Bewertung

Review: #1.09 Alles ist Jetzt

Foto: Jördis Triebel & Karoline Eichhorn, Dark - Copyright: Stefan Erhard/Netflix
Jördis Triebel & Karoline Eichhorn, Dark
© Stefan Erhard/Netflix

Zuletzt haben wir uns fast ausschließlich auf das Jahr 1953 konzentriert, dieses Mal splittet man die Episode und drei gleiche Teile und spinnt jeden Aspekt der Geschichte ein wenig weiter. Dabei ergeben sich einige Zusammenhänge, die das Netz aus Figurenkonstellationen noch verstrickter erscheinen lassen.

Wir beginnen im Jahr 1953, wo der Grundstein für Egons erbitterte Abneigung gegen Ulrich gelegt wird. Auslöser dafür ist Bernd, der verlangt, dass Egon alles tut, um Helge zu finden. Es ist eine Art Teufelskreis, der somit losgetreten wird, denn 33 Jahre später wird Egons Fixierung auf Ulrich wieder aufgegriffen, während sich jener weitere 33 Jahre später auf Helge einschießt. Dieses Muster setzt sich in den beiden anderen Zeitebenen der Episode fort und ist wieder einmal ein Zeichen dafür, wie feinfühlig "Dark" mit dem Zyklus umzugehen weiß, von dessen nie enden wollendem Neubeginn man uns erzählt.

Die wohl schockierendste Aufdeckung dieser Episode ist die Offenbarung über den Mann von Agnes und somit den Vater von Tronte. Als Agnes erwähnt, dass er Pfarrer ist – oder viel mehr war, da sie sagt, er sei tot – schrillen bei einem sofort alle Alarmglocken und man denkt sofort an Noah. Zwar gibt es für diese Theorie noch keine endgültige Bestätigung, doch es spricht für sich, dass "Dark" auch diesen Kreislauf schließen will. Mit Noah als Auslöser für die Gewalt in Familie Nielsen und seinem Versuch, eine Zeitmaschine zu bauen, die alles wieder geraderückt – also seine Familie wieder ihm gefügig macht? – verknüpft man zwei weitere lose Enden und könnte somit auch erklären, was Noahs Motiv in seinen Gräueltaten ist. Ich muss gestehen, dass mir dieser Gedanke bisher nicht gekommen ist, ich es daher aber umso genialer finde, dass "Dark" sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht, sondern weiterhin zu verblüffen weiß. Noahs zweites Gespräch mit Bartosz war zudem wieder sehr mysteriös und ich weiß nicht genau, ob ich weiterhin vermuten soll, dass es sich bei den beiden um ein und dieselbe Person handelt. Dagegen spricht, dass Bartosz aus dem Jahr 2019 dann 3 Ebenen zurück in die Zeit reisen müsste, um 1953 das richtige Alter für Noah zu haben, doch eigentlich weißt die Triqueta nicht darauf hin, dass es noch eine Ebene im Jahr 1920 gibt. Passen würde dieser Verdacht allerdings zu der Theorie, dass es sich bei dem Fremden um Jonas handelt. Durch Martha entsteht bei den beiden gerade eine Feindschaft, die im Sinne der Serie ebenfalls über die Jahre wiederhallen könnte.

1986 werden gleich zwei Vernetzungen losgetreten. Zuerst haben wir hier Ulrich und Katharina, mit denen Hannah ein falsches Spiel treibt. Opfer ist dabei Regina, auf die ich erst später eingehen werden. Was Ulrich, Katharina und Hannah angeht, zeigt sich nach Hannahs Falschaussage gegen Ulrich erneut, welch manipulatives Wesen unter dem auf den ersten Blick so unschuldig dreinblickenden Mädchen steckt. Mit voller Absicht versucht sie die Beziehung von Ulrich und Katharina zu sabotieren und dies zieht sich weiter ins Jahr 2019. Dort hat sie ihr Ziel erreicht und eine Affäre mit Ulrich begonnen. Als Katharina in Rage vor ihrer Tür steht, gibt es unzählige Möglichkeiten, wie sich ihre Wut entfalten könnte. 33 Jahre zuvor wurde sie gegenüber Regina handgreiflich, genau wie in #1.06 Sic Mundus Creatus Est. Obwohl Hannah beide Male der eigentliche Übeltäter ist, holt Katharina aber wieder nicht zum Schlag gegen sie aus. Weinend bricht sie auf Hannahs Küchentisch zusammen und letztere raunt ihr wie schon früher eine Lüge nach der anderen ins Ohr. Es ist abstoßend, zu was für einem Menschen Hannah sich entwickelt hat, bedenkt man, dass man zu Beginn der Serie noch ein klein wenig Mitgefühl für sie empfand, da sie gerade erst ihren Mann verloren hatte. Der Kreislauf aus Lügen und Hass setzt sich rund um Hannah immer weiter fort.

