Bewertung

Review: #10.01 Fleisch und Blut

Über den Episodentitel "Let It Bleed" habe ich im Verlauf des Staffelauftakts länger gerätselt, aber spätestens mit der finalen Szene lag die Erklärung sinnbildlich auf der Hand, denn Hank Voight blutet innerlich wie äußerlich und es ist ihm völlig egal, weil er immer noch in der ersten Trauerphase steckt und alles nicht wahrhaben will. Damit wären wir mitten in der Jubiläumstaffel Nummer 10, die viel frischen Wind mit sich bringt, aber eben vieles auch beim Üblichen behält und da muss sich noch erst zeigen, ob die Mischung hier wirklich die richtige Wahl ist.

Die neunte Staffel habe ich doch mit dem starken Wunsch beendet, dass es das Ende von Hank in der Serie sein würde, da sich in meinen Augen zu sehr abgezeichnet hat, dass dem Autorenteam mit ihm nicht viel Neues einfällt, denn jede Neuerung wird auch schnell wieder ausgehebelt und wir sind wieder bei Null. Zum Staffelauftakt ist deutlich zu merken, das Kapitel Hank Voight ist ganz sicher noch nicht abgeschlossen. Wir erleben einen nahezu unmittelbaren Anschluss an das letzte Staffelfinale, auch wenn zwei Wochen vergangen sind, aber emotional ist die Ausgangslage dieselbe. Hank ist nämlich ein gebrochener Mann, der zwar weitermacht und alles ignoriert, was körperlich und seelisch auf ihm lastet, der aber auch einfach nicht mehr den Drive ausstrahlt, der ihn immer ausgemacht hat. Er ist definitiv am gebrochensten Moment seines Lebens, weil sich die Schicksalsschläge mit seiner Beteiligung zu sehr gestapelt haben, aber auch am Tiefpunkt ist Hank immer noch Hank, wenn auch ein wenig anders. Denn diese Ignoranz der eigenen Unit, das Fernbleiben vom stolzen Präsentieren der eigenen Leistung, das wäre ihm vor zwei Staffeln definitiv noch nicht passiert. Was aber bleibt, das ist sein Egoismus, seine Verbissenheit, sein Austesten von Grenzen und seine Sturheit. Ich bin noch nicht ganz sicher, in welche weitere Richtung es mit ihm gehen soll, aber es liegt doch eine enorme Melancholie über seiner Figur, was sich dann auch besonders an seinem Gespräch mit dem neuen Chief Patrick O'Neal zeigt. Neue Chiefs haben wir einige erlebt und jedes Mal ist es wieder ein Ausloten davon, was für eine Art Mensch da wartet. O'Neal wirkt zunächst einmal okay und er scheint vor allem ein Fan der Unit zu sein, was die Tradition von Samantha Miller fortsetzt. All das müssten doch gute Nachrichten für Hank sein, aber seine Lustlosigkeit ist mit Händen zu greifen. Auch wenn ich das alles nachvollziehen kann, so ist es weiterhin nicht der Hank, in den ich große Hoffnungen setze.

