Bewertung

Review: #1.08 Was man sät, das wird man ernten

Foto: Oliver Masucci, Dark - Copyright: Julia Terjung / Netflix
Oliver Masucci, Dark
© Julia Terjung / Netflix

Noch weiter in die Vergangenheit führt uns "Dark" dieses Mal. Es ist die bisher düsterste Episode der Serie, die nicht nur was die Zeitreise selbst angeht aufgreift, dass die Geschichte sich immer und immer aufs Neue zu wiederholen scheint. Auch anhand des Kreislaufs von Brutalität und daraus resultierender Machtlosigkeit, die wieder zu Brutalität führt, zeigt man uns, wie gekonnte "Dark" sich in dem nicht enden wollenden Muster innerhalb der Zeitschleife von 33 Jahren selbst zu bestätigen weiß.

Der große Fokus der Episode liegt auf Ulrich, der Helge aus dem Jahr 2019 ins Jahr 1953 folgt und dort auch prompt auf die jüngere Ausgabe seiner Zielperson trifft. Bereits bei Jonas' Zeitreise haben wir mit angesehen, wie über die besten und selbstlosesten Absichten schließlich die Selbstsucht siegt, denn als Jonas erkannte, dass er Mikkel nicht retten kann, ohne seine eigene Existenz aufs Spiel zu setzen, drehte er dem Jungen, der einmal sein Vater werden soll, den Rücken zu. Ähnlich ergeht es Ulrich, der in der Vergangenheit nach einer Chance sucht, sowohl seinen Bruder Mads als auch seinen Sohn Mikkel vor dem Tod zu bewahren, für den er Helge verantwortlich macht. Ein zunächst aufopferungsvoller Gedanke, begleitet von einem netten Ratschlag an den kleinen Helge – der von den anderen Jugendlichen auf ähnliche Weise verspottet wird, wie Regina 33 Jahre später – bevor Ulrich ahnt, um wen es sich bei dem Jungen handelt. Als er schließlich realisiert, dass er Helge davon abhalten kann, in der Zukunft Untaten zu begehen, indem er ihn im Hier und Jetzt ausschaltet, schlagen Ulrichs Beschützerinstinkte bezüglich Mads und Mikkel innerhalb von Sekunden zu und aus dem Familienvater wird eine Bestie. Die Jagd durch den Wald zeigt man in allen erschütternden Details, ebenso wie Ulrich den Stein ergreift und damit wieder und wieder auf Helges Kopf einschlägt. Es ist eine blutige, grausame und schockierende Szene, bei der man sich fragen muss, in wie weit Selbstjustiz zu befürworten ist, auch wenn die Motive noch so verständlich sein mögen. Auch Ulrichs anschließende Erkenntnis über seine barbarische Tat trifft genau die richtige Note.

Erschreckend bei der ganzen Geschichte ist, dass Ulrich gar nicht zu erkennen scheint, dass er den Kreislauf der Dinge nicht zu seinen Gunsten verändert hat, sondern die Ursache für die Entstellung ist, die Helge fortan zeichnen wird. Ist es somit Ulrichs Tat, die Helge erst auf die falsche Spur gebracht und für Noahs Einflüsterungen zugänglich gemacht hat? Die Geschichte beginnt dadurch wieder von vorn und es ist gleichermaßen erschütternd wie faszinierend, dass alles auf Ulrichs Zeitreise hinausgelaufen zu sein scheint.

Wie Wiederholung von Mustern, die sich von der Vergangenheit auf die Gegenwart und Zukunft überträgt, findet sich auch in den begleitenden Teilen der Geschichte wieder. Es ist ein Kreislauf von Missbrauch, Verrat und Scheitern, der sich durch die Jahre zieht. Während Helge und Tronte von Mutter beziehungsweise Vater misshandelt werden, scheitern sowohl Egon als auch Ulrich daran, Gerechtigkeit zu verüben. Gleichermaßen auffällig ist das Unvermögen, eine glückliche Ehe zu führen und als Familie zusammenzuhalten. Ulrich betrügt Katharina mit Hannah, so wie Tronte Jana mit Claudia betrogen hat.

Begleitet wird die erbarmungslos tragische Geschichte von einer Unterhaltung zwischen dem Fremden und H.G. Tannhaus. Die Stimme von Tannhaus, die uns als Erzähler aus dem Off bereits bestens vertraut ist, verdeutlicht noch einmal, auf welche Weise die drei Zeitebenen zusammenhängen. Die Theorie hinter seiner Vermutung wirkt schlüssig und wirft zudem die Frage auf, in wieweit die Figuren überhaupt aus den festgelegten Bahnen ausbrechen können. Wenn Ulrichs Tat die von Helge bedingt hat, bedeutet dies dann auch, dass der Versuch des Fremden, das Wurmloch zu schließen, fehlschlagen wird? Ist die Geschichte auf eben jenen Versuch ausgelegt, damit alles wieder von vorn beginnen kann?

Kurze Eindrücke

  • Ganz zum Schluss lernen wir noch die gealterte Claudia kennen, die nicht weniger geheimnisvoll wirkt als Agnes – die Egon und Doris gleichermaßen um den Finger zu winkeln scheint. Claudia sieht aus wie die böse Hexe dieses Märchens und man kann sich sicher sein, dass ihr Wissen über die Zusammenhänge zwischen Atomkraftwerk und dem Zeitreisen erheblich ist.
  • Es begann also schon 1953, dass Egon eine Antipathie gegen Ulrich entwickelte.
  • In das Jahr 1953 wurde genau so viel liebevolle Gestaltungsarbeit gesteckt, wie man sie uns bereits 1986 präsentierte.
  • Die Leichen von Erik und Yasin wurden also nicht ins Jahr 1986 gebracht, sondern sogar noch weiter in die Vergangenheit.
  • Wurden auch Jungen aus dem Jahr 1953 entführt und getötet?
  • Da die Handlung rund um Ulrich so fesselnd erzählt ist, stört es überhaupt nicht, dass wir keinen Blick ins Jahr 2019 geworfen haben.
  • Bei Mikkels Reise in die Vergangenheit hatten wir es mit kindlichem Unglauben zu tun. Es gab nur einen kurzen Versuch, in die eigene Zeit zurückzukehren, dann musste Mikkel sich mit dem Geschehenen abfinden. Bei Jonas wurde die Geschichte bereits um einiges intensiver erzählt und Ulrichs Reise in die Vergangenheit setzt dem Ganzen an Spannung nun die Krone auf. Ebenso wie wir es mit drei Zeitebenen zu tun haben, haben wir drei verschiedene Reaktionen darauf gesehen, die einen eindrucksvollen Spannungsboden aufgebaut haben, an dessen Zenit wir uns nun zu befinden scheinen.

Fazit

Der Kreis schließt sich und alles beginnt wieder von vorn. "Dark" weiß genau, was es tut und zeigt uns eine kaltblütige Tat, die Unmengen von Adrenalin freisetzt. Wie geschickt man mit dem Zeitreiseaspekt zu spielen weiß, entfaltet erst jetzt seine Wirkung und so lässt man uns am Ende staunender als je zuvor zurück.

Marie Florschütz - myFanbase

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