Bewertung

Review: #9.02 Wut

Während sich der Auftakt zu Staffel 9 überraschend wenig auf Kim Burgess konzentriert hat, was ich auch als Kritikpunkt benannt habe, wird das in dieser Episode nachgeholt. Und es hat mir wirklich gut gefallen, dass "Chicago P.D." nicht in üblicher Manier das Motto 'weiter so' praktiziert hat, sondern dass Kim Raum gegeben wird, psychisch und physisch am Boden zu sein. Denn die Serie handelt schließlich nicht von Robotern, sondern von Menschen und das wurde so effektiv unterstrichen.

Trotz einer mal wieder starken Kim-Episode habe ich sie insgesamt aber nicht so genossen wie sonst, denn ich fand den eingebetteten Fall doch an vielen Stellen arg konstruiert, woran die Serie öfters mal krankt und hier habe ich das deutlich als Ballast empfunden, weil ich mich nicht wirklich auf das Geschehen einlassen konnte und diesen Störfaktor konnte ich auch nicht einfach wegschieben. Erstmal war es aber gut, dass der Fall eine völlig andere Wendung genommen hat, als abzusehen war, als Adam Ruzek sich mit einer neuen Informantin getroffen hat. Es sah klassisch nach einem Fall von Drogenkriminalität aus und plötzlich haben wir es doch mit einem Serienvergewaltiger zu tun. Jo, das ist mal eine Wendung. Aber zu dem Zeitpunkt, als Adam und Kevin Atwater beim Bewährungshelfer Gary im Büro standen, aber gar nicht richtig zu einer Befragung kamen, weil eine neue Spur gemeldet wurde, war mir leider klar, wer am Ende der Täter sein würde. Warum auch eine Figur einwerfen, die gar nicht richtig zum Zug kommt? Da muss ich dann einfach sagen, das ist doch ein dilettantisches Drehbuch, das vor der Hälfte der Episode zu durchschauen ist.

Aber zum Glück war der Fall eben nur ein Teil des Ganzen und der Rest kümmert sich effektiv um Kim. Dass ich Marina Squerciati als Schauspielerin bewundere, ist wohl mehrfach schon angeklungen, aber diesmal hat sie auch wieder großartig die Bühne bereitet bekommen. Wir erleben sie am Anfang als sichtlich gebrochene Frau, die sich richtig zwingen muss, ein Lächeln für Makayla aufzusetzen, auch weil deutlich wird, dass sie viel lieber die Ruhe genießen würde. Sie ist zwar immer noch eine Kämpferin, die sich kaum etwas anmerken lassen will, aber so entsetzt wie sie auf Adams Angebot reagiert hat, sie zu einem Treffen mit einer Informantin abzuholen, das war schon eine völlig neue Seite. Deswegen fand ich es auch sehr interessant, wie sich die Dynamik zwischen den beiden in der Episode entwickelt hat. Denn erst hat Adam ein wenig gedrängt, weil er Kim gerne wieder als Kollegin sehen will, aber nachdem er gemerkt hat, dass sie daran gerade nicht denken kann, hat er direkt zum Gegenteil umgeschwenkt und sich für sie nach einem Schreibtischjob erkundigt. Ich finde, diese Unsicherheit bei Adam ist definitiv als Charakterentwicklung bei ihm zu sehen. Denn er war immer ein sehr sturer Kopf, der eigentlich nur seine Meinung kennt, aber Kim ist auf so vielen Ebenen zu seiner Partnerin geworden, was durch die gemeinsame Kindeserziehung noch einmal erweitert wurde, weswegen er sie wirklich als eigenständige Persönlichkeit akzeptiert. Und deswegen will er einfach nur, dass es ihr gut geht und würde jegliche Entscheidung akzeptieren, selbst wenn sie ihm nicht gefallen würde. Das ist eigentlich wirklich das, was Kim sich bei ihm immer ersehnt hat, dass er Verantwortung übernimmt, nicht nur für sich selbst und seine Fehler, sondern auch für andere.

