Bewertung

Review: #9.22 Zum Zerreißen gespannt

Zuletzt habe ich das Staffel 5-Finale von "Chicago P.D." mit weniger als acht Punkten bewertet, denn danach hat die Cop-Serie jedes Mal bewiesen, dass sie Staffelfinale wirklich großartig kann. Staffel 9 bricht mit dieser Tradition leider etwas. Es war keine schlechte Episode, aber mir gingen zu viele kritische Gedanken durch den Kopf, was belegt, dass ich diese Episode nicht einfach nur genießen konnte.

In den letzten Jahren waren nicht nur starke Episoden zum Abschluss der Staffel Tradition, sondern auch Hank Voight war auch stets entscheidend involviert, was meist damit endete, dass er irgendwo seine Finger im Spiel hatte, dass er etwas am Vertuschen, am Vergraben oder sonst was war. Auch diesmal steht er voll im Mittelpunkt, was im Vorfeld auch zu erwarten war, denn es ging schließlich um den großen Showdown gegen Javier Escano, dennoch war es mir einfach zu sehr Kopie vom Staffel-8-Finale. Zwar ist das auch angesprochen worden, weil Hailey Upton sich nicht wieder in die Vertuschung eines Mordfalls hineinziehen lassen wollte (zu der späteren Analyse hiervon später mehr), aber warum es dennoch haargenau wieder so machen? Die gesamte Staffel über habe ich mich immer wieder beklagt, dass Hank keine Entwicklung mehr durchmacht, ob also Jason Beghes Ausscheiden aus der Serie vielleicht einfach mal angegangen werden sollte, aber viele passende Momente, wo man es wunderbar hätte gestalten können, sind einfach ungenutzt verstrichen. Inzwischen habe ich schon gar keine Hoffnung mehr, weswegen mich auch Hanks Verhalten in dieser Episode nicht wundern sollte, aber ärgern kann es mich trotzdem. Im Grunde erinnert vieles auch an den Verlust von Alvin Olinsky und seinem Sohn Justin Voight, denn beide hat er auch wegen seiner eigenen Unverantwortlichkeit verloren und die Gefühle deswegen hat er aber nie umgemünzt, dass er sich als Mensch geändert hat, denn es ging anschließend immer nur um Rache. Mit Anna Avalos hat er sich auch viel zu Schulden kommen lassen und sie so im Grunde in den Tod getrieben. Aber wird das was ändern? Ich vermute ganz stark nicht und das ist nicht nur schade, das ist traurig.

In der letzten Episode wurde schon sehr deutlich, dass Anna absolut am nervlichen Limit war. Als sie nun also gewarnt wurde, dass die Operation aufgeflogen ist, hat sie verständlicherweise das Limit überschritten. Die Sequenz, als Anna von Hank mit aufs Revier genommen wurde, die war wirklich eindrücklich, denn man hat bei der Kameraarbeit deutlich gemacht, dass es stets um Annas Perspektive ging. Wie ihr klar wurde, dass sie nie mehr Informantin sein wird, weil sie nun jede*r kennt, wie sie ins Allerheiligste geführt wurde und sich mit allen Informationen konfrontiert sah und vor allem mit der Erkenntnis, dass sie wohl sterben könnte. Ich habe auch absolut verstanden, dass Anna kein Vertrauen darin hatte, dass Hank sie schützen kann, denn er hatte sie eben vorher belogen und das in Bezug auf ihre Vergewaltigung, ein Moment ihres Lebens, der sie entscheidend geprägt und überhaupt erst zum Racheengel gemacht hat. Wie sollte sie da wirklich glauben, dass sie für ihn die oberste Priorität hat? Traurigerweise ist aber genau das der Fall gewesen, denn Hank hatte in dieser Episode nur einen Gedanken: Anna. Man muss ihm sicherlich zugutehalten, dass er sich immer schon emotional ehrlich an Menschen binden konnte und wir haben über die Staffel verteilt schließlich genau das erlebt, weil er sie in sein Haus und sein Privatleben gelassen hat. Jedoch glaube ich, dass Hank sein Herz irgendwann absichtlich verschlossen hat, um sich selbst zu schützen, doch das war der fatale Fehler, weil er mit der Priorisierung des Falls Anna als Mensch aus den Augen verloren hat. Das ist ihm auch klar geworden, weswegen er alles gegeben hat, um sie zu retten, doch Anna war schon längst jenseits von Rettung.

