Bewertung

Review: #1.07 Kreuzwege

Foto: Mark Waschke, Dark - Copyright: Stefan Erhard/Netflix
Mark Waschke, Dark
© Stefan Erhard/Netflix

In den letzten beiden Episoden stand neben dem großen Mysterium um die Höhlen das persönliche Drama der Charaktere im Vordergrund. Davon nimmt man nun ein wenig Abstand, um sich tiefer in die Zeitreise-Aspekte der Episode hineinzuversetzen.

Nach den bahnbrechenden Enthüllungen über Mikkel und Mads ist dieses Mal Helge an der Reihe. Zuletzt habe ich noch überlegt, welche Zeitebene wir eventuell kennenlernen werden und mit Helge beantwortet man diese Frage, da wir ihn als kleinen Jungen zu Gesicht bekommen. Mit blutverschmiertem Ohr wacht er in eben jenem Zimmer auf, in dem Erik gefoltert wurde. Rechnet man zurück, dann muss es sich dabei um das Jahr 1953 handeln. Es ist nun also klar, dass Helge auf vielfältige Weise in die Entführung der Jungen involviert ist und das es für ihn zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein scheint, durch die Zeit zu reisen. Gleichzeitig offenbart man uns aber auch, dass Helge keinesfalls der Drahtzieher hinter den Entführungen ist. Der Blick auf Helge im Jahr 1986 lässt bereits Zweifel daran aufkommen, dass es sich bei ihm um einen kaltblütigen Killer handelt. Er erscheint eher eingeschüchtert durch Egons kurze Befragung und wirkt auch sonst eher wie ein Mitläufer als der Kopf hinter den Entführungen. Diese Rolle passt viel besser zu Noah, der nur so strotzt vor Energie, als er den Boden schrubbt, auf dem ein Junge (war das Yasin?) geraden den Tod gefunden hat. Helge benötigt er dabei allem Anschein nach lediglich für die Drecksarbeit, denn der Handlanger darf sich um die Entsorgung der Leiche kümmern. Sowohl die neuen Erkenntnisse zu Noah als auch zu Helge passen sehr gut zu dem Bild, das sich von den beiden über die letzten Episoden hinweg aufgebaut hat. Positiv anrechnen muss man "Dark" an dieser Stelle auch, dass es mit Voranschreiten der Handlung immer leichter fällt, die verworrene Geschichte zu durchschauen. Es ist nicht mehr länger nötig, uns durch Familienporträts in Erinnerung zu rufen, wer zusammengehört und wer in welcher Zeitebene wie aussieht. Durch den konstant hohen Druck, das Gesehene zu verarbeiten und zu verstehen, steigt man mit jeder Folge besser durch und entwickelt immer mehr Genuss an den kleinen Zusammenhängen, die man nebenbei entdeckt.

Was Helge angeht, muss man noch kurz zwei Überlegungen anstellen, die beide auf Unfälle zurückgehen, die er erlebt zu haben scheint. Zum einen wäre es das blutende Ohr, das er sich im Kindesalter zugezogen hat und das ihn fortan entstellen soll. Zum anderen gibt es da noch einen Unfall im Jahr 1986, der uns erst noch bevorsteht. Haben diese beiden Dinge etwas mit den Zeitreisen zu tun? Hat sich eines der Opfer von Helge und Noah vielleicht zur Wehr gesetzt? Ich bin gespannt auf die Auflösung, die sicher nicht mehr lange auf sich warten lässt. Interessant fand ich zudem Janas kurzes Gespräch mit Ulrich. Bisher haben wir Ulrich und seine Eltern nicht sonderlich herzlich mit einander erlebt. Es war das erste Mal, dass man zwischen Ulrich und seiner Mutter eine Verbindung gespürt hat. Ihre Worte über Helge und dass sie ihn im Jahr 2019 genau so jung gesehen hat wie 1986 kamen unerwartet.