Adams Unsicherheit löst schließlich aus, dass Trudy Platt und Hank Voight von Kims Zustand erfahren und die beiden wollen sie definitiv nicht verlieren. Gerade Hank kennt natürlich kein psychologisches Feingefühl, weswegen es mich überhaupt nicht gewundert hat, als er sofort bei Kim auf der Matte stand, um sie in den Fall einzubinden. Das sagt viel über Hank aus, aber da wir ohnehin selten das Gute in ihm sehe, ja, ist eben so. Aber es war schon ein enormer Druck, den er auf Kim ausgeübt hat, die einfach nur ihr Ruhe wollte. Zudem hat man im weiteren Verlauf auch gemerkt, dass der Wunsch nach einem Schreibtischjob nie aus ihr heraus entstanden ist, es ging immer nur um die Frage, ob sie sich konkret noch einmal den Gefahren der Unit stellen kann. Deswegen fand ich es immerhin gut, dass Kim sich selbst noch gewisse Grenzen gesetzt hat. Das Gespräch mit Opfer Sara war auch nicht gefahrenanfällig und daher perfekt, um wieder in den Sattel zu steigen, aber gleich danach zieht sie sich wieder zurück. Das habe ich wirklich so gut nachvollzogen, denn es ist ja völlig klar, dass es vor allem die Festnahmen, die Jagden nach Verbrecher*innen und sonstiges sind, die ihr Trauma triggern könnten. Dass sich Kim letztlich doch in eine Gefahrensituation wagt, liegt schlichtweg daran, dass sie in Sara eine Seelenverwandte gefunden hat. Sie hat sich Gary nicht gestellt, um es sich zu beweisen, sondern sie hat es für Sara getan. Das hat man ganz besonders in der Endsequenz gemerkt, als Kim dieser mitteilt, dass sie nun sicher ist. Es war deutlich abzulesen, dass Kim sich nichts mehr wünscht als diese Worte auch zu hören und zwar, weil Roy geschnappt wurde.

Nun habe ich in meiner letzten Review die Vermutung geäußert, dass Kim vielleicht ahnt, dass Hailey Upton ein Geheimnis verbirgt. Aber wenn es überhaupt eine Vermutung ist, dann ist eben nur eine Vermutung, aber keine Gewissheit. Hailey war zwar bei der finalen Szene nicht dabei, aber sie hat vorher Kim und Sara zusammen erlebt und dabei war auch schon rauszuhören, wie wichtig es für Opfer ist zu wissen, dass der Peiniger festgesetzt worden ist. Das löst die seelischen Narben nicht in Luft auf, ist aber ein entscheidender Beitrag. Deswegen hoffe ich, dass Kims Situation hiernach nicht gleich völlig aufgelöst wird, sondern dass wir immer noch unterschwellig ihre Verarbeitung miterleben, denn sie hat ihren Abschluss eben noch nicht und Hailey spielt hier eine große Rolle.

Apropos Hailey: Was mir in dieser Episode doch entschieden gefehlt hat, ist eine Nachverarbeitung ihrer Verlobung mit Jay Halstead. Eigentlich weiß es bis dato ja nur Hank offiziell, aber keine Ahnung, ob die anderen doch schon etwas ahnen, aber ich würde mir doch wünschen, dass es irgendwann offizielles gemeinsames Wissen ist. So eine Verlobungsfeier wäre doch mal ein positives Ereignis, was die Unit gemeinsam feiern könnte!

Fazit

Ich bin froh, dass sich "Chicago P.D." in dieser Woche die Zeit genommen hat, um Kims Trauma tiefer zu ergründen. Leider war das Geschehen von einem ziemlich plumpen Fall begleitet, da der Täter viel zu früh ersichtlich war. Das war doch ein Dämpfer, der aber zum Glück nichts von der generellen Wirkung nimmt, die Kim-Episoden bei mir haben. Also eine gute Episode mit einem größeren Makel.

Lena Donth – myFanbase

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