Was Regina angeht, ergibt ihr unglückliches Aufeinandertreffen mit Katharina 1986 auch etwas Positives. Sie lernt ihren späteren Mann Aleksander kennen, der seinen wahren Namen – Boris Niewald – auf der Flucht (nach einer Schießerei?) abgelegt hat. Die Hilfsbereitschaft, die Aleksander an den Tag legt, ist ihm 33 Jahre später sehr zuträglich, da er nach der Drecksarbeit, die er 1986 für

Claudia geleistet hat, nun der Leiter des Atomkraftwerkes ist. Dieser fast schon heitere Aspekt der Windener Triqueta wird nachträglich überschattet von Hannah, die um Aleksanders wahre Identität weiß und nun Rache an Ulrich verüben will. Wie schon 1986 verlangt Hannah eine Bestrafung für Ulrich, nachdem er sich gegen sie und für Katharina entschieden hat. Ich vermute, dass Hannah einen kurzzeitigen Erfolg feiern wird, im Endeffekt aber wieder leer ausgeht.

2019 kommt es zu ungewöhnlichen Verknüpfungen:

  • Da hätten wir Jonas und Martha. Seitdem Jonas realisiert hat, dass Martha seine Tante ist, sucht er Abstand. Die Chemie zwischen ihnen stimmt, weshalb der Kuss gleichzeitig Verständnis und Abneigung hervorruft.
  • Bartosz trifft zum ersten Mal auf seine Großmutter. Wo war Claudia in den letzten Jahren? Wann übergab sie das AKW an Aleksander?
  • Der Fremde steckt also mit Claudia unter einer Decke? Was deponierte er bei dem radioaktiven Müll, den Aleksander zu verheimlichen versucht?
  • Der Polizist Torben Wöller ist ein Spitzel von Aleksander?
  • Regina betritt zum ersten Mal seit der Ankunft des Fremden dessen Hotelzimmer. Warum hat sie dort vorher keine Ordnung gemacht? Wie fasst sie die riesige "Pinnwand" auf?

Außerdem:

  • Das Gespräch von Greta und Noah ging einem unter die Haut. Zuvor fragte man sich noch, woher Gretas Abneigung gegen ihren Sohn kommt, nun erklärt sich, dass sie Schwierigkeiten damit hat, Helge zu lieben, da er wahrscheinlich das Produkt einer Vergewaltigung aus dem Zweiten Weltkrieg ist.
  • Agnes scheint es doch nicht auf Egon abgesehen zu haben, sondern eher auf Doris.
  • Helge muss nach dem kurzen Aufbäumen gegen Noah ein zweites Mal versucht haben, sich von ihm loszusagen, wenn Jana von einem öffentlichen Streit Zeugin wurde.
  • Warum hat Aleksander seine Sachen im Wald versteckt und sie nicht vernichtet?
  • Claudia wird mit gleich zwei Dingen konfrontiert, die nur schwer zu verarbeiten sein. Zum einen der radioaktive Müll, den Bernd ihr so leichtfertig unterjubelt, zum anderen ihr Pudel Gretchen, der 33 Jahre nach seinem Verschwinden vollkommen unverändert auftaucht. Wie erfuhr sie von dem Wurmloch und warum genau ließ sie Aleksander die Tür bauen?
  • Sehr schade, dass wir momentan so wenig von Charlotte und Peter sehen.
  • Der Fremde arbeitet also mit Claudia zusammen und beide animieren H.G. Tannhaus beim Bau der seltsamen Maschine.

Fazit

Die Episode quillt beinahe über von Metaphern, die sich über die drei Zeitebenen erstrecken und schockierenden Wendungen, deren Reichweite noch nicht abzusehen ist. Durch scharfe Unterteilung in die drei Teile der Triqueta nimmt man die Komplexität der Folge im ersten Moment gar nicht wahr und braucht ein wenig, um das Gesehene sacken zu lassen. Dadurch wirkt die Episode auf den ersten Blick nicht sonderlich spannend, erst im Nachgang entfaltet sich ihre Wirkung und man ist wie vom Blitz getroffen.

Marie Florschütz - myFanbase

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