Während Charlotte und Ulrich sich bisher beide gefragt haben, wie das Verschwinden von Mads und Mikkel zusammenhängen könnte, beschreiten sie nun vollkommen unterschiedliche Wege. Das Zusammenspiel aus Fantasie und Logik innerhalb der Serie wird von den beiden aufgegriffen. Ulrich hat durch die Identifizierung von Mads – die er selbst noch nicht verkraftet hat – erkannt, dass er es mit etwas Unbegreifbarem zu tun hat. Charlotte hingegen wendet sich in dieser Episode von den Überlegungen über die Geschehnisse von vor 33 Jahren ab und konzentriert sich auf das Atomkraftwerk. Dort findet sie nicht nur den Ort, an dem vor Kurzem noch der radioaktive Müll gebunkert wurde, sie entdeckt auch eine geheimnisvolle Tür. Einen Moment lang habe ich überlegt, ob sich hinter dieser Tür der Folterraum verbergen könnte, doch der scheint eindeutig mit dem Bunker auf Helges Grundstück zusammenzuhängen. Hinweis darauf geben die Überreste der Tapete, die Charlotte in den Händen hält und auch der vorherige Aufenthalt von Peter und Tronte an diesem Ort. Was verbirgt sich dann also hinter der Tür beim AKW?

Eine mitreißende Zeit verbringen wir auch mit Jonas. Seinem Ausflug ins Jahr 1986 begegnet er mit Ungläubigkeit. Ähnlich irritiert wie Mikkel streift er durch die vertraute und doch so fremde Stadt und fragt sich, ob sein Verstand ihm einen Streich spielt. Auch die Existenz des Fremden zweifelt Jonas kurz an, da es einfach unmöglich erscheint, dass die Reise durch die Höhlen ihn 33 Jahre in die Vergangenheit katapultiert hat. Es gefällt mir gut, dass Jonas skeptisch bleibt und die Zeitreise nicht so einfach hinnimmt, da es der Serie ihren ernsten Grundton genommen hätte, wenn Jonas den Zeitsprung mit Freude akzeptiert hätte. Dass Jonas Mikkel nicht mit zurück ins Jahr 2019 nimmt, ist ein schwerer und teilweise egoistischer Schritt, den Louis Hofmann mit seinem erschütterten Gesichtsausdruck sehr gut zu rechtfertigen weiß. Wie der Fremde schon gesagt hat, kann man ein Leben manchmal nur retten, wenn ein anderes geopfert wird. Mit einer glitzernden Träne in den Augen beim Anblick seiner Eltern kehrt Jonas daher unverrichteter Dinge in seine Zeit zurück und man kann es ihm einfach nicht verübeln.

Randnotizen

  • Gut, dass Katharina Ulrich mit der Affäre konfrontiert hat. Woher kam 1986 ihr blaues Auge? Wurde sie früher von ihrem Vater geschlagen?
  • Was hat es mit den Experimenten auf sich, die Noah und Helge an den Jungen vollführen? Hängen sie irgendwie mit dem Buch "Eine Reise durch die Zeit" zusammen?
  • Noch immer kein Wort über Bartosz und Noah.
  • Nutzt man die Zeitreisen, um die Leichen der Jungen loszuwerden? Mads starb 1986 und man fand ihn 2019. Vielleicht wird die Leiche von Yasin 1986 auftauchen, damit niemand ihn identifizieren kann?
  • Warum stritt Helge sich 1986 mit Noah?
  • Ein Hoch auf die Kostüm- und Maskenbildner. Man gibt sich viel Mühe, das Jahr 1986 so authentisch wie möglich umzusetzen. Auch die musikalische Untermalung war wunderbar treffend.

Fazit

Man ist es von "Dark" bereits gewohnt, dass einen die Serie vollkommen in ihren Bann zieht und auch die siebte Episode bildet da keine Ausnahme. Nach Jonas' Ausflug in die Vergangenheit kann man nun kaum abwarten, was Ulrich dort erleben wird.

Marie Florschütz - myFanbase

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