Review: #3.22 Zwischen allen Stühlen

Das Ende dieser Staffel ist durch die Erwähnung der Abschlußprüfungen denkbar nahe und ein alternativer Abschlußball soll mit Vorhandenem brechen. Am Ende wird dann sogar konkret die Hoffnung erweckt, es könne mit Dawson und Joey wieder etwas werden. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen...

Eine Leserin meiner Reviews machte mich kürzlich auf eine Beobachtung aufmerksam, die sie mit "The Longest Day" beginnend machte. Dabei fiel ihr auf, dass die Vorgehensweisen von Dawson und Pacey vertauscht wurden. Während in der zweiten Staffel Dawson sich in der Beziehungskrise mit Joey stark zurückhielt und seinen Ärger stattdessen in seinem neuen Film Luft machte, womit er auch der kurzzeitigen Beziehung mit Jack den Weg ebnete, geht er nun plötzlich offensiv vor. Beispiele dafür sind die Segelregatta und die Organisation des Balls - die Ankündigung erfolgte bereits direkt in "The Longest Day", indem er sagte, dass er um Joey kämpfen werde. Pacey hingegen, der damals bei Andie in der zweiten Staffel um sie kämpfte, hält sich nun zurück und muss sich sogar von Joey zum Tanz auffordern lassen.

Der Effekt dieses Rollentausches ist die Absicht, die Sympathien beim Zuschauer zu vertauschen. Wenn zwei sich um eine Frau streiten, ist meist der zurückhaltende derjenige, der am höchsten in der Gunst der Zuschauer steht, da man seine Motive - egal ob berechtigt oder nicht - für ehrenwerter hält. Er muss nicht darum kämpfen, denn am Ende entscheidet sich das Schicksal für ihn - er ist der richtige.

Warum dieser Rollentausch ausgerechnet in diesem Review, zu dieser Episode, thematisiert wird, ist die Tatsache, dass wir am Ende dieser Episode plötzlich wieder das klassiche Modell vorfinden. Dawson erklärt seinen Kampfverzicht, er vertraut darauf, dass Joey sich richtig entscheiden werde - er gibt sich optimistisch.

Damit ergibt sich eine finale Verschärfung in diesem schon seit Episoden unlösbaren Konflikt: Nun haben wir es plötzlich mit zwei Kontrahenten zu tun, die beide auf Joey vertrauen und dabei beide nicht offensiv vorgehen. Offenbar will man die Entscheidung in der finalen Episode - die schon die nächste sein wird - nicht zu einfach gestalten, was recht unerwartet kommt.

Zumindestens erleben wir, was Dawson und Joey angeht, ein Aufleben von Erinnerungen an bessere Zeiten und vor allen Dingen den markanten Rückbezug auf "The perfect wedding" in der zweiten Staffel, als die beiden schon einmal im Rahmen eines Tanzabends (im Rahmen einer Hochzeit) wieder zusammenkamen. Hier tanzt Joey jedoch wirklich innig nur mit Pacey - ein markantes Zeichen, das uns zu denken geben sollte.

Mit der Erinnerung an "The perfect wedding" einher geht natürlich auch das Wiederzusammenkommen von Dawsons Eltern. Und das ausgerechnet in einem Augenblick, als Dawson Joey erklärt, er sei optimistisch und vertraue ihrem Urteilsvermögen.

Eben diese Szene macht die gesamte Situation für Joey aber nicht einfacher. Zum einen haben wir jetzt obengenannte Situation, dass im Grunde beide Optionen, Dawson und Pacey, sich völlig auf Joeys Urteilsvermögen verlassen und zum anderen hat Joey bei Dawson jetzt wieder die alten Gefühle neu erfahren, was die Voreingenommenheit für Pacey wiederum um einiges zurückschraubt. Besagte Unlösbarkeit, die schon in den zuvorgegangenen Reviews desöfteren angesprochen wurde, wird nun auch direkt benannt, im Gespräch mit Bessie, die auch keinen Rat weiß. Letztlich wird alles von Joey abhängen - mit dieser Episode ist es endgültig, dass weder Pacey noch Dawson von sich aus aufgeben werden, zu hoffen.