Ganz ähnlich geht es mir diesmal mit Jay Halstead. Leider. Da die Meldung zum Ausstieg von Darsteller Jesse Lee Soffer so früh kundgetan wurde, greife ich sie hier bereits auf, da natürlich seit dieser Meldung viele Gedanken durch meinen Kopf gehen. Ob es hier gerade so einseitig wird, weil es eh bald das Ende ist? Ich war zwar schon im Staffelfinale schon enttäuscht, wie sehr er in diesem konkreten Fall zum Spielball wurde, aber so manches kann man eben auch als Ausnahme werten. Zumal sich in Staffel 9 die Machtverhältnisse klar gewandelt hatten. Denn Jays Ansage an Hank, dass er sich im kriminellen Zwiespalt an ihn wenden soll, das wurde befolgt, mehrfach. Deswegen war es eher unverständlich für mich, dass Jay seine Grenzen wieder aufgegeben hat und stattdessen selbst zu einem Hank 2.0 wurde. Zwei Wochen später geht das Spielchen immer noch nahtlos weiter, denn wenn Hank den Zeigefinger krümmt, dann springt Jay. Und das finde ich fast schon erbärmlich, zumal es auch keine völlig nachvollziehbare Erklärung gibt. Es mag Interpretationsansätze geben, aber dann fallen mir auch wieder gleich mehrere Gegenargumente ein. Jay war immer ein loyaler Teamplayer, keine Frage, aber eben auch einer mit gereiften moralischen Grundsätzen und das wird hier mit Füßen getreten, gerade vor dem Hintergrund, dass er bei Hailey Upton gesehen hat, wie es laufen kann.

Gegen diese Blässe von Jay ist es eine wahre Freude, dass Hailey so standhaft bleibt und dass sie vom einstigen Zögling von Hank inzwischen zu seiner ergiebigsten Gegenstimme wird und das durchaus aus Zuneigung geboren. Zwar hat Hailey mit ihrem Misstrauen die Ermittlung behindert, aber man konnte sie definitiv verstehen, denn auf der einen Seite sieht einen Boss, der beständig verdrängt und auf der anderen Seite hat sie den Ehemann, der nur noch wie ein braves Hündchen folgt. Dementsprechend fehlte eben die Stimme der Vernunft, die sie eingenommen hat. Hailey mag gerade in Fällen von häuslichem Missbrauch immer noch ihre Achillesferse haben und mich würde es auch nicht wundern, wenn auch von ihr wieder in dieser Staffel eine Grenzüberschreitung kommt, aber man merkt doch genau, dass sie durch Roy Walton ihre Lektion gelernt hat und deswegen umso hartnäckiger die anderen erden will. Zumal ich es eben auch positiv finde, dass sie all das nicht durch klassische Opposition macht, denn sie hat Verständnis und Empathie und ist so eine wertvolle Stütze. Jay mag am Ende auch etwas erkennen, jedenfalls wirkt es so, aber das Gespräch zwischen ihnen fällt denkbar knapp aus. Es mag alles okay zwischen ihnen sein, weil sie sich eben lieben, aber ich denke nicht, dass Hailey deswegen darauf verzichtet, auch weiterhin die Stimme der Vernunft zu sein.

Und dann wären wir auch beim letzten Highlight dieser Episode: die Rückkehr von Dante Torres. Das hat mich wirklich gefreut, weil er eben sehr vielversprechende Ansätze in seinem einmaligen Gastauftritt in Staffel 9 hatte und weil er eben die jetzt länger fehlende Latinx-Vertretung in der Unit füllt. Zwar war es noch keine Torres-Episode, weil er eher Mittel zum Zweck war, aber es hat direkt wieder richtig Lust gemacht. Er war in dieser dann eher düsteren Episode von der Stimmung her die gute Laune, weil man ihm richtig die Lust an der Arbeit angemerkt hat. Seine gedankenschnelle Idee, wie er Hank helfen kann, war auch angemessen cool für ihn. Hier bin ich wirklich froh und gespannt, wie es weitergeht, denn es ist der dringend benötigte frische Wind, der gerne früher als später böig zuschlagen darf.

Fazit

"Chicago P.D." legt mit einer melancholischen Episode los, da Hank immer noch mitten in der Trauerphase steckt. Es ist eine logische Fortsetzung, aber keine Entwicklung, die mich sonderlich reizt, weil bei mir persönlich in Bezug auf ihn der Ofen leider aus ist. Deswegen begrüße ich den frischen Wind durch Dante Torres und den neuen Chief, was sich aber wohl erst später so richtig auswirken wird. So bleibt ein solider Auftakt, aber auch keinesfalls mehr.

Lena Donth – myFanbase

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