Dass Anna in diesem Staffelfinale sterben würde, da hätte ich im Vorfeld eine hohe Summe drauf setzen können, aber dass es Escano so früh treffen würde, das war schon überraschend und dann auch noch durch Anna. Es war sicherlich in diesem Sinne überraschend, weil die toughe Anna, die uns zu Beginn der Staffel vorgestellt wurde, langsam aber sicher immer weicher wurde, aber dennoch ruhte diese Seite noch in ihr und die hat sich hier angetrieben durch Übernächtigung und Todesangst in Mordlust gewandelt, denn ihre zahlreichen Stichwunden, vor allem im unteren Körperbereich, nein, die waren wahrlich nicht als Notwehr zu verkaufen. Deswegen ist es letztlich auch gut, dass mit Anna in dieses Extrem gegangen wurde, weil so die Ambivalenz ihres Charakters gut aufgegriffen wurde. Dennoch ist ihr eigenes Ende tragisch, auch wenn es mir zu dick aufgetragen war. Die lange Montage am Ende und wie oft Hank immer wieder sagte 'You and Me', das war mir zu viel, weil es die Beziehung auf ein Podest gehoben hat, die es für mich nicht gab. Ja, sie hatten etwas Besonderes, aber er hat sich verhalten, als wäre sie seine Tochter. Aber vielleicht hat er auch einfach den intensiven Abschied bekommen, der ihm bei seinem Sohn und bei Alvin nicht vergönnt war. Dennoch war es zu viel Trara, vor allem weil ich mich noch sehr gut erinnere, dass so ein Trauerprozess um Alvin uns damals verwehrt wurde und dieser war immerhin die letzte Hauptfigur, die wir durch Tod verloren haben. Anna wiederum war für eine Staffel eine Nebenfigur, da sehe ich einfach kein Verhältnis.

Kommen wir abschließend noch zu den reflexiven Betrachtungen auf die inhaltlichen Wiederholungen. Jay Halstead wusste als Erster, dass Anna Escano getötet hat und hat sich deswegen an seinen Boss gewandt, um ihn an ihren Deal zu erinnern, dass er ihn immer zu informieren hat, wenn durch illegales Vorgehen das Team gefährdet wird. Es war richtig, dass es hier aufgegriffen wurde, aber umso enttäuschter war ich von Jay, wie schnell er eingeknickt ist. Zwar war auch daran gearbeitet worden, dass er Verständnis für Anna entwickelt hat, nachdem sie wahrlich keinen guten Start miteinander hatten und dennoch ist dieser Deal zustande gekommen, weil es eine Stimme der Vernunft braucht. Diese war hier aber nicht zu sehen, denn Jays halbherzige Versuche, wie sie Anna legal helfen könnten, die waren schnell als idiotisch abzuhaken und dennoch hat er nicht mehr versucht, sondern sich mit Hank verbrüdert, was ich als Entwicklungsschritt zurück empfinde. Einen Schritt nach vorne macht dagegen Hailey (dass sie Explosion mit Verletzungen sofort unter den Tisch gekehrt wurde, war mal wieder typisch…!), denn sie wollte eben nicht in alte Muster verfallen, sondern das ganze Team ins Boot holen, um eine Lösung zu finden. Denn Hailey hat selbst schon Missbrauch erlebt, sie kann Anna wohl am besten nachvollziehen, weswegen sie sie sicherlich nicht den Wölfen zum Fraß vorwerfen wollte, aber sie wollte nicht einen Plan im Geheimen schmieden, der die Unit wieder in zwei Fraktionen teilt. Zwar ist Hailey später mit Jay gefahren, ohne dass der Rest des Teams Bescheid wusste, aber sie war auch unter Zugzwang, weil zu viel gleichzeitig passierte und sie sich nicht die Zeit nehmen konnten. Dennoch denke ich, dass Hailey auf dem richtigen Pfad war und dementsprechend auch enttäuscht auf ihren Ehemann reagiert hat.

Was bedeutet das nun also für die neue Staffel? Es ist zu befürchten, dass es gar nichts bedeutet, weder bei Hanks Entwicklung, noch bei der Ehe von Jay und Hailey, noch innerhalb der Unit. Das wäre riesiges verschenktes Potenzial, denn die zwei Fraktionen werden auf Dauer wirklich langweilig, weswegen es dringend zu einer Überschneidung kommen sollte. Kim Burgess hatte damals ein Gefühl, dass Hailey ihren Entführer getötet haben könnte, aber nie kam etwas. Auch jetzt dürften sich einige ihren Teil wegen Anna gedacht haben, aber möglicherweise kommt wieder nichts. Warum nicht die ganzen Leichen mal ausgraben? Warum mal nicht richtig für eine interne Sprengung sorgen? "Chicago P.D." geht im September 2022 in die Jubiläumsstaffel. Es wird nicht nur Staffel 10 sein, auch die 200. Episode wird als Meilenstein erreicht werden. Deswegen kann ich nur wieder darauf hinweisen, dass sich personell bei dieser Serie in den letzten Jahren sehr wenig getan hat. Das ist nicht immer negativ, weil so eben eine echte Serienfamilie entstanden ist, aber dennoch hat die Serie über eine ganze Staffel hinweg immer wieder Ausreißer nach unten zu verzeichnen und fast immer ist es die elendige Wiederholung oder Charakterrückschritte. Das müsste nicht sein, wenn einfach mal wieder frischer Wind reinkäme. Aber so oder so werde ich der Serie natürlich treu bleiben.

Fazit

"Chicago P.D." verabschiedet sich leider nicht wie gewohnt aus einer Staffel. Es war zwar eine Folge, die spannend erzählt war und dadurch schnell umgegangen ist, aber gleichzeitig war es in Bezug auf Hank zu wiederholend und Jay hat auch einen Rückschritt gemacht. Einzig Hailey war dann noch eine positive Überraschung. Dennoch sorgen die negativen Faktoren nicht unbedingt für eine unbedingte Vorfreude auf Staffel 10. Es braucht wirklich frischen Wind und Unruhe innerhalb des Teams, nicht außerhalb. Aber das bleibt womöglich ein frommer Wunsch…

Lena Donth – myFanbase

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