Womit wir auch bei Pacey wären. Pacey sieht sich einer Situation gegenüber, die der von Joey gar nicht so unähnlich ist, wenngleich er einen eindeutigeren Standpunkt verfolgt. Ihn belastet nämlich immer noch die Tatsache, dass Andie ihn nicht aufgegeben hat. Diese Problematik wird natürlich nicht dadurch besser, dass die beiden ausgerechnet gemeinsam den Ball besuchen. Genauso wie für Dawson der Rückschlag erfolgt, erfolgt er auch für Andie, die sich bislang noch nicht eingestehen wollte, dass sie noch in Pacey verliebt ist. Am Ende legitimiert sie aber die Beziehung zwischen Pacey und Joey ein weiteres Mal - sie rät Pacey gar zu einer deutlicheren Vorgehensweise, um Joey für sich zu gewinnen. Zugleich bekennt sie sich aber auch dazu, dass ihr die ganze Sache nach wie vor schwerfällt. Sie versucht sie aber mit sicher selber zu klären und will Pacey nicht weiter beeinflussen.

Nach einiger Zeit wieder aufgegriffen wird in dieser Episode auch Jacks Verhältnis zu seiner scheinbaren Homosexualität. Nachdem man Jack in dieser Staffel massiv in die Situation gebracht hat, kennenzulernen, was seine bislang nicht ausgelebte Veranlagung bedeutet, kommt das, was man beim Outing in der zweiten Staffel bereits erwartet hat, dass Jack nämlich erstmal einen Rückzieher macht. Fest steht dabei noch nicht, ob er einfach noch nicht soweit ist, diese Umorientierung auch in der Praxis zu vollziehen oder ob es wirklich das ist, was er wollte. Bereits mehrfach wurde ja bereits in diesen Reviews der Verdacht geäußert, das Ganze wäre möglicherweise nur ein Schutzschild für Jack, ohne dass er sich der Tragweite der ganzen Angelegenheit bewusst sein. Nichtsdestotrotz hat diese Staffel den abstrakten Begriff, der bislang nur im Raum stand, und Jack etwas näher gebracht, was auch dringend notwendig war. Man will noch nicht auflösen, ob es Jack ernst ist, aber man ist nah dran.

Richtiggehend mit Interesse kann man in dieser Episode auch das Verhältnis von Jen und Henry wahrnehmen. In der Sonnenschein-Beziehung kracht es - und das ganz gewaltig. Henry, der sich Jen sonst immer vollkommen hingab, verheimlichte ihr ein achtwöchiges Football-Camp, was die beiden den gesamten Sommer lang trennen wird, während Jen gerade eigene Planungen für das gemeinsame Glück gefasst hatte. Doch damit nicht genug: Henry bittet am Ende nicht etwa wie gewohnt um Verzeihung und bettelt um Vergebung, sondern widerspricht Jen - beendet gar mit offenen Augen die Beziehung.

Diese Entwicklung überrascht. Und doch haben beide die ganze Zeit darauf hingearbeitet, weil das Verhältnis der beiden von einem Ungleichgewicht geprägt war. Jen dominierte die ganze Zeit Henry und dieser ließ es sich gefallen, bot sich ihr gar dar. Man könnte also sagen, dass Henry insgesamt gesehen die Situation selber verschuldet hat. Doch Jen ist auch nicht unschuldig: Sie lässt Henry keinerlei Freiräume und vereinnahmt ihn total für sich. Die Tatsache, dass er ihr widerspricht, sollte ihr zu denken geben, da sie sonst nie einlenken musste. Andererseits ist Henry natürlich auch überraschend egoistisch, dass ihn Football plötzlich mehr interessiert als ein gemeinsamer Sommer mit Jen. Vielleicht ist es aber auch einfach sein Alter, dass ihn nicht soweit sehen ließ.

Auf alle Fälle macht der Streit diese etwas eintönige Beziehung um einiges interessanter. Die Eskalation war aufgrund des schon angesprochenen Ungleichgewichts quasi vorprogrammiert, doch der Anlaß kam wirklich überraschend, was man den Autoren wieder einmal zugutehalten muss.

Alles in allem ist "Zwischen allen Stühlen" eine gut zu bewertende Episode. Bei der Bewertung muss man natürlich auch immer die Episode im Zusammenhang berücksichtigen. Zwischen "The Longest Day" und der finalen Episode besteht natürlich eine enorme Bergauf-Fahrt in der Spannungskurve, um diese in der letzten Episode massiv abfallen lassen zu können. Eben diese Episoden, wo die Spannung explodiert, wie schon in "The Longest Day", wo das Verhältnis zwischen Joey und Pacey offenkundig wurde und in der nächsten Episode, wo Joey sich entscheiden muss, sind in den meisten Fällen die besten, an die die hinleitenden nur bedingt herankommen. Diese Episode trägt das Los der Hinführung, weil sie die Spannung weiter aufbaut. Qualitativ ist sie aber ganz nah am "Sehr gut" angesiedelt sein. Die nächste Episode beendet diese Staffel!

Malte Kirchner

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