUniversal Media, LLC; Matt Dinerstein/NBC
Jon Seda & Jesse Lee Soffer, Chicago P.D.
© 2018 NBCUniversal Media, LLC; Matt Dinerstein/NBC

Zunächst habe ich bei #6.07 Trigger den Eindruck gewonnen, dass es sich um eine Jay Halstead-Episode handelt, bei der mir am Ende seine Entwicklung möglicherweise besser gefallen würde als der Fall der Woche. Dann war ich einen kurzen Moment enttäuscht, als für Jay wieder das Thema Kriegstraumata aufkam, da wir eine sehr, sehr ähnliche Thematik ja erst in #5.07 Die Krieger hatten. Dann wiederum nahm der Fall aber eine so spannende Wendung, so dass ich vor allem deswegen am Bildschirm klebte. Eine Episode also voller gemischter Emotionen.

Wie bereits erwähnt sehe ich als stärkstes Element dieser Folge die Thematik und die Wendungen des Falls der Woche. Terroranschläge im Namen des Glaubens prägen inzwischen unsere Wirklichkeit, deswegen finde ich es immer sehr interessant, wenn sich fiktionale Projekte einer solch anspruchsvollen Thematik widmen. Als wir nun also eine Bombenanschlagsserie geboten bekommen, für die ein Leiter einer Moschee in Augenschein genommen wird, war ich wirklich sehr gespannt, wie sich diese Verwicklungen wohl auflösen werden. Ich hätte aber nie gedacht, dass wir uns von den Muslimen als Tätern wegbewegen und stattdessen am Ende begreifen müssen, dass es sich um zwei ehemalige Soldaten handelte, die durch ihre Erfahrungen im Krieg gegen Muslime die Idee entwickelt haben, alle anderen Glaubensbrüder und –schwestern verurteilen zu müssen. Wenn man ansonsten US-amerikanische Serien schaut, gewinnt man immer den Eindruck, dass alle Kämpfer für das Vaterland einen gewissen Ehrenstatus haben, den man nicht angreifen kann. Da wir Deutsche diese Verehrung in dem Sinne nicht praktizieren, mutet es doch immer etwas komisch an, gehört aber eben zu diesem Land dazu. Dass nun aber eine US-amerikanische Serie selbst an diesem Image kratzt und einen solch spannenden Einblick auf die Kehrseite der Medaille wirft, das war wirklich eine große Überraschung.

Durch die Flüchtlingsproblematik in unserem Land ist die Vordiskriminierung von allen mit muslimischen Glauben ein sehr aktuelles Thema, dieses nun über die Erfahrungen des Krieges gegen Afghanistan aufgearbeitet zu sehen, war wirklich hochinteressant. So interessant sogar, dass mir umso mehr aufgefallen ist, dass einige Aspekte leider offen bleiben oder sogar unlogisch erscheinen. Der Ex-Soldat Jake Miller hat mit dem Muslimen Tarek die Anschläge geplant und ausgeführt, da Tarek für die USA gekämpft hat und dafür von dem Militär seines Geburtslandes bestraft wurde. Als die Intelligence Unit nun vor der Festnahme von ihm steht, tätigt er noch einen letzten Anruf an den Moscheeleiter Akeem und stürzt sich dann in den Tod. Dieser Anruf wird hinterher nie mehr thematisiert. War er nur, um die Polizei auf die falsche Fährte zu bringen und was hat er Akeem überhaupt gesagt, wenn er ihn denn erreicht hat. Zudem finde ich es bei dem Selbstmord von ihm und den späteren Selbstmordabsichten von Miller schade, dass wir Zuschauer nicht so recht durchschauen können, was ihre Motivation dafür ist. Selbstmord nach einem Attentat ist eine häufige Konsequenz bei Muslimen, da sie sich anschließend im Tod Belohnungen erhoffen. Wofür ist also Tarek gestorben und wofür wollte Miller sterben? Zudem ist definitiv verwunderlich, dass sie diese Bombenanschläge überhaupt durchgeführt haben, da bei dem zweiten Attentat tatsächlich auch eine Person gestorben ist. Manchmal muss man natürlich Opfer für seine Mission bringen, aber leider sind die genauen Hintergründe dieser Mission doch eher im Dunklen geblieben. Das finde ich wirklich sehr, sehr schade, da mich ein Fall selten noch so lange mit so vielen Nachfragen beschäftigt hat.

Im Grunde ist die Folge natürlich eine Jay-Episode, aber doch eher unterschwellig, weil eben die Dimension des Falls so enorm an sich ist. Ich war aber definitiv erleichtert, dass sich die anfänglichen Parallelen zu der bereits genannten Episode irgendwann aufgelöst haben und am Ende als nichtig erweisen. Am Anfang merkt man noch deutlich, dass Jay sich automatisch mit Miller identifiziert, da beide ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Zudem handelte es sich eben um Anschläge gegen die Armee, so dass Jay auch konsequent gegen die vermeintlichen Täter vorgehen und nicht erst auf eindeutige Ergebnisse warten wollte. Als es dann zum Showdown mit Miller kommt, der sich einen Sprengstoffgürtel umgebunden hat und letztlich aber von Jay getötet werden muss, da er bereit war, den Zünder auszulösen, war ich auch erst enttäuscht, da er erneut einen Kameraden nicht retten konnte. Trotzdem tat sich am Ende ein Unterschied auf, der mir dann wiederum sehr gefallen hat. Jay erkennt, dass er nicht mehr derjenige ist, der in allem, was er tut, von seinen Kriegserlebnissen geleitet wird. Er hat nun schon so viel abseits von Afghanistan erlebt, dass er sich eben nicht mehr 100%ig mit den Gedanken mancher Soldaten identifizieren kann. Diesen Schritt fand ich sehr wichtig in der Entwicklung von Jay. Ob es jetzt nun an der Therapie lag, die uns Zuschauern nie gezeigt wurde, oder eben einfach nur an der Menge der Zeit, die vergangen ist, Jay hat schon längst eine eigenständige Persönlichkeit entwickelt und wie toll, dass er das nun endlich selbst erkennt!

In seinen Selbsterkenntnissen spielt auch Hailey Upton eine große Rolle. Sie ist es, die sich seine selbstreflexiven Gedanken anhört, denn das ist nun mal, was die beiden füreinander tun. Ich fand es wirklich sehr unterhaltsam, als Hailey konstatiert, dass sie am Ende eines schwierigen Falls immer füreinander da sind, obwohl sie zuerst glauben, dass sie das gar nicht brauchen, um dann doch zu erkennen, welch therapeutische Erfolge das hat. Man kann wirklich nur resümieren, dass die beiden inzwischen eine sehr solide und stabile Partnerschaft aufgebaut haben. Sie bekommen sich zwar auch mal in die Haare, aber am Ende sind sie eben füreinander da. Da ich mich in meiner letzten Review auch schon von dem Gedanken verabschiedet habe, dass man bei ihnen ein Liebesdreieck mit Adam Ruzek aufkommen lassen will, merke ich auch, dass ich die beiden als Kollegen/Freunde direkt viel mehr genießen kann!

Kevin Atwaters Undercover-Unternehmungen waren letzten Endes nur von geringer Bedeutung, trotzdem hatte er eben auch seinen Anteil an diesem Einsatz, der am Ende sein gutes Ende findet. Dafür hat er ja auch ordentlich Prügel einstecken müssen. Die Szenen mit dem Homeland-Agenten fand ich wirklich sehr konsternierend, aber letztlich war diese Polizeigewalt gegenüber Muslimen eben nur ein Nebenthema. Kevins Art wollte ich dennoch noch hervorheben, da seine Übersicht und die Gelassenheit, die er bei der Geiselnahme ausstrahlt, auch auf mich überstrahlt. Er hat wirklich eine tolle Präsenz, daher würde ich mir wirklich sehr wünschen, dass der gute Mann endlich mal wieder bekommt, was er verdient!

Fazit

Nach den ganzen sehr charakterzentrierten Episoden der letzten Wochen, ist der Fokus in dieser Folge doch eher auf dem Fall der Woche, der thematisch sehr brisant und hochinteressant ist. Leider hat man sich keine Zeit genommen, um auch wirkliche alle Dimensionen dieses Falls zu durchleuchten. Für mich ist doch einiges offen geblieben. Eine Jay-Geschichte wiederum klang zunächst wie schon einmal gesehen, hat aber am Ende eine tolle Erkenntnis für die Figur gebracht.

Lena Donth – myFanbase

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